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Margarita Klein: Sanft berührt - Warum Babymassage so gut tut

„Eine Berührung ist ein inniges Gespräch von Hand zu Haut. Sie macht Zuneigung und Nähe direkt erfahrbar. Unter diesem Aspekt lässt sich Babymassage vielleicht als ein Lied beschreiben, das Eltern und Kinder gemeinsam singen. Die Melodie wird mit der Zeit vertraut. Und schon die Vorbereitungen wecken Freude auf das Kommende. Das Erlernen der Massagetechniken gibt den Händen die Gelassenheit, auf erprobten Wegen zu gehen“, sagt die Hebamme und Familientherapeutin Margarita Klein.

Margarita Klein, Jahrgang 1953, Hebamme, Diplom-Pädagogin, Familientherapeutin und Mutter von zwei Töchtern, ist in eigener Praxis in Hamburg tätig. Sie leitet Fortbildungen zu Themen rund um die Geburt – unter anderen auch „Massage für Babys und Kinder“. Gemeinsam mit ihrem Mann Dr. Jochen Klein hat sie den Verein „Kreisel e.V. ... für das Leben mit Kindern“ ins Leben gerufen. Kreisel e.V. bietet Vorträge, Workshops und Ausbildungen an, etwa zur Systemischen Beraterin oder zur Lerntherapeutin. Anliegen der Kreisel-Mitarbeiter ist es, Kompetenzen von Menschen miteinander zu vernetzen, die in unterschiedlichen Berufen die Entwicklung von Kindern begleiten.

Warum tut Neugeborenen Hautkontakt und sanftes Streicheln so gut?

Weil die Berührungen das Kleine an die Zeit in Mamas Bauch erinnern. Während der gesamten Schwangerschaft wird das Ungeborene nämlich von allen Seiten gehalten. Es spürt, wie seine Arme und Beine sich berühren, wie die Nabelschnur pulsiert und die Wände der Gebärmuter sich immer wieder einmal zusammenziehen. Seine erste Lebenserfahrung ist: Ich spüre, also bin ich. Unter der Geburt wird die Haut besonders stark stimuliert. Wie anders dagegen sind die Empfindungen danach: Kälte, Trockenheit, raue Kleidung, der Druck der Schwerkraft, der das Baby auf seine Unterlage presst. Welch ein Trost sind dann die Hände, die es halten, es berühren und einhüllen.

Die Hände sprechen zu ihm, in der einzigen Sprache, die das Kind versteht – die Berührung. Sie sagen ihm: Es ist gut, wir sind da. Wir halten dich. Willkommen hier draußen! Geborgen in den Händen der Eltern, auf ihrem Bauch, an der Brust der Mutter, kann ein Baby sich immer wieder erholen: von dem Abenteuer des Geborenwerdens und dem Schrecken der Leere danach, von all den überwältigenden Eindrücken, die das Leben bereit hält.

Wann ist der beste Zeitpunkt für Eltern, die Babymassage zu erlernen?

Bereits unmittelbar nach der Geburt können es ihnen die Kinderschwestern in der Klinik zeigen oder die Hebamme, die zur Wochenbett-Betreuung ins Haus kommt. Auch Bücher geben Anleitungen zur Babymassage. Später können Mütter oder Väter mit dem Baby einen Massagekurs besuchen – am besten zwischen dem Ende des dritten und dem siebten Lebensmonat. Dann sind Mutter und Kind in der Regel so vertraut miteinander, dass die Kursstunde sie nicht mehr anstrengt. Ein jüngeres Kind wäre damit allerdings noch überfordert. Ist das Kleine schon älter, möchte es in einer so anregenden Umgebung viel lieber krabbeln und spielen. Frühgeborenen oder auch anderen Babys, die nach der Geburt von der Mutter getrennt wurden, kann sanftes Massieren helfen, die Folgen dieses Traumas zu überwinden.

Fest steht mittlerweile, dass Frühgeborene besser gedeihen, wenn sie täglich massiert werden. Eltern haben mit der Massage eine Möglichkeit, ihr winziges, zartes, vielleicht sogar krankes Baby zu umsorgen, ihm etwas ganz einzigartig Gutes zu tun.

Eltern haben oft Angst, bei der Babymassage etwas falsch zu machen. Ist dies berechtigt?

Nein, denn ein Baby ist immer ein weiser Lehrmeister. Es fordert Aufmerksamkeit und Konzentration auf das Hier und Jetzt. Eltern können ein Baby nur so lange massieren, wie es damit einverstanden ist. Behagt ihm das Ganze nicht, wendet es sich ab oder weint. Kein Baby lässt eine Massage über sich ergehen – in der Hoffnung, dass es schon für etwas nützlich sei. Es lebt und fühlt hier und jetzt, nicht mit Blick auf die Zukunft. Und es verlangt absolute Zuwendung. Sobald die Mutter oder der Vater gedanklich oder emotional mit anderen Dingen beschäftigt sind, wird das Baby unruhig. Eltern, die sich voll und ganz auf ihr Kleines konzentrieren und achtsam mit ihm umgehen, können also gar nichts falsch machen.

Was raten Sie Mütter und Vätern, die sich mit der Babymassage vertraut machen wollen?

Ich rate Ihnen, auf die Reaktionen des Babys zu achten: seine Mimik, seine Bewegungen, seine Laute. Und ich rate ihnen, mit Berührung, Blickkontakt und der eigenen Stimme darauf zu antworten. So kann Massage zu einem Gespräch miteinander werden, das beide tief befriedigt. Eltern erfahren auf diese Weise etwas über die körperliche Befindlichkeit ihres Kindes. Stimmungen, die es nicht ausdrücken kann, weil ihm die Sprache noch nicht zur Verfügung steht, teilt es über seine Körperspannung, über Mimik und Leute mit.

Solange Eltern offen und aufmerksam sind, finden ihre Hände intuitiv die richtige Antwort.

Was bewirkt die Babymassage?

Die Massage bringt Energien zum Fließen. Wir wissen, dass die eigenen Energien in Verbindung mit der Welt um uns herum stehen. Sie werden davon genährt oder auch gestört. Kommt es zu einer Stockung durch eine seelisch oder körperlich verletzende Erfahrung, kann liebevolle Berührung durch einen anderen Menschen sie wieder in Fluss bringen. Neben der Anregung des Energieflusses und der Entwicklung der Achtsamkeit füreinander ist es der Rhythmus, der Massage so wohltuend macht. Rhythmus ist eine der ersten sinnlichen Erfahrungen, die ein Baby macht: das Schlagen des mütterlichen Herzens, das Aus und Ein ihres Atems, ihre Bewegungen. Rhythmus ist verlässlich. Ereignisse kehren innerhalb einer bestimmten Zeit immer wieder, sie sind vorhersehbar. Das bringt Ordnung in die Welt und schafft Vertrauen. Wenn aber ein Baby zur Welt kommt, gerät zunächst alles aus dem Takt, und der Rhythmus muss sich erst neu einstellen. Ihr Kind zu massieren, offen und aufmerksam seinen Körper mit all seinen Sinnen wahrzunehmen, hilft  Eltern, einen gemeinsamen Rhythmus zu finden, zur selben Lebensmusik zu tanzen.

Was macht die Massage für Eltern und Kind so wertvoll?

Sie ist sinnliches Vergnügen pur – und das umso mehr, je offener die Sinne der Beteiligten füreinander sind. Sich von Haut zu Haut zu spüren, ist wie ein inniges Gespräch miteinander. Haut kann viel erzählen, und Hände können hören und Antworten geben. Schauen Eltern ihr Baby bei der Massage an, wird es ihren Blick voller Begeisterung erwidern. Kleine Laute werden ausgetauscht. Oft summen Mama oder Papa sanft und rhythmisch. Das Baby antwortet auf seine Art. Und auch der Geruch verbindet. Das Gehirn meldet dem Kind und seinen Eltern: Wir gehören zusammen, wir sind eine Familie. Mit offenen Sinnen füreinander ist Massage sinn-voll für Eltern und Kind.

Profitieren auch Mütter von der Babymassage?

Ja, und zwar in einer ganz besonderen Weise. Für die Mutter ist es ein Trost, ihr Baby zu berühren. Auch sie spürt manchmal in den Tagen und Wochen nach der Geburt Leere, Verlust. Das selbstverständliche gemeinsame Leben in einem Körper ist unwiderruflich zu Ende, und eine Trennung – bei aller Freude auf das Kommende – ist immer auch schmerzlich.

Das Baby zu streicheln, zu liebkosten, mit ihm gemeinsam in die leichte Trance einer Massage zu versinken, tut auch der Mutter gut, hilft gegen den Schmerz des Abschieds. Für eine kurze Zeit sind die beiden wieder wie in einen gemeinsamen Kokon gehüllt. Die überwältigenden Gefühle nach der Geburt, die sich nicht in Worte fassen lassen, finden in der Sprache von Hand zu Haut ihren Ausdruck. Für Mütter und Väter gleichermaßen gilt: Das Baby regelmäßig zu massieren, verändert das Bewusstsein, es macht die Hände offener und sensibler in Alltagshandlungen. So kann auch das Wickeln, das Waschen und Anziehen zu einem Gespräch miteinander werden. Auf diese Weise mit einem Baby im Kontakt zu sein, erweitert die eigenen Wahrnehmungs- und  Ausdrucksmöglichkeiten.

Wann sollte ein Baby nicht massiert werden?

Auch wenn Massage für viele Kinder ein Gewinn ist: Manche mögen sie gar nicht. Andere wiederum vertragen keine sehr zarten Berührungen, sondern brauchen einen intensiveren, eindeutigen Kontakt, eine klare Information an den Körper: „Hier bin ich – da bist du!“ Ihr Nervensystem ist mit zu leichten, schnellen oder ungeordneten Berührungen überfordert. Gut ist es, einem solchen Kind zunächst ruhig die Hand auf den Bauch, den Rücken oder den Kopf zu legen, dabei mit ihm zu sprechen und ihm in die Augen zu schauen, solange es den Blick erwidert. Dann können ruhige, langsame und etwas festere Bewegungen folgen. Einige Babys mögen nicht auf dem Rücken liegen, andere nicht auf dem Bauch. Da hilft etwas Fantasie, zum Beispiel kann die Mutter sich das Baby über die Schulter legen und ihm dabei über den Rücken streichen. Viele Kinder sind gern nackt, andere dagegen mögen es gar nicht. Sie fühlen sich schutzlos, frieren vielleicht schnell. Nichts spricht dagegen, über einem Hemdchen zu massieren. Kranke Kinder mit hohem Fieber sollten nicht massiert werden. Massage ist nämlich immer auch ein zusätzlicher Reiz und überfordert womöglich ein fieberndes Kind, dessen Abwehrsystem auf Hochtouren arbeitet.

Woran sollten Eltern vor dem Massieren denken?

Das Baby sollte satt und ausgeschlafen sein. Nicht ideal ist eine Massage unmittelbar nach einer Mahlzeit. Denn das könnte Erbrechen auslösen.

Nichts sollte die innige Zweisamkeit beim Massieren stören – weder Telefon noch Haustürklingel. Denn eine Massage kann für das Kleine und seine Mama ein wichtiger Ruhepunkt am Tag sein, der beiden Entspannung und neue Kraft gibt.

Ideal sind eine Raumtemperatur von etwa 25 Grad und angenehmes, nicht zu helles Licht. Ein Lammfell oder eine warme Decke als Unterlage bringt zusätzlich Wärme und vermittelt Geborgenheit.

Babymassage regt das Baby häufig dazu an, seine Blase zu entleeren. Gut ist es, immer eine  Stoffwindel oder ein Handtuch bereit zu legen.

Schön ist ein kleines Ritual zu Beginn der Massage, etwa immer das gleiche Lied oder ein lustiger Vers. Die Mutter legt dabei ihre Hand auf das Bäuchlein oder den Kopf des Kindes.

Wer mag, kann ein wenig neutrales Mandelöl bei der Massage verwenden. Allerdings verbraucht Öl Feuchtigkeit. Bei täglicher Anwendung ohne Wasser kann die Haut trocken und schuppig werden. Ist die Haut dagegen feucht, etwa nach dem Bad, bildet Öl einen wohltuenden Wärmeschutz.

Nach der Massage wird das Kleine in eine Decke gehüllt und noch eine Weile sanft in Mamas oder Papas Armen gewiegt

Wichtig: Babys fühlen sich am wohlsten, wenn sie beim Massieren ständigen Kontakt zu einer Hand haben. Also immer eine Hand am Körper des Babys lassen.

Wie sollen Eltern ihr Baby in den ersten drei Lebensmonaten massieren – bis sie einen Babymassagekurs besuchen?

Ideal ist die Schmetterlingsmassage. Sie basiert auf drei Massagegriffen, die leicht erlernbar sind:

1. Streichen

Langes, verbindendes Streichen von oben nach unten und von der Mitte zur Seite – zart und ziemlich zügig, als ob man Wassertropfen von der Haut streifen wollte. Die Finger sind dabei leicht gespreizt.

2. Lockern

Die entspannte Hand oder zwei Finger werden weich auf den Muskel gelegt und schütteln ihn leicht, als ob ein Wackelpudding in leichte Schwingungen versetzt würde.

3. Kreisen

Die Spitze des Zeigerfingers zart auf die Babyhaut setzen und kleine Kreise auf der Stelle beschreiben, als ob man einen dicken, deutlichen Tupfer malt. Der Finger wird dann einen Zentimeter daneben erneut aufgesetzt und macht wieder Kreise usw. Die Fingerspitze bleibt beim Kreisen immer eine Weile auf einem Fleck.

Alle Bewegungen gehen vom Kopf des Kindes in Richtung auf seine Füße und von der Mitte des Körpers nach außen. Und jede wird dreimal ausgeführt. Das verschafft einen verlässlichen Rhythmus und sorgt außerdem dafür, dass die Massage insgesamt nicht zu lange dauert. Wenn das Baby zeigt, dass es die Massage beenden möchte, sollten Mutter oder Vater zum Abschluss dreimal vom Kopf bis zu den Füßen streichen- leicht und zart wie Schmetterlingsflügel.

Frau Klein, wir danken Ihnen für das Gespräch!

Dieses Interview führte Jette Lindholm für unsere Redaktion

Buchtipp


Margarita Klein

Schmetterling und Katzenpfoten. Sanfte Massagen für Babys und Kinder

Die erfahrene Hebamme und Therapeutin erzählt sehr anschaulich, wie Massage zu einem wichtigen Teil des Alltags in der Familie und in der Baby- und Kindergruppe werden kann. Sehr einfühlsam beschreibt die Autorin, wie schon Neugeborene die warmen streichelnden Hände ihrer Eltern genießen und wie daraus ein inniges Gespräch von Hand zu Haut wird. Die einzelnen Kapitel zeigen, was Massagen bewirken, wie sie umgesetzt werden und wann sie gut tun.

Sowohl die Schmetterlingsmassage als auch die indische Babymassage werden ausführlich in Text und Bild erklärt: eine sehr verständliche und sofort umsetzbare Anleitung für Mütter und Väter. Ein Teil des Buches ist den Finger- und Streichelspielen sowie Kindermassagen mit lustigen Rhythmen und Reimen gewidmet: eine wahre Fundgrube für Eltern, Großeltern und Krippenerzieherinnen. In einem weiteren Kapitel geht es um das Massieren bei allerlei Beschwerden: Zahnen, Bauchweh, unstillbares Schreien, Schnupfen, Husten...

Mit vielen Fotos und einem Poster mit den wichtigsten Anleitungen

112 Seiten, 17,90 Euro, Ökotopia Verlag, Münster

 
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