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Renate Ferrari: Wie Kinder Halt und Geborgenheit finden

"Liebe, Vertrauen und Geborgenheit sind die Säulen einer gesunden Kindesentwicklung", sagt die Pädagogin und Buchautorin Renate Ferrari, "wer sein Kind liebt, der geht eine tiefe Bindung mit dem Kind ein, bringt Verständnis für sein Verhalten und für seine Bedürfnisse auf. Zärtlichkeit, der liebevolle Umgang mit dem Kind spielt besonders in den ersten Lebens-jahren eine bedeutende Rolle."

Frau Ferrari war vor ihrer Tätigkeit als Journalistin 15 Jahre lang als Leiterin eines Kindergartens tätig und ist seit 1993 verantwortliche Redakteurin des Familienmagazins mobile. Sie ist verheiratet und hat einen erwachsenen Sohn. In den letzten 10 Jahren machte sich Frau Ferrari auch als Buchautorin einen Namen.

Frau Ferrari, Sie sind seit 36 Jahren Erzieherin und darüber hinaus leitende Redakteurin einer Familienzeitschrift. Haben sich Eltern und Kinder in diesen fast vier Jahrzehnten verändert?

Renate Ferrari: Natürlich haben wir derzeit eine andere Elterngeneration, als noch zu Beginn der 70er Jahre, in der ich meine Ausbildung zur Erzieherin begann. Wohn- und Familienverhältnisse habe sich verändert und mit ihnen auch die Kinder, die in diesem Umfeld aufwachsen.

 

Worin liegen die Unterschiede zu früher?

Heute sind - trotz hoher Arbeitslosenzahl - mehr Mütter erwerbstätig und somit auch größeren Belastungen ausgesetzt. Diese Doppel- und Dreifachbelastungen führen vermehrt zu Konflikten in der Familie, die sich wiederum auf die Kinder auswirken.

Außerdem gibt es deutlich mehr allein erziehende Mütter und Väter und somit auch Kinder, die von diesen erzogen werden.

Und dann sind da die „neuen“ Väter. Ja, es gibt sie tatsächlich: Väter, die ihren Platz in der Familie gefunden haben und mehr als nur Ernährer sein wollen.

Ein weiterer Unterschied liegt in der Vielfalt der Medien. Zum Radio- und Fernsehgerät sind Multimediageräte gekommen und das Internet. Die Informationsflut ist größer geworden und mit ihr ist auch die Unsicherheit in Erziehungsfragen gewachsen. Was gestern noch als richtig und gut galt, ist morgen schon überholt und das verunsichert vor allem junge Familien.

Positiv ist, dass Bildung und Erziehung mehr in den Blickpunkt der Politik gerückt sind als dies noch vor 35 Jahren der Fall war. Auch die Vorschulerziehung hat an Bedeutung gewonnen, auch wenn hier und da noch zu wenig Geld für die Umsetzung guter Programme ausgegeben wird.

Was sind die Säulen einer gesunden Kindesentwicklung?

Liebe. Vertrauen. Geborgenheit.

Wer sein Kind liebt, der geht eine tiefe Bindung mit dem Kind ein, bringt Verständnis für sein Verhalten und für seine Bedürfnisse auf. Zärtlichkeit, der liebevolle Umgang mit dem Kind spielt hier besonders in den ersten Lebensjahren eine bedeutende Rolle. Sich voll und ganz dem Kind zuwenden, auch wenn es nur kurze Stunden im Laufe des Tages sind.

Vertrauen haben in die Fähigkeiten, die das Kind im Laufe der Jahre entwickelt hat. Sich nicht ständig verunsichern lassen.

Geborgenheit schenken, in dem ich dem Kind ein festes, sicheres Zuhause gebe: Egal was passiert – hier ist immer ein Platz für dich, mein Kind. Geborgenheit ist mehr als Sicherheit. Beispielsweise kann ein Polizist einem Menschen Sicherheit geben oder eine Erzieherin in der Kindertagesstätte kann dem Kind das Gefühl von Sicherheit geben, aber dennoch nicht das Gefühl von Geborgenheit. Wer sich geborgen fühlt, kann sich fallen lassen, gehen lassen, einfach „Ich-Sein“ ohne negative Konsequenzen zu befürchten oder gar zu erfahren.

Das bedeutet nicht, dass das Kind ohne Grenzen erzogen wird. Im Gegenteil, auch die gesetzten Grenzen verleihen ja dem Kind Vertrauen, Sicherheit und Geborgenheit.

Haben Sie konkrete Erziehungs-Tipps für unsere Leserinnen und Leser?

Einem Kind Liebe, Vertrauen und Geborgenheit zu schenken, bedeutet für Eltern, Zeit aufzuwenden und eigene Bedürfnisse für eine begrenzte Zeit aufzugeben. Da ist beispielsweise die Zeit (etwa eine Viertelstunde) vor dem Einschlafen, die die Mutter oder der Vater jedem Kind voll und ganz widmen sollte. Zeit für ein liebevolles Kuscheln und Schmusen oder für kleine persönliche Gespräche. Dem Kind durch seine Gegenwart das sichere Gefühl zu geben: „Ich bin für dich da!“. Selbstverständlich kann diese Zeit auch auf eine andere Tageszeit gelegt werden. Wichtig ist nur, dass es diese Zeit für das Kind täglich gibt.

Außerdem sollten Eltern mindestens ihr Kind einmal am Tag für etwas loben. Oft finden kleine Gespräche zwischen Eltern und Kind nur statt, um das Kind zu kritisieren oder ihm mitzuteilen tu dieses oder lass jenes.

Und natürlich sollte der Humor in keiner Familie fehlen. Zusammen lachen und Spaß haben ist außerordentlich wichtig für ein friedliches, harmonisches Familienleben.

Wie können Eltern vorsorgen, damit die Nähe zum Kind entsteht?

Nähe zum Kind entsteht durch Schmusen, Kuscheln und gemeinsames Spiel. Aber da sind auch noch die kleinen Tätigkeiten im Haushalt, in die Eltern ihr Kind so oft es geht mit einbeziehen sollten. Hier lernt das Kind nicht nur seine Fähigkeiten und Fertigkeiten weiter zu entwickeln, sondern es entsteht auch eine Nähe zwischen Eltern und Kind und das Kind wird mit in die Verantwortung aufgenommen. Das ist wichtig, denn auch das Kind braucht das Gefühl „Ich kann was. Ich werde gebraucht. Ich bin hier in der Familie wichtig. Ich gehöre dazu.“ Nicht immer wird das Kind diese gestellten Aufgaben mit Freude übernehmen, aber auch das muss ein Kind lernen, dass es in der Gemeinschaft auch Pflichten hat und die nicht immer nur mit Spaß und Freude verbunden sind.

Für sehr wichtig erachte ich, dass mindestens eine gemeinsame Mahlzeit in Ruhe gemeinsam eingenommen wird. Je nach Tagesrhythmus und Zeitbudget der Eltern kann dies am Morgen, Mittag oder Abend sein.

Wie kann Rhythmus entstehen?

Indem ich den Tag eines Kindes fest gliedere, einzelne Höhepunkte setze und den Tag in feste Zeiten einteile: Morgens zu gleichen Zeit aufstehen und dann ein Ritual folgen lassen (z.B. sich waschen, frühstücken, spielen bevor es in den Kindergarten geht). Mittags oder nachmittags kann man sich wieder zusammenfinden und abends den Tag täglich gleich ausklingen lassen. Auch feste Zubettgehzeiten sind hilfreich.

Selbstverständlich soll im Laufe des Tages auch genügend Zeit für das Spiel des Kindes bleiben und zwar für das Spiel zu Hause.

 

Warum ist diese freie Spielzeit für Kinder so wichtig?

Für ein freies Spiel braucht das Kind Ruhe und Zeit! Fernseh- oder Radioberieselung sollte bewusst vermieden werden. Auch ständiges Rufen nach dem Kind reißt ein Kind aus seinem Spiel heraus. Es kann sich dann weder darin vertiefen, noch hat es die Möglichkeit, Ereignisse des Tages oder der Woche hier in Ruhe zu verarbeiten. Doch das ist für seine Entwicklung notwendig. Außerdem ermöglicht das freie Spiel dem Kind, seine persönlichen Fähigkeiten auszuleben und weiter zu entwickeln, sich zu entspannen und sich aus dem Alltagsgeschehen herauszunehmen und in seiner Welt zu sein. So wie wir Erwachsene uns wohlfühlen und Kraft schöpfen, wenn wir einer Tätigkeit nachgehen, die uns Freude macht und entspannt, so braucht auch das Kind seine freie Spielzeit, um sich gesund zu entwickeln. Hier spielt natürlich auch die Auswahl des Spielmaterials eine Rolle, aber das ist nochmals ein anderes Thema.

Sie haben 15 Jahre lang einen Kindergarten geleitet. Was halten Sie von Frühförderungsprogrammen in Kindergärten?

Jedes Kind ist bestrebt, Antworten auf seine Fragen zu finden, Neues zu erkunden und auf Entdeckungsreise zu gehen, um die Welt zu verstehen und kennen zu lernen. Förderprogramme, die die individuellen Neigungen eines Kindes und überhaupt die Bedürfnisse von Kindern berücksichtigen, haben ihre Berechtigung und sollten in Kindergärten angeboten werden. Es kommt hier aber immer auf das WIE und WAS an. Eine kluge und qualifizierte Erzieherin weiß, was sie ihren Kindern bieten muss, damit sie früh und kindgerecht gefördert werden. Mit Kindern einen Tag lang im Wald oder in der freien Natur verbringen gehört für mich genauso zum Frühförderprogramm wie das Experimentieren mit den Naturelementen Wasser, Feuer und Luft. Mit Kindern backen, kochen, gärtnern, basteln, singen usw. heißt auch, sie in ihrer Entwicklung zu fördern und gehört für mich zu den Frühförderprogrammen.

Welche Inhalte versuchen Sie mit dem Magazin mobile, aber auch in  Ihren Büchern zu vermitteln?

Die Zeitschrift mobile möchte Eltern von Kindern im Kindergartenalter Tipps und Informationen rund um den Erziehungsalltag bieten und zwar aus den Bereichen Pädagogik und Psychologie, Brauchtum, Gesundheit und Ernährung und der Bildungsarbeit im Kindergarten. Mit den Artikeln möchte mobile die Erziehungskompetenz der Eltern stärken. Nicht zuletzt soll mobile auch das Miteinander von Eltern und Kindergarten fördern.

Zur Umsetzung dieser Ziele ist es mir wichtig, dass die Beiträge in einem sprachlichen Stil verfasst sind, die jedermann versteht.

Mit meinen Büchern will ich Eltern Hilfestellungen bei der Bildungs- und Erziehungsarbeit geben und ihnen Möglichkeiten aufzeigen, wie sie ohne große Mittel ihr Kind in seiner Entwicklung fördern können.

 

Was macht Sie traurig, was freut Sie, wenn Sie unterwegs sind und junge Mütter und Väter beobachten?

Traurig macht mich, wenn ich Mütter oder Väter sehe, die ihr Kind im Kinderwagen verkehrt herum durch die Landschaft schieben. Das Kind sitzt „in Fahrtrichtung“ schaut stumm in die Welt, ebenso die Mutter, die manchmal auch noch mit der zweiten Hand das Handy am Ohr hält. Mir fehlt da das Miteinander. Gerade diese Zeit, in der Eltern ihr Kind im Kinderwagen herumfahren, könnte doch genutzt werden, um dem Kind freundlich lächelnd zuzunicken, mit ihm zu scherzen und freuen, um sich mit ihm zu unterhalten oder ein kleines Lied vorzusingen, etwas vorzusummen oder einen Vers vorzutragen. Stattdessen wird der Kinderwagen wie ein Einkaufswagen stumm vor sich her geschoben.

Mich freut, wenn ich junge Mütter erlebe, die auf ihre innere Stimme, auf ihr Gefühl hören, wenn es um das Wohlergehen ihres Kindes geht und es freut mich zu sehen, dass es viele junge Frauen gibt, die mit Freude und Engagement Mutter sind und ihr Kind nicht als Last, sondern als Bereicherung in ihrem Leben erleben.

Frau Ferrari, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.

Die Webseite von mobile finden Sie hier.

 
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