Margarete Ostheimer GmbH
Boschstrasse 17
73119 Zell u. A.
Deutschland
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„Das ist der Daumen, der schüttelt die Pflaumen, der hebt sie auf, der trägt sie nach Haus’ und der kleine isst sie alle, alle auf!“ Jonas sitzt auf Omas Schoß und betrachtet gebannt seine Fingerchen. Nacheinander zupft Oma seinen Daumen, dann Zeigefinger, Mittelfinger und Ringfinger, bis sie schließlich seinen kleinen Finger leicht hin und her bewegt, während sie das Sprüchlein aufsagt. Jonas strahlt.
Warum Kinder Sprachspiele so sehr lieben und warum sie ihnen so gut tun, erfahren Sie hier.
Sprache verbindet
Durch Sprache verständigen wir uns und treten in Beziehung zueinander. Darum sind Sprachspiele mit Kindern vor allem Beziehungsspiele, die uns in guten Kontakt miteinander bringen. Kinder freuen sich über die ungeteilte Aufmerksamkeit von Eltern, Großeltern oder Erzieherinnen, wenn sie ihnen Wiegenlieder, Reime, Fingerspiele, Märchen und Geschichten vorsingen, -spielen oder -lesen. Wer kennt keinen Reim aus der Kindheit, der viele Jahre später die Großeltern oder bedeutsame Momente in Erinnerung rufen?
Durch Zuwendung und Sprache erleben Kinder nicht nur Nähe, Vertrauen und Geborgenheit, sondern auch ein urmenschliches Zusammengehörigkeitsgefühl und eine stimmige Welt.
Sprache und Werte
Alle Sprachen der Welt haben sich über viele Jahrhunderte entwickelt und sind ein Kulturgut, das die Geschichte und die Werte des Landes in sich birgt. Wenn wir Sprache wertschätzen und an Kinder weitergeben, lernen sie auch etwas über die Grundwerte ihrer Gesellschaft.
Sprache erbaut
Verse, Rätsel, Reime, Märchen und Gedichte sind wichtig für die Gesamtentwicklung von Kindern, wissen Pädagogen und Ärzte. Wird Sprache nicht gepflegt, so ist die Entwicklung der Kinder auch in anderen Bereichen verzögert. Ansprache wirkt sich also auch positiv auf die körperliche Entwicklung aus.
So lernen wir sprechen
Wissenschaftler ergründen erst langsam, was beim Spracherwerb genau geschieht. Sicher ist die Erkenntnis, dass der ganze Körper in Bewegung ist, wenn Menschen miteinander sprechen. Zur Lautnachahmung brauchen Kinder ein echtes Gegenüber, denn wir hören Sprache nicht nur mit den Ohren, sondern werden selbst zum Resonanzkörper, wenn ein Mensch zu uns spricht. Dies erklärt, warum Märchen-CDs oder –filme nicht zu einem umfassenden Spracherwerb führen können. Für eine gesunde seelische und körperliche Kindesentwicklung braucht es die achtsame Gegenwart und Stimme der Eltern oder einer nahen Bezugsperson.
Wiegenlieder
„Schlaf,’ Kindlein, schlaf’! Der Vater hüt’ die Schaf, die Mutter schüttelt’s Bäumelein, da fällt herab ein Träumelein, schlaf’, Kindlein, schlaf.“ Johanns Mama sitzt neben der Wiege und singt ihr Baby in den Schlaf. Viele Wiegenlieder, wie dieses aus dem Jahre 1611, beschreiben mit poetischen Worten eine heile Welt, in der sich Kinder aufgehoben fühlen können. Unsere Vorfahren wussten, dass Reime, Verse und Lieder für Kinder wichtig sind, und haben dieses Kulturgut über Generationen weitergegeben. Die Stimme der Mutter, die Melodie sowie die Worte wirken beruhigend, sodass der kleine Johann sanft einschläft. Seine Mutter hat beobachtet, dass es ihm gut tut, wenn sie ihm täglich zur gleichen Stunde das gleiche Liedchen vorsummt. Wissenschaftler bestätigen, dass sich Rhythmus und Wiederholung positiv auf Kinder auswirken.
Wiegenlieder sind oft die ersten musikalischen Eindrücke eines Kindes und tragen dadurch besonders zu seiner geistigen und seelischen Entwicklung bei.
Abendspruch
„Wenn die Kinder schlafen ein,
wachen auf die Sterne,
und es steigen Engelein
nieder aus der Ferne,
halten treu die ganze Nacht
bei den frommen Kindern Wacht.“
Josephine faltet ihre Händchen über der Bettdecke und guckt ihre Mutter glücklich an. Selbst nicht besonders gläubig, spricht Josephines Mutter dennoch jeden Abend dieses Gebet mit ihrer Tochter, seit sie gemerkt hat, dass Josephine nach dem gemeinsamen Aufsagen sehr zufrieden wirkt. Kinder spüren, dass es mehr zwischen Himmel und Erde gibt, als das, was wir tatsächlich sehen. Für sie sind Engel und Überirdisches nichts Fremdes. Sie fühlen sich geborgen, wenn man ihnen diese Welt eröffnet bzw. sie daran glauben lässt.
Schoß- oder Kniereiter
„Hoppe, Hoppe, Reiter,
wenn er fällt, dann schreit er.
fällt er in den Graben,
fressen ihn die Raben.
fällt er in den Sumpf,
macht er einen Plumps!“
Ninos Papa hat seinen Sohn auf dem Schoß, sodass sie sich ansehen können, und schaukelt ihn zu den Zeilen des Gedichts auf und ab. Beim letzten Vers hält er seinen Kleinen fest an den Händen und lässt ihn vorsichtig nach hinten kippen. Nino quietscht vor Vergnügen, er kann gar nicht genug davon bekommen. Durch die Berührungen bei Knierreitern und anderen Versen, die Nasen-, Ohren- oder Bauchberührungen beinhalten, beginnen Kinder ein gutes Gefühl für sich selbst zu entwickeln.
Eine andere Variante ist:
„Ri-ra-rutsch,
wir fahren mit der Kutsch,
mit der Kutsche fahren wir,
auf dem Esel reiten wir,
ri-ra-rutsch,
wir fahren mit der Kutsch!“
Verse und Reime
Opa und Sonja sind unterwegs zum Bäcker, als plötzlich der Regen einsetzt. Sonja staunt, als der Opa plötzlich dichtet:
„Regen, Regen, Tröpfchen,
fall nur auf mein Köpfchen,
fall nur nicht daneben,
dass ich lang soll leben.“
Diesen Augenblick wird Sonja für immer mit ihrem Opa verbinden, ein prägender Moment, in dem die Welt für sie ganz und gar stimmig war. Eine gute Erinnerung, die Sonja stärken wird.
Tipp: Kinder können den Reichtum der Sprache nur erlernen, wenn sie einen Erwachsenen um sich haben, der sich grammatikalisch richtig ausdrückt und einen guten Wortschatz pflegt. Kinder brauchen keine Babysprache, sie profitieren viel mehr davon, wenn wir sie ernst nehmen und angemessen und lebendig mit ihnen kommunizieren.
Sprache berührt: Was wann gesagt wird, ist wichtig
Viele althergebrachte Verse, Reime und Lieder sind voller Weisheiten über das Leben, das Wetter oder Danksagungen und Warnungen. Ihr Bilderreichtum enthält überliefertes Wissen, das die seelischen Bedürfnisse von Kindern altersgemäß anspricht. Haben ältere Kinder Spaß an Wortspielen, Zungenbrechern und Kalauern, so sind für jüngere Kinder poetische Sinnsprüche besser geeignet, da sie stärkend auf sie wirken. Ein paar Beispiele möchten wir Ihnen hier vorstellen:
Drei Rosen im Garten
Drei Rosen im Garten,
drei Tannen im Wald,
im Sommer ist´s lieblich,
im Winter ist´s kalt.
Storch, Storch, Langbein
Storch, Storch, Langbein,
wann fliegst du in das Land hinein,
bringst dem Kind ein Brüderlein?
Wenn der Roggen reifet,
wenn das Fröschlein pfeifet,
wenn die goldnen Ringen
In der Kiste klingen,
wenn die roten Appeln
in dem Korbe rappeln.
Tipp: Wenn man mit Kindern Verse spricht, sollte man diese möglichst auswendig können und den Sinn verinnerlicht haben. Dann hat man entsprechende Wärme in der Stimme und kann sich liebevoll zuwenden; Übertreiben und Überbetonen ist nicht nötig.
Trostverse
Paul ist beim Rennen auf dem Spielplatz hingefallen und weint bitterlich. „Heile, heile Segen, drei Tage Regen, drei Tage Schnee, morgen tut es nimmer weh!“, singt der Kindergarten-Praktikant und pustet auf die schmerzende Stelle. Sprüche wirken oft Wunder bei Kindern, die, auf diese Weise getröstet, oft nicht mal mehr ein Pflaster oder weiteren Zuspruch brauchen.
Reigenzeit – wie Gesten und Gebärden Sinn schaffen
„Wann sind wir wieder die fleißigen Handwerker?“, fragt Luis die Kindergärtnerin. Luis ist ein begeisterter Mitmacher in dem Reigen, den die Kinder seit mehreren Wochen immer um 11 Uhr üben. Kinder wie Luis, die sonst eher unruhig sind, profitieren besonders von der Wiederholung und dem Rhythmus von Sing- und Gebärdenreigen. Alle stehen im Kreis und singen:
„Wer will fleißige Handwerker seh’n,
der muss zu uns Kindern geh’n:
Stein auf Stein, Stein auf Stein,
das Häuschen wird bald fertig sein!
... O wie fein, o wie fein,
der Glaser setzt die Scheiben ein.
... Tauchet ein, tauchet ein,
der Maler streicht die Wände fein.
... Zisch, zisch, zisch; zisch, zisch, zisch,
der Tischler hobelt glatt den Tisch.
... Poch, poch, poch; poch, poch, poch,
der Schuster schustert zu das Loch.
... Stich, stich, stich; stich, stich, stich,
der Schneider näht ein Kleid für mich.
... Rühre ein, rühre ein,
der Kuchen wird bald fertig sein.
... Trapp, trapp, drein; trapp, trapp, drein,
jetzt gehn wir von der Arbeit heim.
... Hopp, hopp, hopp; hopp, hopp, hopp,
jetzt tanzen alle im Galopp.“
Zu jedem Vers führen die Kinder eine passende Handbewegung aus. Viele Kindersprüche sind mit Gesten verbunden. Man berührt Ellbogen, Nase oder Ohren bzw. deutet mit den Armen an, was gesprochen oder gesungen wird. Die Kindergartengruppe steht im Kreis, alle sprechen laut mit und ahmen die Gesten der Kindergärtnerin nach. So lernen Kinder spielerisch ihren Körper kennen und kommen in liebevollen Kontakt mit sich selbst.
Wenn im Spiel oder Reigen Wort, Gebärde und Bedeutung zusammenfallen, erleben Kinder Sprache und Welt als stimmig. Sowohl die Bedeutung des Spiels als auch die Wiederholung stärken ihre Vitalkräfte.
Alles und jeder zu seiner Zeit
Gerade Kreisspiele sind für Kindergruppen gut. Hier sollte man Geduld haben und Kindern Zeit geben: Die jüngeren oder ältere, schüchterne Kinder müssen nicht sofort mitmachen, sondern können die anderen ruhig so lange beobachten, bis sie bereit sind, sich einzubringen.
Ein Vers, mit dem schon die Kleinsten beginnen können, ist „Ringel, Ringel, Reihe“, bei dem sich die Kinder an den Händen fassen, im Kreis laufen und bei den Worten „husch, husch, husch“ in die Hocke gehen.
„Ringel, Ringel, Reihe,
wir sind der Kinder dreie,
wir sitzen unterm Holderbusch,
und machen alle husch, husch, husch!“
Märchen und Geschichten – Schätze der Kultur
Märchen beinhalten eine besonders bildreiche Sprache. Viele wunderbare Wörter wären längst in Vergessenheit geraten, gäbe es keine Märchen. Zudem überliefern Märchen Werte, die allgemeingültig bleiben, egal wie sich unsere Gesellschaft entwickelt, und bilden so für Kinder einen wohltuenden Ausgleich zu dem flüchtigen Zeitgeist. Auch abendliche Vorlesestunden, so wissen Eltern und Pädagogen, stärken Kinder in besonderem Maße.
Mehr zur Wirkung von Märchen finden Sie hier.
Zungenbrecher und Paradoxien
Schulkinder, die der Sprache bereits mächtig sind, lieben Zungenbrecher und Paradoxien. Erstklässler erfreuen sich an Alliterationen und manchmal auch am Widersinn. Im Chor deklamieren sie „Dunkel war’s, der Mond schien helle“ und wetteifern darum, wer die meisten Strophen auswendig kann.
Auch Zungenbrecher wie der „Potsdamer Postkutscher“ oder das „Brautkleid, das Brautkleid bleibt“ sind sehr beliebt. Gerne wird getestet, wer den schwierigsten Spruch am längsten fehlerfrei sprechen kann. Immer schneller rattern die Kinder die Wörter herunter, bis sie sich verhaspeln. Wenn die Zungen ins Stolpern geraten, rufen die lustigen Versprecher viel Gelächter hervor.
Probieren Sie es doch mit Ihren älteren Kindern gleich einmal aus:
Paradoxes Gedicht
„Dunkel war´s, der Mond schien helle,
Schnee lag auf der grünen Flur,
als ein Wagen blitzesschnelle
langsam um die Ecke fuhr.
Drinnen saßen stehend Leute,
schweigend ins Gespräch vertieft,
als ein totgeschossner Hase
auf der Sandbank Schlittschuh lief.
Und der Wagen fuhr im Trabe
rückwärts einen Berg hinauf.
Droben zog ein alter Rabe
grade eine Turmuhr auf.
Ringsumher herrscht tiefes Schweigen
und mit fürchterlichem Krach
spielen in des Grases Zweigen
zwei Kamele lautlos Schach.
Und auf einer roten Bank,
die blau angestrichen war,
saß ein blond gelockter Jüngling
mit kohlrabenschwarzem Haar.
Neben ihm 'ne alte Schachtel,
zählte kaum erst sechzehn Jahr,
und sie aß ein Butterbrot,
das mit Schmalz bestrichen war.
...
Zungenbrecher
Acht alte Ameisen aßen am Abend Ananas.
Am zehnten zehnten zehn Uhr zehn zogen zehn zahme Ziegen zehn Zentner Zucker zum Zoo.
Blaukraut bleibt Blaukraut und Brautkleid bleibt Brautkleid.
Der Potsdamer Postkutscher putzt den Potsdamer Postkutschwagen.
Ein plappernder Kaplan klebt Papp-Plakate - Papp-Plakate klebt ein plappernder Kaplan.
Fischers Fritze fischte frische Fische, frische Fische fischte Fischers Fritze.
Hinterm hohen Haus hackt Hans hartes Holz. Hartes Holz hackt Hans hinterm hohen Haus.
Hundert hurtige Hunde hetzen hinter hundert hurtigen Hasen her.
Ein kleiner Rat zum Schluss:
Üben Sie keine Verse und Reime, um bei Kindern eine bestimmte Entwicklung zu beschleunigen. Kinder spüren, wenn Erwachsene mit ihrer Zuwendung einen Zweck verfolgen, und reagieren mit Ablehnung oder Desinteresse. Wahre Freude und echter Gewinn entsteht, wenn Sie sich ihren Kindern absichtslos widmen.
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