Margarete Ostheimer GmbH
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Deutschland
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Im Interview erklärt die Autorin und Dozentin Ingrid Miklitz, warum es Kindern so gut tut, sich so viel wie möglich in der Natur aufzuhalten, was sie dort für Erfahrungen machen und was sich hinter dem Begriff "Waldkindergarten" verbirgt.
Geschenkt
Am Morgenhimmel Geburtstagsglanz-
Weiße Wolken nur
Und die Stimme der Natur:
Geh mit mir durch ein neues Jahr
Und nähr dich an mir im Draußensein.
Bleib nicht im Haus, bleib nicht im Zimmer.
Komm hinaus in die Welt und fühle die Erde.
Mit deinen nackten Füßen
Kannst du sie begrüßen.
Lass dir den Wind um die Nase pfeifen
Und die Kälte in deine Ohrläppchen kneifen.
Tritt in Pfützen und spritze sie leer.
Erlebe den Wellenschlag im kleinen Meer.
Schleppe Äste und bau dir ein Haus.
Sammle Früchte und genieße den Schmaus.
Wühle im Matsch, bis du braun bist wie er.
Erlebe den Winter, wenn alles so leer.
Lass dich ins Laub fallen, mit Lust und Lachen.
Lass dir nicht verbieten dumme Sachen zu machen.
Suche das Holz, das sich biegen lässt.
Mit deinen Händen bau dir ein Nest
und füll es mit Schätzen jahresschwer.
©Ingrid Miklitz, aus dem Gedichtband „Ich wollte ja mal nüzlich sein … pädagogische Gedichte“ von Ingrid Miklitz
Ingrid Miklitz wurde 1952 in England geboren und verbrachte prägende Jahre ihrer Kindheit auf einem Bauernhof. Sie ist graduierte Sozialpädagogin und Diplom-Sozialwissenschaftlerin und arbeitet seit 1978 im elementarpädagogischen Bereich. Darüber hinaus ist die Mutter von fünf Kindern Buchautorin und veröffentlicht regelmäßig pädagogische Beiträge, Lieder und Geschichten in Fachzeitschriften. Einer ihrer Schwerpunkte liegt auf dem natur- und erlebnispädagogischen Bereich. Vor zwei Jahren gründete sie den Verlag ELKINA (er Name steht für Eltern-Kind-Natur), sowie die Zeitschrift Draußenkinder. Sie lebt im Nordschwarzwald und arbeitet als Dozentin und in der Lehrerfortbildung.
Frau Miklitz, Sie sind Oberstudienrätin und Mutter von fünf Kindern. Beobachten Sie Veränderungen im Verhalten von Kindern über die letzten Jahrzehnte?
Ja. Sie sind häufiger unkonzentriert, ängstlich und bewegungsunfreudig.
Worin liegt die Ursache dafür?
Kinder wachsen zunehmend überbehütet auf. Man traut ihnen wenig zu. Sie sind auch abhängiger geworden von den Erwachsenen. Die Kindergärten lagen früher zum Beispiel in der Regel im fußläufigen Bereich. Heute sind die Wege durch die Schließung von wohnortnahen Kindertageseinrichtungen oft so weit entfernt, dass die Kinder gefahren werden müssen. Die Berufstätigkeit beider Elternteile führt zudem zu Tagesabläufen mit enger Zeittaktung. Kinder aber haben ein anderes Zeitgefühl als Erwachsene.
Seit über 35 Jahren arbeiten Sie als Pädagogin und engagieren sich für Kinder, können Sie zusammenfassen, was, Ihrer Erfahrung nach, die Grundbausteine für eine gesunde Kindesentwicklung sind? Was können wir tun und worauf sollten wir bei der Erziehung unser Augenmerk lenken?
Wir sollten Kindern einerseits mehr Freiräume geben und sie andererseits mehr an unserem Alltagsleben teilhaben lassen.
Diesem Grundgedanken entspricht der lebenspraktische Ansatz: Kinder wollen nützlich sein. Statt Kind allein im Kinderzimmer - Mutter oder Vater in der Küche sollten Eltern ihre Kinder vermehrt in lebenspraktische Tätigkeiten einführen. Dann bekommen sie das Gefühl gebraucht zu werden und können einen Werkstolz entwickeln. Das macht sie unabhängiger - auch vom Lob Erwachsener. Mir ist es deshalb wichtig, dass in der Zeitschrift Draußenkinder Anregungen zum Ernten, Sammeln und Verarbeiten von Früchten und Gemüse gegeben werden.
Warum sind Naturerlebnisse so wichtig für Kinder und was bewirken sie bei Kindern?
Kinder sind Entdecker, Jäger, Sammler und Hüttenbauer, wenn man sie denn lässt. Im Naturraum finden sie alles, um diese Bedürfnisse befriedigen zu können. Außerdem wird die Grundlage für ein Mitweltbewusstsein gelegt. Sie erfahren: Nicht der Mensch steht im Mittelpunkt. Er steht in Anhängigkeit von Tieren, Pflanzen und den Elementen. Zudem erleben Kinder in der Natur die Prozesse des Werdens und Vergehens in der Realität. Denn letztendlich sind auch Bilderbücher nur Plagiate der Wirklichkeit. Außerdem können Naturraumerlebnisse von einer konsumorientierten Haltung wegführen. Kinder sind ja den Einflüsterungen der Werbung durch deren mediale Präsenz stark ausgesetzt.
Sie sind seit 14 Jahren Vorsitzende der Wald- und Naturkindergärten des Landesverbandes Baden-Württemberg. Was ist eigentlich ein Waldkindergarten?
Die Kinder halten sich den überwiegenden Teil der Betreuungszeit im weitgehend ungestalteten Naturraum auf.
Wie dürfen wir uns den Alltag vorstellen? Sind die Kinder wirklich immer draußen?
In klassischen Wald- und Naturkindergärten schon. In der Regel vier bis sechs Stunden an fünf Tagen. Nur bei möglicher Gefährdung im Naturraum wird ein Schutzraum aufgesucht; so zum Beispiel bei Eisregen oder Schneebruchgefahr.
Was erfahren Kinder beispielsweise und was lernen sie?
Im Waldkindergarten hat sich Jil beispielsweise hinter einem Wurzelteller versteckt. Sie holt sich einen Stock und löst aus dem mit Steinen und Erde durchsetzten Wurzelteller einen größeren Stein heraus. Es gibt kein falsch oder richtig. Niemand bewertet ihr Tun, gleicht es mit einem Muster ab. Sie tut es konzentriert und lustvoll. Nun kann sie unbeobachtet die Kindergartengruppe beobachten. Jil hat Spuren hinterlassen.
Nie mehr wird der Stein ihr Guckfenster in gleicher Form verschließen. Spuren hinterlassen zu können, das heißt auch: Nicht spurlos bleiben. Erinnern Sie sich an Ihr kindliches Bedürfnis, Initialien in eine Rinde zu ritzen? Der Baum wurde schmerzhaft gezeichnet. Er wird für Sie ein besonderer Baum bleiben und noch lange davon künden, dass Sie hier waren. Das soll kein Aufruf zum Baumritzen sein! Es soll ein Bedürfnis verdeutlichen, das im Naturraum auf vielerlei Art und Weise befriedigt werden kann.
In geschlossenen Räumen kann man aufräumen, das heißt einen Ursprungszustand weitgehend wieder herstellen. Das kann man im Naturraum so nicht. Jil erfährt täglich, dass sie im Naturraum etwas bewirkt. Das stärkt ihre Selbstwirksamkeitskräfte. In Innenräumen kann man sich auch nicht so gut verstecken. Doch Kinder sind auch gerne einmal unbeobachtet.
Und sie lieben den Perspektivwechsel. Deshalb erklettern sie so gerne Bäume und blicken von oben auf das Geschehen herab. Dazu braucht man kein Baumhaus bauen.
Eine Gruppe wippt auf einem Baumstamm im Geäst auf und ab. Da wird der Gleichgewichtssinn trainiert. So ganz nebenbei finden die Kinder heraus, in welchen Stammabschnitten es sich am besten wippen lässt
Leben und Tod gehören dazu
Im Alltag wird das Sterben häufig ausgeklammert. In der Natur erleben Kinder im Jahreskreislauf Prozesse des Werdens und Vergehens. Die Pflanzen sterben ab oder überstehen die kalte Jahreszeit im Erdboden. Die Tiere halten Winterschlaf. Viele Vögel verlassen uns und ziehen in den Süden. Kinder finden tote Tiere. Für die Maus gestalteten die beiden Kinder ein Grab. Sie erfahren, dass etwas vergeht und Neues entsteht.
Wie kam es zu der Idee, die Zeitschrift Draußenkinder zu gründen?
Ich bin wiederholt angesprochen worden mit der Bitte doch Anregungen zu geben, und es gab in diesem speziellen Fachsegment kein Angebot auf dem Zeitschriftenmarkt. Durch eine längere Krankheit hatte ich zudem viel Zeit, mir Gedanken über dieses Vorhaben zu machen.
An wen richtet sich die Zeitschrift?
An alle Pädagoginnen, Pädagogen und Eltern, die sich mit Kindern vom Kleinstkindalter bis zur 2. Klasse vermehrt im Naturraum aufhalten möchten. Ebenso an Lehrkräfte in diesem Alterssegment.
Was finden die Leser in ihrer Zeitschrift?
Ich habe mich vor Kurzem zum Beispiel intensiv mit dem Thema Stöcke beschäftigt. So ein Stock hat seine eigene Geschichte, und wer genau hinschaut, kann sie lesen. Dazu habe ich ein schönes Stöckelied komponiert. Stöcke kosten nichts, und man kann so viel mit ihnen machen. Ein Kindergarten hat in der Zeitschrift Draußenkinder ein wunderschönes Stöckeprojekt vorgestellt. Es werden auch pädagogische Themen aufgegriffen und diskutiert. Bastel- und Spielideen, sowie an den Jahreszeiten orientierte Rezepte kommen hinzu, ebenso neues aus Wissenschaft und Forschung
Warum sollte man die Zeitschrift abonnieren?
Die Zeitschrift Draußenkinder macht Lust auf Natur und gibt vielfältige Anregungen und Informationen, um die Natur besser zu verstehen und im jahreszeitlichen Rhythmus in ihr tätig zu werden. Sie ermutigt Eltern und Pädagogen dazu, Kindern im Naturraum auch unverplante Zeit- und Freiräume zuzugestehen. Letztendlich geht es in der Folge um Anregungen für einen nachhaltigen Lebensstil.
Draußenkinder, Fachzeitschrift für Elementarpädagogik im Naturraum.
Zu beziehen unter www.elkina-verlag.de
Die Zeitschrift erscheint vierteljährlich
Ingrid Miklitz: Der Waldkindergarten; Dimensionen eines pädagogischen Ansatzes, 4. Auflage 2011, Cornelsenverlag
304 Seiten
ISBN 978-3-589-24739-4
Der Waldkindergarten liefert optimale Voraussetzungen für ganzheitliche Bildung, denn der Naturraum steckt voller Möglichkeiten zum Entdecken, Erforschen und Experimentieren.
Hier finden Sie das nötige Hintergrundwissen - von Ausstattung, Aktivitäten, Zusammenarbeit mit Eltern, Arbeit mit unter Dreijährigen, gesetzlichen Grundlagen bis hin zur Gründung. Ingrid Miklitz beschreibt den Lebenspraktischen Ansatz.
Zusätzlich erleichtern Checklisten, Tipps und Fallbeispiele die praktische Umsetzung.
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