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Olaf L. Reimann: Lieber Lesen statt Fernsehen!

Wie Eltern es schaffen, dass ihre Kinder statt den Fernseher ihre Fantasie einschalten. Ein Interview mit dem Chefredakteur der Kinderzeitschrift „Leserabe“

"Die Lesefähigkeit ist die Schlüsselqualifikation schlechthin, sich die Welt zu erschließen. Nur wer lernt, entwickelt sich weiter. Konzentrationsfähigkeit und die Gabe, sich auch mit selbst zu beschäftigen und nicht auf passiven Konsum angewiesen zu sein, sind weitere positive Nebeneffekte. "

 

Haben Sie Erkenntnisse über das Leseverhalten in Familien? Wie viele Kinder lesen heute überhaupt noch? Und wie viele Eltern?

Olaf L. Reimann: Nach der 1. World Vision Kinderstudie „Kinder in Deutschland“, 2007 durchgeführt durch TNS Infratest Sozialforschung, lesen 35 % der Jungen im Alter von 8 bis 11 Jahren selten oder nie in ihrer Freizeit Bücher oder Zeitschriften, bei den Mädchen sind es 28 %. Das korreliert mit den Ergebnissen der Pisa-Studie, wonach ein Fünftel der Schulabgänger Mühe haben, einfachste Texte zu lesen. Und 72 % der Eltern lesen selten oder gar nicht ihren Kindern vor. Haben die Eltern keinen Spaß am Lesen oder Vorlesen, lesen die Kinder auch weniger. Deswegen sind die Vorlesegeschichten, wir nennen sie die „Li-La-Leserabengeschichten“, in der Lernzeitschrift „Leserabe“ so konzipiert, dass sie auch den Eltern Freude bereiten. Die „Li-La-Leserabengeschichte“ hat zum Beispiel eine wunderbare Länge für das rituelle Vorlesen vor dem Zubettgehen.

 

Warum ist Lesen über die praktische Lesefähigkeit hinaus für Kinder wichtig?

Die Lesefähigkeit ist die Schlüsselqualifikation schlechthin, sich die Welt zu erschließen. Nur wer lernt, entwickelt sich weiter. In unserer komplexen Kommunikationsgesellschaft geht lernen nur über lesen. Im „total verrückten Rabenlexikon“ unserer Leselernzeitschrift „Leserabe“ geht es immer um einen Begriff, zum Beispiel „Eisbrecher“. Während der Leserabe, das Zebra und Käfer Kasimir viele lustige Antworten ausprobieren, lernen die Kinder mal eben so nebenbei eine ganze Menge. Dabei ist das Lesen ja nicht nur die

Schlüsselqualifikation für Schule und Beruf – mit der Literatur öffnet sich dem Menschen ja erst die Welt. Darüber hinaus wird durch das Lesen Eigenständigkeit gefördert. Kompetenz, selber auszuwählen, was man will und was nicht. Konzentrationsfähigkeit und die Gabe, sich auch mit selbst zu beschäftigen und nicht auf passiven Konsum angewiesen zu sein, sind weitere positive Nebeneffekte.

Was bringt Kindern das Leseerlebnis, das sie im Fernsehen nicht auch finden könnten?

Lesen ist ein individueller Schöpfungsakt. Mit dem Lesen entstehen in den Köpfen der Kinder ihre eigenen Bilder, ganze Welten. Jede für sich ist so einzigartig wie das einzelne Kind. Jedes Kind wird sich das anders vorstellen, wie das ist, wenn der Leserabe versucht, vom 10-Meter-Brett zu springen. Ist ihm schwindlig, wenn er runterguckt? Oder wird Raben nie schwindlig? Und können Raben eigentlich schwimmen? Damit entstehen Erlebnisräume, die nicht von außen determiniert werden. Sie bieten den Kindern Freiheitvon vorgegebenen Mustern. So werden sie in ihrem Entwicklungsprozess gefördert und unterstützt.

 

Was können Eltern tun, damit Kinder den Zugang zum Lesen finden?

Das Einfachste wäre natürlich, die Eltern würden hier eine Vorbildfunktion einnehmen und selber lesen. Nun sind gerade bei Eltern Mußestunden mit Büchern sehr knapp bemessen und die fallen erfahrungsgemäß meist auch nur dann an, wenn die Kinder gerade nicht anwesend sind. Aber durch Vorlesen kann das Interesse am Lesen geweckt werden. Der Ehrgeiz im Nachahmen ist ja bei den Kleinsten stark ausgeprägt. Ein Beispiel: Wenn ich die Vorlesegeschichten aus dem „Leseraben“ meiner Nichte Rosa, die ist etwas über zwei Jahre alt, einige Male vorgelesen habe, spricht sie die immer mit.

 

Ist Vorlesen hilfreich oder eher hinderlich?

Wie gesagt, da ist zum einen der Ehrgeiz der Kinder, das zu können, was die Älteren beherrschen. Dann aber ist das Vorlesen auch immer eine Interaktion zwischen Vorlesendem und Zuhörendem – die Kinder erleben die Faszination, wie aus etwas, was sie noch nicht sinnlich erfassen können, eine lebendige Geschichte wird. „Vorlesen“ ist ja viel mehr, als nur den Text vorzutragen. Beim Vorlesen werden ja der Leserabe und seine Freunde – das Zebra und Kasimir, der Käfer – lebendig. Im gemeinsame Erleben von Erwachsenen und Kind mit einer Leselernzeitschrift, wie dem „Leseraben“ wird die Begeisterung für das Lesen an sich geweckt.

Welche Rolle spielen Comics beim Lesenlernen? Sind sie hilfreich oder schränken sie die Sprachfähigkeit ein und machen "sprachfaul"?

Galten Comics in ihren Pionierjahren in Deutschland noch als „Schmuddelkram“ und „minderwertige Literatur“ hat sich die Wahrnehmung und deren Beurteilung heute geradezu diametral umgedreht: Immer mehr Eltern sehen hochwertige Comics, wie die im „Leseraben“, geradezu als Lese-Einstiegshilfe für ihre Kinder. Comics arbeiten ja mit kurzer prägnanter, aber nicht primitiver Sprache. Diese getragen von sympathischen Charakteren, wie dem Leseraben und seinen Freunden, das Zebra und Käfer Kasimir, erleichtern den Zugang zur anfangs doch noch mühsam zu erwerbenden Fähigkeit des Lesens.

 

Kann jedes Kind Zugang zur Welt des Lesens finden?

Selbstverständlich. Das Allerwichtigste beim Lesenlernen ist, dass anfangs kein Frust entsteht. Wer zum Lernen oder zum Lesen gezwungen wird, der hat keinen Spaß daran. Da sollte man behutsam vorgehen und fordern durch fördern. Bei uns in der Familie war es selbstverständlich, dass wir Kinder zu Weihnachten und zum Geburtstag Bücher geschenkt bekamen. Das gehörte einfach dazu. Nun, das ist vielleicht nicht der Normalfall. Aber man kann es ja auch anders angehen: Die Schwelle, in einer Zeitschrift, wie dem „Leseraben“ zu blättern, mit vielen bunten Illustrationen und Bildern, ist natürlich geringer, als ein Buch aufzuschlagen. Dies ist für eine Leseförderzeitschrift, wie dem „Leseraben“ sehr wichtig, schließlich sollen möglichst viele Kinder Spaß dabei haben, die Welt der Buchstaben verstehen zu lernen. Denn Lesen ist eine wichtige Schlüsselqualifikation für Schule und Beruf.

 

Gibt es im Leseverhalten von Jungs und Mädchen Unterschiede?

Mädchen lesen mehr und sind auch ihren Themen emotional intensiver verhaftet als Jungs. Heranwachsende Jungs messen sich permanent mit der Außenwelt. Wer ist der Schnellste, der Stärkste, wer ist der beste Videospieler? Damit versuchen sie ihren Platz in der Gesellschaft und ihre Identität zu finden. Dementsprechend interessieren sie sich besonders für Abenteuer-und Heldengeschichten, aber auch für Sachthemen. Technik steht hierbei natürlich im Vordergrund. Mädchen dagegen interessieren sich mehr für die Innenwelt, wo Gefühle und Beziehungen eine große Rolle spielen. Geschichten, die von Freundschaften zwischen Menschen, aber auch zu Tieren handeln. Sie sind eben die kommunikativeren, was sich dann auch in ihrer Lesestoffauswahl ausdrückt.

 

Seit wann gibt es die Kinderzeitschrift "Leserabe", an wen richtet sie sich, was ist ihr Konzept und wo finden Eltern diese Zeitschrift?

Die Zeitschrift „Leserabe – So macht Lesen lernen Spaß!“ wird herausgegeben vom Verlag Blue Ocean Entertainment AG in Kooperation mit der Stiftung Lesen und dem Ravensburger Buchverlag. Sie erscheint alle zwei Monate seit Juli/August 2007. Bis dahin gab es keine Kinderzeitschrift, die sich speziell mit der Leseförderung in den Grundschuljahren befasst. Der „Leserabe“ schließt diese Lücke. In jeder Ausgabe sind die Leseanfänger auf verschiedene Weise gefordert. Zum Beispiel greifen die jungen Leser in der Kochschule zu Schneebesen und Zuckerguss, um Buchstaben-Lebkuchen zu backen.

Beim Leseraben-ABC passieren mit Buchstaben verrückte Dinge. Außerdem gilt es, ein kindgerechtes Sudoku-Rätsel zu knacken. Der nächste „Leserabe“, die Ausgabe Nr. 02/08, ist ab dem 4. März am Kiosk und in Bahnhofsbuchhandlungen zu haben.

 

Herr Reimann, wir danken Ihnen für dieses Interview!

 
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