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Rollenspiele

„Los, wir spielen Eisenbahn!“, schlägt Lukas vor, und eifrig beginnen die Kinder, alle verfügbaren Stühle und Hocker zusammenzutragen und hintereinander in eine lange Linie aufzustellen. Der große Stuhl ist die Lok, die Kinderstühlchen werden mit der Lehne nach unten gedreht, so sehen die Wagen „echter aus“, findet Amanda und bindet sie mit einem langen Strickband zusammen. Sogar einen Anhänger, ein altes Sitzpolster, auf dem die Stofftiere Platz finden, gibt es. Sebastian rast in die Küche und bindet noch einen Korb mit Äpfeln, den „Versorgungswagen“, hinten dran. „Alle einsteigen, der Zug fährt ab!“ Simon pfeift auf einer kleinen Trillerpfeife, und das Geruckel und Gezuckel geht los, alle Mitspieler wackeln wild auf ihren Stühlen hin und her. „Legt euch in die Kurve, sonst fliegen wir von den Schienen!“, ruft Else, während Simon eifrig die Fahrkarten kontrolliert.

Ob Eisenbahn, Einkaufen oder Vater-Mutter-Kind - Kinder wollen sich in vielen verschiedenen Rollenspielen entfalten: Warum das so ist und wie Kinder davon profitieren, können Sie hier erfahren.

Im Rollenspiel verarbeiten Kinder einerseits Situationen, die sie erlebt haben, andererseits üben sie, wie sie mit der Welt umgehen.

 

Kaufladen, Arzt und Eisenbahn: Verarbeiten von erlebten Situationen

Ob es die erste Eisenbahnfahrt zu den Großeltern ist, ein Arztbesuch, der tägliche Einkauf oder die Begegnung mit einem Straßenverkäufer, der lauthals seine Ware feil bietet – bestimmte Ereignisse faszinieren Kinder so sehr, dass sie diese zu Hause sofort nachspielen müssen. So verarbeiten sie Erlebtes und üben den Umgang mit neuen Situationen.


 

Sie spielen Kaufladen, Arzt und Patient, Schule, Eisenbahn, und besonders gerne Vater-Mutter-Kind. Ist Kindern Unrecht widerfahren oder haben sie solches beobachtet, findet auch dies Eingang in ihr Spiel.
„Musst du immer und immer stören?“, schreit Keno, der den Lehrer mimt, seine kleine Schwester an, als sie Schule spielen. „Ich warne dich ein letztes Mal, du bist jetzt ruhig oder es passiert was!“ „Trödel nicht so rum, ich muss zur Arbeit!“, fährt Ina ihr Puppenkind an und reißt es vom Boden. Manchmal wird der Umwelt durch das kindliche Rollenspiel auch ein Spiegel vorgehalten.

Dennoch sollten Eltern nicht jedes Rollenspiel analysieren und mehr dahinter vermuten als Spielfreude.

 

„Wie stelle ich mich in die Welt?“

Rollenspiele kann man nicht alleine bewerkstelligen, dazu braucht es andere Kinder oder notfalls einen Erwachsenen. Rollenspiel bedeutet Interaktion, bei der Kinder viel über das soziale Miteinander lernen und ausprobieren können, wie sie sich in die Welt stellen möchten. Es wird verhandelt, wer im Spiel welche Rolle übernimmt. Dabei gilt es zu erfahren: „Kann ich diese Rolle ausfüllen oder ist sie (noch) zu groß für mich?“ Ältere Kinder können mehr als jüngere, logisch, dass sie eine größere Rolle spielen, das leuchtet ein. So können die jüngeren darauf hinarbeiten, auch so groß zu werden. Oder feststellen: Ich will gar nicht im Mittelpunkt stehen, ich stehe lieber in Sicherheit in der zweiten Reihe. Interessant: Manchmal wählen ausgerechnet die lieben und leisen Kinder die Rolle der bösen Fee.

 

Tipp:
Heutzutage stehen Kinder oft im Fokus, da sie zum Beispiel Einzelkinder sind- Vielen Kindern werden kaum Grenzen gesetzt, andere wiederum sollen perfekt sein. Die große Freiheit des Rollenspiels kann dann darin liegen, einmal das zu sein, was sie sonst nicht sein dürfen: dreckig, laut, frech und ungehorsam. Wie befreiend!

Hüte, Tücher, Küchenschaber: Was Kinder für das Rollenspiel brauchen

Gut ist alles, was unfertig ist und möglichst unterschiedlich genutzt werden kann. Also keine fertigen Kostüme kaufen, sondern eine Verkleidungskiste bereitstellen, in der Sie alte Dinge aufbewahren: Kostümteile, Unterkleider, ein alter Frisier-Umhang, Hüte, viele bunte Tücher, alte Gardinen, ausrangierte Handtaschen etc.

 

Für die Kulissen sind geeignet:

•    zwei Spielständer, die wahlweise als Heim, Kaufladen, Arztpraxis etc. verwendet werden können
•    Kinderstühle, die sich umdrehen lassen, sowie Hocker
•    Decken und Polster
•    Kochlöffel, stumpfe Küchenschaber, Staubwedel
•    kleine Holzstücke, Äste in verschiedenen Formen, die als Polizeikellen, Handys, Waffen oder Zauberstäbe dienen können
•    Holzschwert
•    Bauhelm

 

Tipp: Insgesamt gilt: Je weniger Spielzeuge eine feste Funktion haben, desto wertvoller und förderlicher sind sie für die kindliche Entwicklung! Natürlich gibt es Spielzeughandys, die klingeln und sprechen, Puppen, die weinen und laufen, oder buntes Obst aus Holz. Diese Spielzeuge sprechen Erwachsene an, weil sie kindgerecht wirken und niedlich sind. Das täuscht! Besser ist es, wenn Kinder sich solche Utensilien selbst ausdenken. In einem kleinen Holzstück ein High-Tech-Handy zu sehen und die Klingelgeräusche selbst zu produzieren, erfordert Vorstellungsvermögen. Vorgefertigtes bremst die Fantasie von Kindern aus.

 

Hund und Katze – erste Rollenspiele für die ganz Kleinen

„Miau, miau, ich bin ein kleines Kätzchen!“ Der kleine Florian schmiegt sich an die Beine seiner Mutter. „Ach ja, da kommt ja ein süßer Kater“, antwortet sie, „darf ich dich streicheln? Möchtest du vielleicht etwas Milch?“ Florian nickt glücklich und drückt sich eng an die Mama , die seine Signale richtig gedeutet hat. Er sucht Zuwendung und ein paar zusätzliche Streicheleinheiten.

Schon früh begeben sich Kinder in Rollen und brauchen ein Gegenüber, das ihr Spiel ernst nimmt und mitmacht. Ganz kleine Kinder werden zunächst gerne Tiere, Hund oder Katze. Der kleine Paul ist fasziniert von Nachbars Hund Happy. „Ich will auch ein ‚Happyhund’ sein!“ Er bettelt so lange, bis Mama ihm ein kleines Tuch als Halsband umschlingt und ihn an eine dicke Schnur, die „Leine“, nimmt. Ganz wohl ist ihr dabei allerdings nicht. Ist das normal? Was, wenn sie jemand beobachtet? Kann das nicht zu Missverständnissen führen? Keine Angst: Kinder probieren alle möglichen Rollen aus, und wir sollten das nicht peinlich finden, sondern sie tunlichst dabei unterstützen – egal, was andere denken.

Wenn keine Kinder da sind, sollten Eltern mitspielen und fragen: „Soll ich auch ein Hund sein oder braucht der Hund ein Herrchen? Soll der Hund lieb sein oder beißen?“ Haben Sie keine Angst, sich auf ein Rollenspiel einzulassen, nehmen sie ihr Kind ernst und machen Sie mit, soweit es ihnen möglich ist!

 

Tipp: Kinder merken schnell, wenn Erwachsene ihr Spiel nicht ernst nehmen, sondern es veralbern oder ironisieren. Wenn Kinder sich vertrauensvoll an Erwachsene wenden und auf eine distanzierte Haltung stoßen, werden sie verletzt und kommen sicher kein zweites Mal. Schade, denn eine Chance zur Bindung ist damit vertan!

 

Vater-Mutter-Kind – Lieblingsspiel im Kindergarten

Auch wenn es heute viele alleinerziehende Mütter gibt – das Urbild der heilen Familie, das mindestens drei Mitglieder hat, tragen Kinder in sich. Sie sollten möglichst viel Freiraum haben, um sich in diesem Spiel zu verlieren, gerade wenn zu Hause nicht alles so ist, wie sie es sich wünschen.

 

„Du bist der Diener!“: Warum die Rangordnung im Rollenspiel sowie altersübergreifende Spielgruppen im Kindergarten so wichtig sind!

Ungefähr im Alter von drei Jahren, wenn Kinder gut sprechen können, gewinnen Rollenspiele an Gewicht. Im Kindergarten übernehmen dabei die großen Kinder eine wichtige Aufgabe: Sie sind die Anführer und geben meist das Spiel an, die Jüngeren müssen sich in das Geschehen einfügen. „Wir spielen Vater-Mutter-Kind, und du bist das Kind und ich die Mama!“, tönt Ella und bugsiert den kleinen Johann in den Kinderwagen.
„Ihr seid jetzt die Diener und müsst am Boden knien, bis der König und die Prinzessin vorbeikommen“, weist Lisa, 6 Jahre, die Jüngeren im Kindergarten an.

Die kleineren Kinder sind oft noch sehr zufrieden mit einer Rolle als Komparse. So können sie erst einmal entspannt beobachten, wie sich das Spiel entwickelt, und nach und nach herausfinden, was von ihnen erwartet wird. Im Laufe der Kindergartenjahre werden sie unzufriedener. Sie finden sich nicht mehr damit ab, beim Krankenhausspiel ewig „der Patient zu sein, der sich nicht rühren darf“, oder beim „Schule spielen“ den „Schüler, der ruhig sitzen bleibt und sich ausschimpfen lässt“ zu mimen. Zu gegebener Zeit merken Kinder, dass die Rolle nicht mehr zu ihnen passt, und sie begehren auf, weil sie etwas anders sein wollen als „immer bloß der Diener“.
Kinder sind sehr entschieden, was die Rollen angeht, die jeder einzunehmen hat. Diese Hierarchie ist ganz natürlich, und man sollte am besten nicht eingreifen. Kinder verhandeln oft hart über die Rollenverteilung und können dabei sehr viel lernen, wenn sie das selbst regeln.

So wachsen sie aus eigener Kraft in neue Rollen hinein und übernehmen das Spiel, wenn die größeren Kinder aus dem Kindergarten ausscheiden oder ihr Interesse daran verlieren. Das ist ein wichtiger Prozess, den man als Erwachsener nicht stören und abkürzen sollte, auch wenn es einem nicht gefällt, wie das eigene Kind „herumkommandiert“ wird. Das ist Erwachsenensicht und entspricht nicht dem Empfinden von Kindern.

 

Da profitieren alle davon: Altersübergreifend spielen

Daher ist es wichtig, dass Kinder verschiedenen Alters zusammenkommen. Die älteren Kinder übernehmen die Führung, die jüngeren fügen sich mehr oder minder ein. Altersübergreifende Rollenspiele sind ein Prozess, in dem Kinder Sozialkompetenz entwickeln und lernen, wie sie sich zur Welt stellen. Das ist eines der Argumente für altersübergreifende Kindergärten und dafür, dass die Kinder das „Königsjahr“ von 6 bis 7 Jahren noch im Kindergarten verbringen dürfen. Die jüngeren Kinder lernen viel vom Vorbild der „Großen“, die älteren Kinder dürfen ein Jahr lang genießen, dass sie die „Großen“ sind und vieles besser wissen und können als die Kleinen. Das stärkt das Selbstbewusstsein. Kinder, die das erleben durften, tragen einen großen Schatz für das weitere Leben in sich.



Ein Wunsch für alle Kinder

Kinder stehen heute schon sehr früh unter Leistungs- und Zeitdruck. Schön wäre es, wenn sie möglichst viel Freizeit zusammen verbringen und frei spielen können. Weit mehr als durch die Förderung in Sprach- und Sportkursen gelingt die Kindesentwicklung durch aktives, fantasievolles Rollenspiel.

 
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