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Raum für Fehler

Menschliche Gehirne lernen und entwickeln sich am besten in einer anregend vielfältigen Umgebung, mit Abwechslung und ausreichend Ruhezeiten & Entspannung und in sicherer, angstfreier Atmosphäre. Kinder, denen es gut geht und die sich sicher fühlen, sind aus sich heraus neugierig und wollen die Welt erkunden und kennenlernen. Sie wollen mit den Dingen umgehen,  nachahmen, was sie bei Erwachsenen beobachten, selber machen und ausprobieren. Wichtig ist, dass die Verantwortung für das Ausprobieren inklusive der Folgen immer bei den Eltern liegt. Die Verantwortung geht erst im späten Jugendalter nach und nach an die Jugendlichen über. Allerdings sollte das Wissen um diese elterliche Verantwortung nicht dazu führen, dass den Kindern aus Angst kein Spielraum mehr eingeräumt wird. Eltern müssen mit Weitsicht überlegen, was im Rahmen der Reife und Möglichkeiten des Kindes liegt, so dass es gefordert aber nicht überfordert ist.

 

Wenn Kinder sich und die Welt ausprobieren, passieren manchmal Missgeschicke, große & kleine Unfälle, es gehen Dinge kaputt & verloren. Kurz: Kinder machen Fehler. Aus diesen lernen Kinder, wenn wir sie lassen. Das bedeutet, dass wir in Ruhe gemeinsam mit den Kindern überlegen, was schiefgelaufen ist und was sie beim nächsten Mal anders machen können. Das wiederum bedeutet nicht, dass es zukünftig nicht mehr zu diesem Missgeschick oder Fehler kommen wird. Eltern hätten oft so gerne, dass sie einen Satz nur ein einziges Mal sagen müssen. Hinter diesem Wunsch steckt das Bedürfnis nach Leichtigkeit. Dieses Bedürfnis ist natürlich völlig in Ordnung, muss aber auf anderen Wegen erfüllt werden bzw. es muss nach verbindenden Lösungen gesucht werden. Das bedeutet z.B.  einen Weg zu suchen, der beide Bedürfnisse - Erkundungsdrang/Selbstwirksamkeit der Kinder und Leichtigkeit der Eltern -  vereint.

Es gehört zur Aufgabe des Elternseins dazu, Raum, Zeit & Energie im Alltag für all die kleinen & großen Fehler der Kinder, deren Folgen und Reflexionen einzuplanen. Denn dass Fehler passieren ist unvermeidbar. Wie Eltern damit umgehen ist beeinflussbar und außerordentlich wichtig.

 

Der elterliche Umgang mit kindlichen Fehlern hat Einfluss auf:

•      die Entwicklung des Kindes. Es entstehen im besten Fall positive innere Überzeugungen: „Ich bin gut wie ich bin, auch wenn ich mal etwas falsch mache.“ „Lernen macht Freude!“ „Ich lerne aus Fehlern“

•      den familiären Alltag: es wirkt erleichternd, wenn zum einen im einzelnen Moment selbst mit einem kindlichen Fehler wohlwollend und mit Leichtigkeit umgegangen wird. Zum anderen wird es zunehmend leichter, wenn die Kinder tatsächlich schrittweise aus den Fehlern lernen.

•      die kindliche Wahrnehmung der Eltern: wenn Eltern wollen, dass sich Kinder bei größeren Schwierigkeiten hilfesuchend an sie wenden, müssen Kinder erlebt haben, dass ihre Eltern tatsächlich hilfreich sind. Wenn sie hingegen häufig die Erfahrung machen, dass Eltern wegen einer verschütteten Apfelschorle oder einem zerbrochenen Gegenstand aus der Ruhe geraten, kann es passieren, dass sie sich nicht mehr trauen bzw. die Eltern nicht als Unterstützung empfinden.

 

Bei der Reflexion von Fehlverhalten sollte die Schuldfrage nicht zu viel Raum einnehmen. Ein hilfreicher Satz, der den Fokus auf die Lösungssuche lenkt, könnte sein: „Lösen wir nicht die Schuldfrage, lösen wir das Problem“.  Denn wenn Kinder erfahren, dass Schlimmes geschieht, wenn sie etwas verursacht haben, werden ihnen deswegen nicht weniger Fehler passieren. Sie werden aber unter Umständen aus Angst versuchen, diese zu vertuschen und nicht dazu stehen. Oder sie strengen sich enorm an, Fehler zu vermeiden, anstatt aus ihnen zu lernen. Aus denselben Gründen sollte unbedingt von Strafen abgesehen werden. Strafen verhindern eine innere, echte Auseinandersetzung des Kindes mit den Themen, sie erfahren auf diese Weise nichts über sich oder die Beweggründe des Gegenübers.

Lange Zeit ging man davon aus, dass Kinder aus Absicht Dinge kaputt machen oder unachtsam sind und mit Härte und Strafen eines Besseren belehrt werden müssen. Heute wissen wir, dass Kinder immer kooperieren wollen (aus ihrer Abhängigkeit heraus sogar müssen) und ihr Bestes geben, gemäß ihrer Reife und Möglichkeiten. Den von Eltern gewünschten achtsamen Umgang lernen sie zum einen am Modell der Eltern und zum anderen mit der Zeit durch Erfahrung (über Versuch & Irrtum) und deren Reflexion.

 

Ich lade hiermit ein, den elterlichen Umgang mit Fehlern einmal zu reflektieren. Wie sieht der Umgang mit Fehlern in der eigenen Familie aus? Wie wurde in der Kindheit der Eltern mit Fehlern umgegangen? Wie hat sich das angefühlt? Wozu hat es geführt? Wie gehen Eltern heute mit eigenen Fehlern um? Was könnte helfen, eine Fehlerkultur in der Familie zu leben, die Fehlerfreundlichkeit, Vergeben und miteinander lernen einschließt? 

 

Das klingt alles so leicht in der Theorie und ist in der alltäglichen Umsetzung oft alles andere als das. Besonders wenn Eltern selbst ganz andere Erfahrungen gemacht haben, ist eine Veränderung auf der Verhaltensebene entsprechend neu gesetzter Werte gar nicht so einfach. Wenn an einem hektischen Morgen erst die Milch verschüttet wird und dann der Teller auf dem Boden zerbricht, liegen die Nerven schnell mal blank. Dann handeln Eltern anders als sie es sich vorgenommen haben – sie machen einen Fehler. Dann dürfen sie so großherzig und liebevoll mit sich sein, wie sie es mit ihren Kindern sein wollen. Sie dürfen über sich wissen, dass sie es gerade nicht besser wussten und daraus lernen können.

 

Herzlich, Hanna Articus

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