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Die Sprache des Herzens heißt Spielen

"Spielen ist pure Freude, Geborgenheit, Zuwendung und Lernhilfe. Es ist die Lebensform des Kindes und gleichzeitig die Sprache seines Herzens“, sagt die Pädagogin und Buchautorin.

Susanne Stöcklin-Meier (Jahrgang 1940) ist Spielpädagogin und Erzieherin und lebt in Diegten bei Basel. Sie schreibt seit vielen Jahren und mit großem Erfolg Bücher für Kinder und Eltern, ist eine viel gefragte Referentin bei Fortbildungen für Erzieherinnen sowie Dozentin bei Pädagogischen Kongressen und Veranstaltungen für Eltern.


Es gibt Spielzeugklassiker, die schon viele Generationen von Kindern begeistert haben. Dazu gehören Bauklötze. Was fasziniert Mädchen und Jungen so daran?

Mit Baumaterial können Kinder nicht nur die Welt der Großen nachbauen. Sie fühlen sich als „Könner“, wenn nach einigen Versuchen der Turm aus drei Bauklötzen nicht mehr umkippt. Oder wenn das Auto in die Bauklotzgarage fährt, ohne dass diese einstürzt. Kinder üben beim Bauen Feinmotorik, Geschicklichkeit, räumliches Denken. Und sie erkennen von Bauwerk zu Bauwerk immer mehr die Gesetze der Statik und des Gleichgewichts. Die Bedeutung des Bauens liegt im spielerischen Begreifen der dreidimensionalen Welt.

Sobald ein Kind zwei Klötze bewusst aufeinander stellt, beginnt es zu bauen. Der einfache Turm ist eines der ersten Bauwerke des Zweijährigen. Bis zum Erfinden und Ausführen komplizierter Konstruktionen wie Straßen, Brücken oder Gebäude ist es ein langer Weg. Kinder können aber nur bauen, wenn sie zum richtigen Zeitpunkt das passende Baumaterial zur Verfügung haben. Kleine brauchen zu Beginn große Bauklötze aus Naturholz. Sie können diese besser greifen. Ideal ist ein Grundmaß von 5 X 5 cm. Gute Bauklötze sind aus hartem Holz, splitterfrei und haben keine scharfen Kanten oder spitzen Ecken. Anfangs genügen vier bis sechs Würfel.

Welche Baumaterialien sollten anschließend angeschafft werden?

Langhölzer in verschiedenen Längen, Walzen, Keile, Würfel, Brücken und Dreiecke zum Beispiel – auch ein  Würfelturm als Hohlkubensatz. Die einzelnen Würfel können als Häuser, Ställe oder Garagen benutzt werden. Mit Brettern und Bauklötzen kombiniert, entstehen damit rasch größere stabile Bauwerke. Holzbrettchen und starke Kartonstücke können als Zwischenböden oder Flachdächer verwendet werden.

Mit selber gesammelten Kastanien und Kieselsteinen lassen sich Abgrenzungen und Zäune legen. Mit wachsender Erfahrung und Baulust wird die Menge des Materials immer wichtiger. Es ist für Kinder nämlich sehr frustrierend, wenn sie ein begonnenes Bauwerk wegen mangelnden Baumaterials nicht vollenden können. Sie sollten unbedingt einen festen Bauplatz haben, wo sie ihre angefangenen oder fertigen Bauwerke längere Zeit stehen lassen können.

Ritterburg, Bauernhof, Puppenhaus und Zoo: Kinder spielen gern „Kleine Welt“. Was erfahren sie dabei?

Beim Kleine-Welt-Spiel erleben Kinder sich selbst als Regisseure ihrer eigenen Welt. Es ermöglicht ihnen die Erfahrung von Selbstwirksamkeit und die spielerische Auseinandersetzung mit Gefühlen. Kinder erleben ihre Umwelt aus einer anderen Perspektive als Erwachsene. Weil sie kleiner sind als die meisten Dinge in ihrer Umgebung, erscheint ihnen vieles übermächtig und bedrohlich. Das Kleine-Welt-Spielzeug können sie von oben betrachten. Sie planen und bestimmen selbständig die Spielabläufe. Mit Aufstellspielzeug leben Kinder ihren Wunsch aus, groß zu sein. Ab dem vierten Lebensjahr ahmen sie im Kleine-Welt-Spiel Erlebtes nach. Es ist der Einstieg zum fantasievollen Rollenspiel. Zwischen dem vierten und achten Lebensjahr bietet dieses Spielzeug eine ideale Möglichkeit, Gedanken, Gefühle und Vorstellungen auszudrücken, zu verarbeiten und den anderen mitzuteilen. Für Eltern ist es interessant, einmal das Spiel ihres Kindes zu beobachten. Denn sie erfahren dabei, wie es seine Umwelt erlebt, was es interessiert und wie es seine Eindrücke verarbeitet.

Worauf sollten Eltern beim Kauf von Kleine-Welt-Spielzeug achten?

Besonders für diese Art von Spielzeug lohnt sich der Gang in ein gutes Fachgeschäft. Hier kann man alles in Ruhe ansehen und sich beraten lassen. Bei der Auswahl sollten immer das Alter und das momentane Spielinteresse der Kinder ausschlaggebend sein sowie Qualität, Design und Spielanreiz. Holz ist das klassische und beste Material. Es ist griffiger als Kunststoff, weil es die natürliche Feuchtigkeit der Haut aufsaugt.

Unbehandelte Weichhölzer sind schmutzempfindlich, lassen sich jedoch mit Seifenwasser gut reinigen. Solide Puppenhäuser aus Holz, Ställe und Garagen sind teuer. Doch die Anschaffung einer robusten Ausführung lohnt sich, denn das Spielzeug begleitet Kinder über Jahre. Kleine-Welt-Spielsachen sind ideale Geschenke. Sie können immer wieder durch passende Kleinigkeiten und weitere Tiere, Püppchen oder Fahrzeuge ergänzt werden.

 

Neben Baumaterial und Kleine-Welt-Spielzeug brauchen Kinder aber auch etwas zum Liebhaben – eine Puppe oder ein Kuscheltier. Warum sind die so wichtig?

Im Spiel mit Puppen und Kuscheltieren lernen die Kleinen, ihre Gefühle zu äußern. Sie können diese Spielgefährten mit zärtlicher Zuneigung überschütten, sie in den Schlaf wiegen, herzen, aber auch ausschimpfen. Puppen und Stofftiere sind für Mädchen und Jungen Freunde und Vertraute – lange bevor sie freundschaftliche Beziehungen zu anderen Kindern aufnehmen. Sie teilen über Jahre Freude und Kummer der Kinder und spenden ihnen Trost und Sicherheit beim Einschlafen. Deshalb sind Spielsachen zum Liebhaben nicht nur für Mädchen wichtig. Jungen haben sie genauso nötig! Im Puppenspiel ahmt das Kleinkind nach, was es selber erlebt. Kinder sind nämlich gute Beobachter. Oft sind Eltern überrascht, wie genau ihr eigenes Verhalten im Spiel der Kinder wieder auftaucht. Kinder tun „als ob“, sie schlüpfen im Spiel in eine andere Rolle. Beim Nachahmen kopieren sie Verhalten und Handlungen der Menschen ihrer Umwelt. Sie übertragen menschliche Aktivitäten auf Spieldinge. Puppen und Teddybären werden gefüttert, gekleidet, schlafen gelegt, gewaschen, frisiert, ausgefahren usw. Sie werden von ihren kleinen Besitzern gehegt und gepflegt. So erleben Kinder soziales Verhalten und verarbeiten eigene Erlebnisse, Ängste und Wünsche, bauen Zuneigungen auf und üben sich im Rollenspiel. Keine Sorge: Kinder verweichlichen nicht, wenn sie noch übers Grundschulalter hinaus ihr geliebtes Kuscheltier mit ins Bett nehmen. Sie werden trotzdem – oder gerade deswegen – reife Männer und Frauen mit Gemütstiefe und Bindungsfähigkeit.

Übers Liebhaben hinaus bringen Puppen und Stofftiere Kinder aber auch auf Spielideen. Was spielen Mädchen und Jungen besonders gern mit Teddybär & Co.?

Sie spielen alles nach, was sie im Alltag erleben. Ein paar Kartons als Sessel, Spiegel, Haarbürsten, Kämme, Spangen und Schleifen – und fertig ist ein Frisiersalon für Puppen und Zottelhunde. Eltern können mit ihren Kindern zusammen aus Kartons ein Krankenhaus für Tiere bauen. Ein Arztkoffer und Verbandszeug gehören natürlich dazu. Beliebt ist auch das Restaurantspiel. Mädchen und Jungen können für Teddybär und Puppe eine Geburtstagsfeier oder Hochzeit ausrichten und den Puppentisch schön decken. Oder sie schicken ihre Kuscheltiere und Puppen in einer Eisenbahn aus Kartons auf Reise.

Und wie steht es um das gute alte Kasperletheater? Hat das in unserem medialen Zeitalter nicht längst ausgedient?

Keineswegs. Das Puppentheaterspiel ist für Kinder heute immer noch genauso wichtig wie für Mädchen und Jungen früher. Der berühmte Puppenspieler Friedrich Arndt sagte einmal: „Die Welt der Kinder entspricht der Welt des Kaspers. So wie das Kind mit den Dingen umgeht, so geht auch der Kasper mit ihnen um. Für ihn hat jeder Gegenstand auch eine wirkende Kraft. Im Kasperletheater kann ein Topf, eine Blume, ein Hammer, eine Glocke oder ein anderer Gegenstand handelnde Person werden. Das ist fürs Kind kein Wunder, sondern ist den Gesetzen der Welt gemäß, in der es auch in seinem Kinderspiel lebt.

Die sich bewegenden Puppen sind für das Kind keine Puppen mehr, sondern wirkliche Lebewesen. Es will übrigens gar nicht während des Spiels daran erinnert werden, dass es sich um Puppen handelt. Es will, dass es Lebewesen sind.“

 

Wann fangen Kinder an, selber die Figuren zu führen und Regie zu übernehmen?

Mit etwa vier Jahren entdecken Kinder, dass die Figuren aus einem Kopf mit daran befestigtem Kleid bestehen und durch die Bewegung der Hand und des im Kopf steckenden Fingers zum Leben erweckt werden. Das Konterspiel bietet ihnen die Möglichkeit, sich in bestimmte Rollen zu versetzen. Sie erzählen als Kasper, Seppel, Hexe, Krokodil, Räuber, Polizist, Großmutter oder Prinzessin Märchen, Geschichten, aber auch eigene Wünsche und Ängste. Erst ältere Kinder können die Organisation und Verantwortung mit zusammenhängender Geschichte übernehmen. Denn auch Einüben und anderen Vorspielen will gelernt sein.

Im weitesten Sinn ist Puppenspiel eine für die Entwicklung des Kindes sinnvolle Form spielerischer Daseinsbewältigung. Es dienst der Erschließung kindlicher Fähigkeiten im Denken, Sprechen, Handeln, im schöpferischen Bewältigen von Konflikten und im Aufbau einer eigenen Wertewelt.

Schöpferisch tätig werden Kinder aber auch im Umgang mit Farben und Pinsel, Stifte und Papier. Warum malen die meisten Kinder so gern?

Kinder empfinden beim Malen Freude am schöpferischen Tun. Kinderzeichnungen drücken so viel kindliche Spontaneität, Schöpferkraft, Freude und Begeisterung aus! Sichtbare Spuren auf einem Blatt Papier zu hinterlassen, ist die Vorstufe zur Kulturtechnik Schreiben. Die Entwicklung der Bildsprache weist bestimmte Gesetzmäßigkeiten auf, die mehr oder weniger jedes Kind in seiner Art und in seinem Tempo durchläuft. Vom ersten Gekritzel bis zu einer Zeichnung, die ein Erlebnis erzählt, ist es ein weiter Weg. Kinder lernen, sich ein eigenes Bild von der Welt zu machen, bleibende Spuren zu hinterlassen.

Und wie sieht es beim Basteln aus? Gehört es auch heute noch – wie bei Mädchen und Jungen früherer Generationen – zu den Hits in der Liste der Lieblingsbeschäftigungen?

Und ob! Fädeln, Flechten und Weben zum Beispiel sind alte, einfache Kulturtechniken, die Kinder mit unserer Hilfe lernen können. Sie sind stolz, wenn ihnen eine solche Bastelarbeit gelingt. Etwa mit drei Jahren beginnen die Kleinen, Ketten aufzufädeln. Etwas später flechten sie gern Zöpfe aus bunten Bändern und weben Teppiche für die Puppenstube.

 Die meisten Mädchen und Jungen basteln sehr gern. Gut ist es, wenn Eltern sich Zeit nehmen, mit ihrem Kind Papier falten, reißen, schneiden und kleben oder aus Knetmasse plastische Gebilde formen. Das Vormachen der Eltern ist hier entscheidend. Wenn Mütter und Väter gern stricken, mit Holz arbeiten oder hübsche Fensterbilder aus Ton- und Transparentpapier basteln, werden die Kinder ebenfalls mit Freude dabei sein. Denn sie ahmen Mama und Papa in allem nach.  

Sie haben ein ganzes Buch über „Falten und Spielen“ geschrieben. Warum ist ihnen das so wichtig?

Ganz einfach: Papier ist ein wunderbares Spielmaterial. Durch Falten verwandelt es sich in dreidimensionale Gegenstände. Schreibblätter oder Zeitungen sind für Kinder jederzeit greifbar und lassen sich in lustige Spielsachen verzaubern. Papier falten vertreibt Wartezeiten und macht kreativ. Es fördert besonders die Feinmotorik. Und das ist Voraussetzung für komplexe Sprach- und Denkvorgänge.

Zum Falten gehören Mama oder Papa natürlich dazu. Denn sie müssen ihrem Kind die Faltformen zeigen, bevor es sie selbständig nachahmen kann. Das klingt selbstverständlich, beinhaltet jedoch einen psychologisch wichtigen Ablauf. Zeigen, erklären, das bedeutet so viel wie Zuwendung: „Ich nehme mir Zeit für dich. Ich vermittle dir etwas und teile mich dir mit.“ Das Kind als Empfänger dieser unausgesprochenen Botschaft fühlt sich angenommen in diesem Kreislauf von Liebe und Zuwendung. Sein Selbstwertgefühl wird dadurch gestützt. Papierfalten ist darüber hinaus weit mehr als nur Basteln. Es bietet Anregungen für unzählige Stunden mit fantasievollem Spiel. Für die Faltkünstler ist dabei nicht das Ergebnis sondern der Spielanreiz das Wichtigste. Hüte verzaubern sie in Wikinger oder Krankenschwestern, Badewanne werden zum Weltmeer, wenn ganze Flotten von Papierschiffchen darauf schwimmen. 

Frau Stöcklin-Meier, wir danken Ihnen für das Gespräch! 

Dieses Interview führte Jette Lindholm für unsere Redaktion.

Mehr Informationen über Susanne Stöcklin-Meier finden Sie auf ihrer Homepage: www.stoecklin-meier.ch

 

Buchtipps

Susanne Stöcklin-Meier 

Spielen, Bewegen, Selbermachen ... und zusammen lachen

Für das Jubiläumsbuch zu ihrem 70. Geburtstag hat Susanne Stöcklin-Meier die besten und bewährtesten Spielideen aus ihrem Gesamtwerk ausgewählt und überarbeitet. Für Eltern ergänzt sie die Anleitungen mit Gedanken zu Bedeutung und Nachhaltigkeit einzelner Spielformen. Und für Kinder ist durch Patrick Lenz’ bunte Illustrationen auch ein Schaubuch entstanden, in dem sie unzählige Anregungen entdecken.

Atlantis Verlag, Zürich, 220 Seiten

Susanne Stöcklin-Meier 

Spiel – Sprache des Herzens. Wie wir Kindern eine reiche Kindheit schenken

Susanne Stöcklin-Meier gibt hier ihr ganzes Wissen und ihre immense Erfahrung zum Thema Kinderspiel in seiner zauberhaften Vielfalt weiter. Ein Buch zum Entdecken, Schmökern und Verschenken, zum Ausprobieren und Mitspielen. In einer Zeit, in der Kinder immer öfter vor Bildschirmen „geparkt“ werden, gehört es in die Hand aller Eltern und Erzieherinnen – damit Kinder auch weiterhin spielend die Welt erobern können.

Kösel Verlag, München, 256 Seiten

 
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