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Fee Czisch: Kinder können mehr

Kinder brauchen eine Schule, in die ich selber gerne gehe, sagte sich Fee Czisch, als sie vor Jahren Grundschullehrerin wurde. Sie vollzog über zwei Jahrzehnte hinweg ihre ganz persönliche Schulreform mitten im real existierenden Schulsystem.

 

Ein Beitrag von Fee Czisch

Unser Leben, auch das der Kleinsten, hat sich in den letzten hundert Jahren gründlich verändert. Nur die Schule bleibt stur wie sie immer war. Immer schon und immer noch sitzen Kinder hintereinander, müssen vor allem zuhören, „brav sein“ und alle in derselben Zeit dasselbe lernen, vor allem nachmachen, was sich die Lehrerin ausgedacht hat. Als ob das ein Naturgesetz wäre.

 

Eine andere Schule

Die Erkenntnisse der Wissenschaften vom Gehirn und vom Menschen dagegen fordern eine andere Schule: Jedes Kind ist anders und lernt auch anders, es muss deshalb in seinem Tempo und auf seine Weise selbstständig lernen und seine spezielle Methode finden. Am schlechtesten geht das durch Belehrung und Auswendiglernen, am besten durch sinnliche Erfahrung, nämlich wenn sie Dinge –  Bäume, Tiere, Pflanzen, Wasser, Schnee – in der Wirklichkeit anschauen, schmecken, riechen und anfassen können. Oder wenn sie Buchstaben und Zahlen durch Experiment, Spiel und mit Spaß untersuchen dürfen. Begriffe und Regeln können sie besser behalten, wenn sie sich aktiv mit den Dingen beschäftigen. Rechnen also mit Fingern, Knöpfen, Kastanien oder kleinen Autos und Rechtschreiben mit eigenen Texten üben.

 

Druck macht Angst

Pauken ist sinnlos, sagen die Forscher, Auslese und frühe, ständige Benotung setzen Kinder unter Druck. Druck macht Angst. Angst macht dumm. Interessante Angebote, Förderung und Anerkennung verführen sie mehr als Noten, weil sie von Natur aus neugierig sind. Kinder lernen und arbeiten gerne gemeinsam und in Gruppen und helfen einander, wenn man sie lässt. Sie müssen nicht immer alle dasselbe tun, weil sie nicht dasselbe brauchen. Dabei werden sie selbstständig und lernen die so wichtigen sozialen Fähigkeiten nebenbei. Wie man gut miteinander auskommt, geachtet wird und andere respektiert; wie man sich auseinandersetzt und einen Streit wieder beendet.

 

Kleine Experten

Die Lust am Lernen bringen Kinder mit auf die Welt. Und in die Schule kommen sie weiß Gott nicht als unbeschriebenes Blatt. Sie sind – jeder auf seine Art – bereits Experten. Der eine rennt flink wie ein Wiesel, kennt die zahlen, alle Sorten von Dinosauriern. Ein anderer kann die Stadt perfekt beschreiben, in der die Oma wohnt, weiß, warum sie einen Herzschrittmacher braucht und wie der funktioniert. Sie können eine Menge Lieder singen, Gedichte aufsagen, lesen und im Rhythmus tanzen. Sie sorgen für andere, denen es gerade schlecht geht.

 

Lust auf Neues

In der Schule wollen sie Neues lernen und zeigen, was sie schon können, vor allem aber brauchen sie emotionale Sicherheit und Anerkennung auch für die kleinste persönliche Leistung. Sie müssen da gefördert werden und dort gefordert werden, wo es notwendig ist. Sind Fehler erlaubt, beschäftigen sie sich eifrig ausgiebig und leidenschaftlich mit ihren Aufgaben – und selten geben sie auf.

 

Jeder Buchstabe ein Fest

Lesen lernen ist ihr erstes großes Ziel. Man darf sie da nicht enttäuschen. Jeder Buchstabe will gefeiert werden z.B. das A: im Korb liegen Früchte. Wir sprechen ihre Namen langsam und deutlich, um zu hören, wo das A steckt, sie malen die Früchte ab und schreiben viele A und a dazu. Dann zerteilen wir die Ananas, einen Apfel, eine Avocado und eine Banane, wir streichen uns Marmelade aufs Brot, und in jedem Bissen steckt ein bisschen a und A. Ich gebe ihnen den Auftrag am Abend auf den Gesang der Amsel auf dem Ast zu achten und den Arm um Mamas oder Papas Hals zu legen. Das A kommt im A-Gedicht und im A-Lied oft vor. Ausgiebig geübt wird das alles während der Freiarbeit. Nicht alle üben dasselbe, weil nicht alle dieselbe Übung brauchen. Leerlauf und Langeweile gibt es dann nicht.

 

Anregung und Zuversicht

Lesen muss sich lohnen! Nur mit lustigen, abenteuerlichen, fantasie- und geheimnisvollen Texten aus ihrer Lebenswelt können wir sie locken – Lesenlernen ist mühsam. Lesen lernt man in der Schule: Mit einem der schönsten Kinderbücher können sie sich jederzeit in eine Leseecke zurückziehen. So lernen sie es alle, manche werden süchtig. Kinder können mehr, wenn wir ihnen mehr anbieten. Vor allem brauchen sie die friedliche Gesellschaft der anderen und die Zuwendung der Lehrerin. Dann werden sie Meister im Lernen.

Wer Meisterschaft will, muss Kindern Anregung, Sicherheit, Freiheit und Anerkennung bieten.

Fee Czisch war Lehrerin an bayerischen Grundschulen. Sie leitete die Ausbildung von Schülern und Lehrern zu Streitschlichtern. Seit 2002 ist sie Lehrbeauftragte für Grundschulpädagogik und –didaktik in München. Ihr Buch "Kinder können mehr – Anders lernen in der Grundschule" ist im Verlag Antje Kunstmann erschienen.

Dieser Artikel von ihr erschien erstmals in der Zeitschrift „Hits für Kids“, die unentgeltlich im Buchhandel erhältlich ist.

 
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