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Raum- und Zeitreisen in Konfliktsituationen

Das mit der Zeit und dem Zeitgefühl ist ja grundsätzliche eine relative Angelegenheit. Mit dem Elternwerden verändert sich das persönliche Zeitbudget sehr, und auch das persönliche Zeitempfinden erweitert sich um verschiedene Dimensionen. Es kann sich z.B. ewig anfühlen bis sich ein Kind, das sich in der Autonomiephase befindet, selbst die Schuhe angezogen hat. Gleichzeitig haben viele Eltern den Eindruck, es ständig eilig zu haben und überallhin auf den letzten Drücker zu kommen. Ein besonderes Zeitgefühl haben viele Eltern auch in Konfliktsituationen. Oft entsteht zum Beispiel das Gefühl, dass irgendetwas SOFORT erledigt werden sollte. Oder dass etwas nur JETZT geht. Gleichzeitig fühlt es sich manchmal so an, als würde der Konflikt schon EWIG dauern und NIEMALS aufhören. Oder es entstehen Bilder im Kopf, die Szenarien einer schlimmen Zukunft entwerfen, wenn dieser Konflikt jetzt nicht auf eine bestimmte Weise gelöst wird. Das alles macht allen Beteiligten Druck und hilft eher nicht, gelassen miteinander Lösungen zu entwickeln.

Ich stelle nun im Folgenden mit unseren fiktiven Frauen vor, welche Bilder und Handlungen hier nützlich sein können. Es ist wie ein Spiel mit Raum und Zeit, das unsere Gedankenmuster im Konflikt ein wenig flexibler werden lassen kann.

Lotte hat irgendwann festgestellt, dass sie sich in Konflikten mit ihren Kindern zeitlich enorm unter Druck gesetzt fühlt und auch die Idee hat, ihren Weg unbedingt durchsetzen zu müssen. Im Nachhinein hat sie sich oft gewundert, weshalb sie sich selbst so gehetzt hat. Es gab von außen betrachtet oft keinen Grund, es eilig zu haben. Sie hat auch für sich erkannt, dass sie nicht bereit oder in der Lage war, andere Lösungswege zu denken und zuzulassen als ihren eigenen. So hat sie sich mit der Zeit antrainiert, erst einmal innerlich Stopp zu drücken. Pause. Ein paarmal tief ein- und auszuatmen. Sie hat begonnen, sich bewusst Zeit zu lassen und langsam zu machen. Um dann mit ruhigem Herzen und klarem Kopf zu überlegen, um was es gerade geht und welche verschiedenen Wege und Ideen der Lösung im Raum stehen. Um sich im Konflikt auch daran zu erinnern, hat sie sich als Symbol verschiedene Blumen ausgedruckt und an die Stellen platziert, an denen besonders oft Konflikte auftreten (in ihrem Fall: Badezimmer, Garderobe und Auto).

 

Benita hatte irgendwann das Gefühl, dass sich ein Konflikt an den nächsten reiht und aus vielen kleinen Mücken riesige Elefanten werden, die sich an der familiären Grundstimmung reiben. Es lag mit der Zeit so eine Gereiztheit in der Luft und alle warteten quasi schon auf den nächsten Konflikt. Im Nachhinein wusste eigentlich nie jemand mehr so genau um was es eigentlich ging. Benitas Weg zu mehr Gelassenheit im Umgang mit den kleinen Steinchen im familiären Alltag ist es, sich gedanklich hinaus zu träumen aus der Situation. Sie setzt sich gedanklich auf einen rotweißgestreiften Liegestuhl auf dem Mond – denn vom Mond aus betrachtet, spielt das Ganze vermutlich gar keine so große Rolle mehr. Das bedeutet nicht, dass alles beliebig ist – sie verhilft sich jedoch auf diese Weise zu innerem emotionalem Abstand zu den Themen, die das Leben mit kleinen Kindern einfach mit sich bringt. Indem sie die Turbulenzen des Alltags für sich in ein großes Ganzes einbettet, kann sie in Ruhe damit umgehen.

Auch Marion kennt das, dass sich Konflikte phasenweise häufen. Wenn sie sich inhaltlich oder im Ausdruck ähneln, packt Marion bildlich gesprochen die Lupe aus. Das heißt, sie schaut ganz genau hin, macht es ganz groß, gibt den Konflikten ganz viel Raum. Sie fragt sich u.a.:

•      was wohl dahinterstecken könnte.

•      wer was damit sagen möchte.

•      welche früheren, leiseren Signale vielleicht übersehen wurden.

•      wem was vielleicht gerade zu viel ist – oder zu wenig.

•      welche Bedürfnisse offen sind und wie sie gesehen und erfüllt werden können.

Sie bespricht das auch gerne mit ihrem Partner oder den Kindern, weil sie weiß, dass sie selbst immer nur ihre eigene Sicht auf den Konflikt hat und dass es sich für die anderen Familienmitglieder evtl. ganz anders darstellt. Oft löst sich alles schnell auf, wenn dem Konflikt und den zugrundeliegenden Ursachen bewusst und liebevoll Raum gegeben wird. Das ist zumindest Marions Erfahrung.

 

Elisa hat für sich entdeckt, dass es ihr hilft, den Blick bewusst vom aktuellen Konflikt abzuwenden und gezielt nach Ausnahmen zu suchen. Sie fragt sich, zu welchen Zeiten und in welchen Situationen es anders läuft. Denn sie hat für sich erkannt, dass es sich im Konflikt oft für sie so anfühlt, als sei das „ALLES IMMER SO“. Oder sie spürt die Angst in sich, dass das „FÜR IMMER SO BLEIBT“. Im Nachhinein, wenn die Gemüter wieder abgekühlt sind, wird ihr bewusst, dass Verallgemeinerungen und Pauschalisierungen weder stimmen, noch hilfreich sind. Sie hat sich angewöhnt, den Raum groß zu machen und den Fokus  zu weiten und so direkt im Konflikt differenziert hinzuschauen und im jetzigen Moment (egal was vorher oder gestern war) nach möglichen Ursachen und dazu passenden konkreten Lösungen zu suchen.

Falls du dich in den Konfliktbeschreibungen wiederfindest, kannst du ja mal schauen, ob dich einer der Wege der Frauen anspricht und du ihn mal ausprobieren magst. Sei geduldig und liebevoll mit dir: was wir Jahrzehnte lang gelernt haben, entlernen wir nicht von heute auf morgen, Veränderung braucht Zeit. Wenn wir beginnen, unser Verhalten und unser Zeitempfinden in diesen Situationen zu beobachten, können wir es mit der Zeit bewusst so verändern, dass es uns hilft anstatt zusätzlich Stress zu verursachen. Das ändert natürlich nichts an der Konfliktsituation an sich, wir können jedoch innerlich Abstand dazu gewinnen und klarer wahrnehmen, um was es gerade tatsächlich geht. Dann können wir erkennen, was jetzt wichtig ist und auswählen, wie wir handeln wollen.

 

Unterstützend kannst du dir „Erinnerer“ platzieren oder deine Mitmenschen bitten, dich daran zu erinnern. Natürlich sind das alles oberflächliche Hilfsmittel, und wir können auch immer noch ein paar Ebenen tiefer schauen und uns über unser Konfliktverhalten insgesamt Gedanken machen. Welche Erfahrungen hast du in deiner Kindheit mit Konflikten gemacht? Fühlen sich Konflikte für dich bedrohlich an oder empfindest du sie als Chance, etwas über dich selbst zu lernen und die Beziehung zu deinem Gegenüber zu vertiefen? Wenn du Konflikte als insgesamt belastend erlebst und gleichzeitig keinen konstruktiven Umgang damit erlernt hast, habe ich eine erfreuliche Nachricht: das ist veränderbar – mit unseren Kindern und den Konflikten in unserem Alltag dürfen wir uns ganz neu auf den Weg machen. Wir können neue Wege lernen und unseren Kindern vorleben!

 

Hanna Articus

 
Das Online-Portal für Eltern

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