Margarete Ostheimer GmbH
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„Wahrheit, Rechtes Handeln, Frieden und Miteinander, Liebe, Gewaltlosigkeit: Diese fünf menschlichen Werte sind die Grundpfeiler einer Demokratie und helfen uns privat und in der Öffentlichkeit, gut miteinander auszukommen“, sagt die Pädagogin und Buchautorin.
Susanne Stöcklin-Meier ist Spielpädagogin und Erzieherin und lebt in Diegten bei Basel. Sie schreibt seit vielen Jahren und mit großem Erfolg Bücher für Kinder und Eltern, ist eine viel gefragte Referentin bei Fortbildungen für Erzieherinnen sowie Dozentin bei Pädagogischen Kongressen und Veranstaltungen für Eltern.
Wer legt Werte fest, und wie haben sie sich im Laufe der Zeit entwickelt?
Susanne Stöcklin-Meier: Jeder wird in seinen Wertvorstellungen geformt vom gesellschaftlichen Umfeld, den geltenden Regeln und Gesetzen seines Landes, den religiösen und ethischen Haltungen seiner Familie und der Öffentlichkeit. Heute hat bei uns jeder erwachsene Mensch die Möglichkeit, persönlich zu wählen, welche Werte er verwirklichen will. Das war nicht immer so. Jahrhunderte lang gab es unangefochtene Instanzen, die den allgemeinen Verhaltenskodex festlegten und über seine Einhaltung wachten. Es waren vor allem die Kirche, die staatliche Obrigkeit, die Tradition und die bürgerliche Gesellschaft. Ein Teil unserer heutigen Werte stammt aus der Antike von Platon und Aristoteles. Damals gehörten Tapferkeit, Besonnenheit, Gerechtigkeit, Freundschaft und Wahrhaftigkeit zu den tragenden Werten. Im Mittelalter fügte der italienische Dominikanerpater Thomas von Aquin dem damaligen Wertebewusstsein die drei christlichen Tugenden hinzu: Glaube, Hoffnung und Liebe.
Aber es gab irgendwann einmal einen Wertewandel. Was hat sich geändert?
Ja, irgendwann änderten sich die Zeiten. Der Absolutismus setzte den unbedingten Gehorsam auf die Werteliste und die Aufklärung die Vernunft und das Kritikvermögen. Im Laufe der Zeit wurden die so genannten bürgerlichen Tugenden wichtig, etwa Ordnung, Sauberkeit, Fleiß, Sparsamkeit, Pünktlichkeit und Pflichterfüllung. Im letzten Jahrhundert brachte die 68-er Bewegung neue Dynamik in die Erziehungsszene. Sie versuchte, rigide Verhaltensvorschriften und sinnlose Verbote aufzubrechen und autoritäre Vaterfiguren abzuschütteln. Werte wie Solidarität, Mitsprache, Selbständigkeit und Gleichberechtigung rückten in den Vordergrund. Die verkrusteten Erziehungsmethoden von übertriebener Autorität, Zucht und Ordnung wurden über Bord geworfen. Das Pendel schlug bald ins andere Extrem aus und gipfelte in grenzenloser Freiheit und falsch verstandener, antiautoritärer Erziehung. Es folgten eine große Verunsicherung und Ratlosigkeit in Erziehungsfragen. Denn beide Erziehungsstile haben sich in der Praxis nicht bewährt. Heute ist die Zeit reif für einen neuen Mittelweg in der Pädagogik.
Können wir heute von einem Werteverlust sprechen?
Nein, denn Werte sind immer da, ob wir das wollen oder nicht. Es fragt sich nur, welche Rangordnung wir ihnen geben. Der Mensch setzt Prioritäten und versucht das zu verwirklichen, was er schätzt. Je nach Standpunkt können für ihn unterschiedliche Werte erstrebenswert sein. Denken wir etwa an Freiheit, Wahrheit, Frieden, Gerechtigkeit und Liebe. Sie waren und sind für Menschen zu allen Zeiten wichtig. Doch die Wertvorstellungen haben sich in den letzten Jahren stark verschoben. Leider in eine Richtung, die Geld, Macht, Medien und Gewalt immer mehr Bedeutung verleiht. Das Ideelle, Geistige, Spirituelle und die Visionen scheinen momentan stark in den Hintergrund gerückt zu sein. Viele Menschen kennen trotz der Vielfalt an Werten in den verschiedenen Dimensionen unserer Lebenswelt nur noch einen Grundwert – den des Profits. Dieser Wertbegriff hat sein moralisches und sein demokratisches Profil verloren und wird nur noch auf messbare Gegenstände bezogen. Was Gewinn einbringt, wird als wertvoll erachtet. Das Geld avanciert zum Wert schlechthin. Es ist zum Mittel aufgestiegen, durch das man sich angeblich alles beschaffen kann. Anders ausgedrückt: Geld ist Macht und regiert die Welt. Es entsteht demzufolge ein großer Egoismus. Auf der Strecke bleiben dabei Fürsorglichkeit, Solidarität und Menschlichkeit.
Warum brauchen unsere Kinder heute Werte ganz besonders?
Sie geben ihnen Schutz und Sicherheit und verleihen der Welt, die für Kinder so viel Unvorhersehbares und Neues enthält, Struktur und Verlässlichkeit. Kinder, die in einem sozialen Umfeld mit überschaubaren Regeln aufwachsen, entwickeln mehr Vertrauen in sich und ihre Umwelt. Sie werden durch die täglichen Auseinandersetzungen mit den Familien- und Kindergartenregeln auf eine gute Weise konfliktfähig. Aus diesen in der Kleinkindzeit erworbenen Wertevorstellungen entsteht das Fundament ihres späteren Weltbildes, ihrer Wertewelt schlechthin. Das funktioniert nur, wenn Eltern und Erziehende sich dieser Herausforderung stellen. Wir sollten uns darüber im Klaren sein, dass Kinder Werte vor allem durch unser Vorbild lernen. Und wenn wir ehrlich sind, klafft zwischen unserem Reden und unserem Tun manchmal eine ziemliche Lücke. Wir schimpfen zum Beispiel die Kinder, wenn sie streiten, und sind dabei oft genauso unfreundlich und laut, wie wir es den Kindern vorwerfen. Doch einen respektvollen Umgang miteinander lernen Kinder: nicht, wenn wir sie ermahnen, respektvoll zu sein, sondern indem wir ihnen Respekt vorleben. Das ist sicher immer wieder ein weites Übungsfeld für uns alle.
In Ihrem neuen Buch laden Sie ein, Werte mit Hilfe von Märchen zu entdecken. Warum sind Märchen in diesem Zusammenhang so wichtig?
Anhand der Märchenfiguren können Kinder die Konsequenzen verschiedener Verhaltensweisen erleben.
Auf uns Erwachsene mögen viele der klassischen Märchen manchmal holzschnittartig wirken: Das herzensgute, fleißige Mädchen ist am hübschesten und darf am Schluss den Prinzen heiraten. Die faule Stiefschwester ist hässlich und wird bestraft. Aus unserer Lebenserfahrung wissen wir, dass die Welt oft komplexer ist. Kinder sind jedoch gerade erst dabei, bestimmte Zusammenhänge zu erkennen. Die häufig schwarz-weiß aufgebaute Welt der Märchen hilft ihnen, sich zu orientieren. Märchen sind für Kleine und Große Seelennahrung. Wir betreten das Land der Träume, der Fantasie, der unbegrenzten Möglichkeiten und der Wunder. Das Verständnis für Gut und Böse wird ebenso geschärft wie das Bewusstsein für gelebte Werte. Viele Kinder und Erwachsene lieben die lebensbejahende, wohltuende, kreative und heilsame Kraft, die in Märchen steckt. Märchen erzählen von Freundschaft, Toleranz, Hilfsbereitschaft und Wahrheitsliebe – von dem, was im Leben wirklich zählt.
Diese Werte Kindern nahe zu bringen, ist heute wichtiger denn je. „Unser Gehirn braucht Märchen!“ –dessen ist sich auch der Hirnforscher Gerald Hüther von der Universität Göttingen sicher. Er vergleicht das Märchen mit einem Zaubermittel, das ein Kind stillsitzen und aufmerksam zuhören lässt, das gleichzeitig seine Fantasie beflügelt und seinen Sprachschatz erweitert, das darüber hinaus auch noch sein Vertrauen stärkt und es mit Mut und Zuversicht in die Zukunft schauen lässt. Hüther nennt Märchen deshalb Superdoping fürs Gehirn. Eltern sollten ihren Kindern also immer wieder Märchen und Geschichten erzählen. Denn so können sich Mädchen und Jungen einen Reichtum an Wortschatz, Wissen und Lebensklugheit aneignen. Kinder, die ohne Märchen und Geschichten aufwachsen, entwickeln kaum innere Bilder, wenig Fantasie und haben ein geringeres Sprachbewusstsein. Märchen hinterlassen Spuren im Denken, in der Sprache und in der Seele. Sie prägen das Wertebewusstsein bis ins Erwachsenenalter hinein.
Sollten Eltern ihren Kindern immer nur bestimmte Märchen vorlesen oder erzählen?
Nein. Neben den bekannteren Märchen, etwa denen aus der Sammlung der Gebrüder Grimm, gibt es Geschichten aus anderen Kulturen. Weil unsere Welt immer globaler und multikultureller wird, ist es wichtig, dass Kinder auch Märchen von anderen Völkern, aus anderen Ländern und Erdteilen kennen lernen. Von Grönland bis Afrika, von China bis Nordamerika werden seit Jahrhunderten Märchen erzählt. Je nach Land, Religion und Brauchtum variieren die Motive. Aber alle enthalten innere Bilder und Wahrheiten, die Kinder ansprechen und verstehen. Märchen dienen der Völkerverständigung, geben alte und neue Sinnbilder weiter und pflegen die Sprache. Märchen aus fremden Ländern können helfen, in Kindern den Sinn für Toleranz und gutes Zusammenleben zu wecken. Sie lernen dabei: Toleranz ist der respektvolle Umgang mit Anschauungen, Wertvorstellungen, Einstellungen, Verhaltensweisen und Sitten, die nicht den eigenen entsprechen. Es ist das Gelten lassen von Anderssein, ohne den Wert und die Berechtigung dieses Andersseins in Frage zu stellen.
Was vermitteln biblische Geschichten in diesem Zusammenhang?
Mit biblischen Geschichten ist es wie mit einem guten Märchen: Es wird spannender und lebendiger, wenn jemand die Geschichte gut erzählen kann und nicht einfach nur herunterliest. Die Texte des Alten und des Neuen Testaments sind ebenfalls Niederschriften von Geschichten und Erfahrungen, die lange Zeit hindurch nur mündlich weitererzählt wurden. Die Geschichten werden lebendiger, wenn die Kinder einen Bezug zum alltäglichen leben, ihren Problemen und Fragen herstellen können. Mit der biblischen Botschaft und ihren Werten können Kinder nur etwas anfangen, wenn sie verstehen, um was es geht. Biblische Geschichten können helfen, achtsam mit Menschen umzugehen und Einfühlungsvermögen zu entwickeln. Die Quintessenz ist die „Goldene Regel“ aus dem Neuen Testament, die auch in vielen anderen Religionen verankert ist. Sie lautet sinngemäß: „Behandle andere so, wie du von ihnen behandelt werden möchtest.“
Sie gliedern Ihr Buch in fünf Teile und beschreiben darin verschiedene Grundwerte, die Sie mit Hilfe ausgewählter Märchen erklären. Können Sie unseren Leserinnen und Lesern einige konkrete Empfehlungen geben?
Ja, sehr gerne. Die Grundwerte, auf die ich in meinem Buch besonders eingegangen bin, sind Wahrheit, Rechtes Handeln, Frieden und Miteinander, Liebe und Gewaltlosigkeit. Ich werde Sie im Einzelnen kurz erklären:
1 Wahrheit
Wir brauchen eine Welt, in der es wahrhaftiger zugeht. Eltern sitzen oft einem Irrtum auf, wenn sie glauben, dass ihre Kinder das Tricksen mit der Steuererklärung, falsche Angaben bei der Gebühreneinzugszentrale oder das Sich-Verleugnen-lassen am Telefon nicht mitbekommen. Kinder brauchen Mütter und Väter, die ehrlich zu dem stehen, was sie tun und reden, die ihren Grundsätzen treu bleiben und zu ihren Idealen stehen. Das Märchen „Des Kaisers neue Kleider“ von Hans Christian Andersen zum Beispiel erzählt von Ehrlichkeit und Lügen, Selbstvertrauen und Eitelkeit, Geltungssucht, Mut zur Wahrheit, aber auch der Angst, seine Meinung zu vertreten. Der faule Trick der zwei Betrüger, die dem Kaiser für viel Geld „unsichtbare Gewänder“ weben, funktioniert nur, weil alle sich aus Eitelkeit und Unsicherheit lieber täuschen lassen, statt der nackten Wahrheit ins Gesicht zu sehen. Ein unschuldiges Kind lässt den Schwindel auffliegen.
2 Rechtes Handeln
Rechtes Handeln zu beschreiben, ist gar nicht so einfach. Im Laufe der Zeit verändert sich auch einiges davon, was eine Gesellschaft für angemessen oder nicht angemessen hält. Doch Kinder haben meist ein gutes Gespür für „richtig“ oder „falsch“. Wenn eine Handlung aus ihrer Sicht nicht stimmt oder sie unangemessen behandelt wird, sagen sie: „Das ist ungerecht.“ Rechtes Handeln erleichtert das Zusammenleben – privat und in der Öffentlichkeit. Zu rechtem Handeln gehört etwa: nicht stehlen, nicht töten, keinem Lebewesen unnötige Schmerzen zufügen. Rechtes Reden vermeidet lügen, fluchen und dummes Geschwätz. Achtsamkeit gehört dazu, Mitgefühl, hinsehen, genau zuhören, andere Meinungen zulassen sowie rechter Umgang mit Material und Zeit. Am Schluss muss jeder die Verantwortung für sein Tun übernehmen. Es ist gut, sich bewusst zu machen, dass alle Handlungen eine Auswirkung haben - gleichgültig, ob wir etwas tun oder lassen. Zu diesem Themenkomplex passt zum Beispiel das Märchen „Vom Fischer und seiner Frau“ aus der Sammlung der Gebrüder Grimm. Es erzählt von Maß halten können, Gier, rechtem Augenmaß, Zufriedenheit, übertriebenem Ehrgeiz, Dankbarkeit und Undankbarkeit, Mut zur Wahrheit, Zivilcourage und Unterwürfigkeit. Es berichtet von der maßlosen Gier der Fischersfrau. Sie kennt keine Dankbarkeit, sondern will immer mehr und mehr. Es fehlen ihr Geduld und Zufriedenheit. In unserer materiellen Zeit ist es gut, wenn Kinder lernen, achtsam mit Besitz umzugehen und zu begreifen, dass Glück nicht allein von Macht und Reichtum abhängt. Dieses Märchen zeigt uns: Weniger ist oft mehr. Die biblische Geschichte vom barmherzigen Samariter, ist ebenfalls ein gutes Beispiel für rechtes Handeln. Sie ermuntert, nicht tatenlos zuzusehen, sondern für andere da zu sein, die Hilfe brauchen.
3 Frieden und Miteinander
Der Schlüssel zu einer friedlichen Welt liegt in jedem von uns selbst. Der Dalai Lama bringt es auf den Punkt: „Wer selbst keinen inneren Frieden kennt, wird ihn auch in der Begegnung mit anderen Menschen nicht finden.“ Frieden in der Familie, im Dorf, in der Stadt, im Land, auf jedem Erdteil, auf der ganzen Welt können wir nur erreichen durch Überwindung von Gewalt. Um Frieden zu erreichen, müssen wir gemeinsam etwas tun, zusammenarbeiten und visionär denken. Wir sollten so weit wie möglich am gleichen Strang ziehen: Eltern, Kinder, Freunde, Verwandte, Nachbarn, Kindergarten, Schule und Behörden. Um sich gesund zu entwickeln, brauchen Kinder ein friedliches Klima. Es beunruhigt und erschreckt sie, wenn Erwachsene sie anschreien oder wenn Eltern sich streiten. Das heißt nicht, Konflikte um jeden Preis zu vermeiden. Sie sind etwas ganz Normales. Doch um friedlich miteinander auszukommen, ist es wichtig, dass Kinder lernen, mit Konflikten gut umzugehen, sie zu lösen, Grenzen, Regeln und andere Meinungen zu respektieren und Gefühle zeigen zu können. Eine gute Beispielgeschichte ist die es verlorenen Sohnes aus dem Neuen Testament: Der Sohn zieht von zu Hause aus in die weite Welt. Im Gegensatz zu einem Märchenhelden besteht er die Prüfungen des Lebens nicht, er scheitert. Reumütig kommt er nach Hause zurück. Der Vater verzeiht ihm und nimmt ihn mit offenen Armen wieder auf.
4 Liebe
Kinder brauchen unsere Liebe in Form von Zuwendung, Fürsorge, Wärme, Lachen, unserer Stimme und Sprache, unserem Blickkontakt und unserer Berührungen. In Liebe erziehen heißt auch Freundschaften pflegen, Feste feiern im Jahreslauf, gute Traditionen und Rituale weitergeben, einen geistigen Hintergrund schaffen sowie die Achtung vor dem Nächsten vorleben und weitergeben. Kinder, die ohne Liebe aufwachsen, werden körperlich und seelisch krank. Sie verkümmern innerlich und äußerlich. Für Rudolf Steiner, den Philosophen, Publizisten, Pädagogen und Begründer der Anthroposophie, heißt „in Liebe erziehen“: „Das Kind in Ehrfurcht aufnehmen, in Liebe erziehen, in Freiheit entlassen“. Versuchen wir den Samen der Liebe mit einem Lächeln in die Herzen unserer Kinder zu pflanzen. Gießen wir ihn täglich mit sonnigen Gedanken, guten Worten, Liedern, Humor, Geschichten und fröhlichem Beisammensein. Der Samen wird im Laufe der Zeit aufgehen und zu einer schönen Pflanze heranwachsen, die bunte Blüten trägt und saftige Früchte hervorbringt wie: Herzenswärme, Geborgensein, Zärtlichkeit, Zuneigung, Liebenswürdigkeit, Mitgefühl, Freundschaft, Verzeihen, Hilfsbereitschaft, Freude, Güte, Geduld, Teilen, Ehrfurcht und Vertrauen. Das Märchen „Die Sterntaler“ aus der Sammlung der Gebrüder Grimm zeigt: Wer aus Liebe alles weggibt, wird auf wundersame Weise belohnt. Die Glückssterne fallen vom Himmel und verwandeln sich in Gold. Im Alltag reicht es, wenn wir ab und zu auf etwas verzichten oder von Herzen mit jemandem teilen, der weniger hat als wir.
5 Gewaltlosigkeit
Alle Menschen tragen das Potential zur Gewalt in sich. Die moderne Hirnforschung zeigt: Das Gehirn verändert sich gemäß seiner Nutzung. Beständige Wiederholungen stärken die entsprechenden Verbindungen von Nervenzellen. Und so entstehen Gewohnheiten, die sich schwer wieder rückgängig machen lassen. Es ist daher wichtig, Aggression im Kinderalltag liebevoll und bestimmt zu stoppen. Gewaltlosigkeit ist eine Lebens- und Geisteshaltung, die grundsätzlich eine Schädigung und Verletzung von Lebewesen aller Art vermeidet. Gewaltfreiheit geht davon aus, dass Gewalt oder deren Androhung Probleme nicht lösen und Ungerechtigkeit oder Unterdrückung nicht beseitigen kann. Der große indische Freiheitskämpfer Mahatma Gandhi sah Gewaltlosigkeit als einziges Heilmittel für den Weg zu einer zukünftigen friedlichen Welt. Zur Gewalt gehören nach Gandhis Meinung auch negative Gedanken, Lüge, Hass und übermäßige Eile. Er war überzeugt, dass die Menschen durch Geduld und andauerndes Bemühen lernen können, mit sich selbst und anderen in Frieden zu leben. Erziehung zur Gewaltlosigkeit beginnt beim kleinen Kind. Es lernt durch Nachahmung. Deshalb ist es wichtig, dass Eltern und Erziehende ihm ein gutes Beispiel vorleben. Das Märchen „Die Bienenkönigin“ aus der Sammlung der Gebrüder Grimm behandelt mit sehr viel Tiefgang das Thema Gewaltlosigkeit. Die drei Tiere Ameise, Ente und Biene stellen symbolisch alles dar, was auf der Erde, im Wasser und in der Luft lebt. Die zwei Königssöhne, die ausziehen, um die Welt zu erobern, sind Nichtsnutze. Sie gehen in zerstörerischer Weise mit Erde, Wasser und Luft um. Den richtigen Weg, das Schloss und die Versteinerten zu erlösen, findet nur der verspottete Dummling. Er setzt sich energisch für das Wohl der Natur ein. Er kann Aufgaben lösen, weil ihm die Tiere helfen, tausend Perlen aufzusammeln, den Schlüssel aus dem See zu holen und die richtige Prinzessin zu erraten.
Frau Stöcklin-Meier, wir danken Ihnen für das Gespräch!
Dieses Interview führte Jette Lindholm für unsere Redaktion.
Mehr Informationen über Susanne Stöcklin-Meier finden Sie auf ihrer Homepage: www.stoecklin-meier.ch
Susanne Stöcklin-Meier:
Von der Weisheit der Märchen.
Kinder entdecken Werte mit Märchen und Geschichten.
Mit Bildern von Anita Kreituse
Eine gelungene Verbindung aus Erziehungsratgeber, Märchensammlung und Lebensschule: Susanne Stöcklin-Meier hat 50 Märchen aus aller Welt, Fabeln, biblische Erzählungen und von Kindern selbst verfasste Geschichten zusammengetragen und sie den Grundwerten Wahrheit, Rechtes Handeln, Frieden und Miteinander, Liebe sowie Gewaltlosigkeit zugeordnet. Mit viel Sachkenntnis führt sie Eltern und alle, die sich beruflich mit Kindern befassen, in die Geschichte der Märchen und Erzählungen ein. Sie erklärt die Entstehung der einzelnen Gattungen und zeigt Besonderheiten auf.
Aus ihrer langjährigen Erfahrung als Erzieherin und Spielpädagogin gibt sie viele Tipps und Anregungen für den Umgang mit den Märchen, etwa zum Vorlesen und Erzählen oder zur Einrichtung einer Erzählecke. Zu jedem der fünf Grundwerte enthält das Buch verschiedene Märchen aus unterschiedlichen Quellen. Die Autorin führt in jedes Märchen ein und weckt die Aufmerksamkeit für den Wesenskern und die innere Wahrheit dieser Geschichte. Ideenreiche Gesprächs- und Spielanregungen runden jedes Märchen ab. Die von der lettischen Künstlerin Anita Kreituse stammenden prächtigen Illustrationen werten das Buch zusätzlich auf. Es ist eine wahre Fundgrube für alle Menschen, die Kinder lieben, mit ihnen zusammenleben und sie erziehen. Und es sollte in keiner Familien- und Fachbibliothek fehlen.
Kösel Verlag, 256 Seiten
Ein Interview mit der Märchenerzählerin und –pädagogin Brigitta Schieder zum Thema "Warum Kinder Märchen brauchen" finden Sie hier.
Mehr Bücher zum Thema Märchen finden Sie hier.
Lesen Sie hier mehr darüber wie Sie mit Holzfiguren Märchen nachspielen können.
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