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Verbunden sein

Inzwischen wissen wir Menschen viel darüber, was Menschenkinder brauchen, um später als junge Erwachsene gestärkt in ein selbstverantwortliches Leben starten zu können. Die Bindungsforschung hat u.a. viel dazu beigetragen, die besondere Bedeutung der frühen Erfahrungen und Beziehungen zu erkennen und Schlüsse für unser elterliches Handeln daraus zu ziehen. Durch sie wissen wir, dass wir Menschen existentiell darauf angewiesen sind, dass unsere Bedürfnisse gesehen und beantwortet werden. Je jünger ein Mensch ist, umso wichtiger ist es seine Bedürfnisse feinfühlig zu lesen und daraufhin prompt und stimmig zu beantworten. Neben den Grundbedürfnissen Nahrung, Körperpflege und Wärme haben Kinder das Bedürfnis sich zugehörig und wertvoll zu fühlen. Sie brauchen diese Verbindung zu uns Erwachsenen, um sich sicher zu fühlen und von uns zu lernen. Ausgehend von dieser Sicherheit –  von uns aus als ihrem sicherem Hafen –  machen sie sich dann auf in die Welt, um sie mit allen Sinnen zu erkunden. Sind die Beziehungen im familiären Alltag überwiegend verlässlich, warm und zugewandt, spüren und verinnerlichen Kinder, dass sie wichtig & wertvoll sind und machen die Erfahrung, dass sie anderen Menschen vertrauen können und dass Beziehungen schön sind.

Bindung ist wie ein unsichtbares Band zwischen zwei Menschen – eine unverwechselbare Beziehung, geprägt von tiefen Gefühlen und verlässlichen Erfahrungen. Die Bindung zwischen Eltern und ihren Kindern bewirkt neben den positiven Effekten auf die Entwicklung des Kindes außerdem, dass Kinder ihren Eltern ganz natürlich folgen und von sich aus kooperieren. Bindung entsteht zum einen durch echtes Interesse, gemeinsame Zeit, Nähe, Spielen & Lachen. Zum anderen entwickelt sie sich insbesondere in bindungsrelevanten Situationen. Das sind Momente in denen unsere Kinder

•      Gefühle wie Trauer, Wut, Eifersucht empfinden

•      Konflikte erleben

•      Angst haben

•      Schmerzen haben

•      müde sind

•      Wärme brauchen

•      Nähe suchen

•      unangenehme Spannung empfinden

•      Schutz vor zu vielen Reizen suchen

•      sich unwichtig fühlen

•      Fehler machen

•      scheitern und Frust haben

•      eine Pause brauchen

•      sie zu lange warten mussten

•      sich einsam fühlen

•      Entwicklungssprünge durchwachsen

•      Trennungen überstehen müssen

•      Übergänge anstehen

•      …

 

Solange Kinder klein sind und sich noch nicht selbst regulieren können, überfordern sie all diese Situationen. Ihr inneres Alarmsystem wird aktiviert und sie machen uns Eltern oder andere Bindungspersonen darauf aufmerksam indem sie

•      unsere Nähe suchen,

•      auf den Arm wollen,

•      nicht von unserer Seite weichen,

•      „Mama“ oder „Papa“ rufen,

•      weinen,

•      „schwierig“ werden,

•      quengeln, nörgeln,

•      extrem aufdrehen,

•      getröstet werden wollen,

•      …

 

Aus der Bindungsperspektive kommt es vor allem in diesen Momenten darauf an, wie wir auf unsere Kinder reagieren. Viele der Verhaltensweisen, mit denen Kinder auf ihr aktiviertes Bindungssystem hinweisen, fordern uns Eltern heraus, sie sind auch für uns anstrengend. Jahre lang wurde Eltern empfohlen, trennungsorientiert auf diese als unerwünscht betitelte Verhaltensweisen zu reagieren. Dahinter steckte die Idee, mit Distanz und Konsequenzen zu versuchen, das unbequeme Verhalten abzustellen. Es bestand noch kein Bewusstsein dafür, dass Kinder in diesen Momenten auf diese Weise ihre Not kommunizieren und Unterstützung dabei benötigen, sich und insbesondere ihre Gefühle zu regulieren. Inzwischen ist bekannt, dass es viel gesünder, zielführender und auch wahrscheinlicher ist, dass Kinder damit aufhören, wenn die dem Verhalten zugrundeliegenden Ursachen richtig gelesen, interpretiert und beantwortet werden. Denn die oben beschriebenen Momente sind die Momente, in denen unsere Kinder uns Eltern und andere Betreuungspersonen am meisten brauchen – und zwar auf eine ruhige, sicherheitsvermittelnde Art und Weise. Sie suchen ihren sicheren Hafen auf – sie tanken Ruhe, Sicherheit und Kraft.

Zusammengefasst: wenn Kinder sich schwierig und auffällig verhalten, sind sie oft in Not und suchen vor allem eines: die sichere Verbindung zu ihren Eltern. In diesen Momenten ist wichtig, dass Kinder die Botschaft von ihren Eltern erhalten „Ich bin da“, „Du bist sicher“, „Du bekommst was du brauchst“, „Du kannst immer zu mir kommen“. Dabei ist es von Situation zu Situation und von Kind zu Kind verschieden, was sie konkret in diesen Momenten brauchen (eine Umarmung, Nähe, ein freundliches Wort, etc.). Auf diese Weise verfestigt sich die Bindung, sie erfahren dass wir für sie da sind. Sie erleben und spüren, dass sie gut, wichtig und richtig sind, auch wenn sie schwierig sind. Wenn Eltern wollen, dass ihre Kinder als Jugendliche zu ihnen kommen, wenn sie Probleme haben, müssen sie dann, wenn ihre Kinder in jungen Jahren trost- und hilfesuchend zu ihnen kommen, auch tatsächlich und spürbar da sein. Auch wenn sie die aktuellen Themen der Kinder vielleicht selbst nicht als schlimm/schmerzhaft/bedrohlich empfinden. Hier ist es wichtig, das Kind zu sehen und zu erkennen, dass in der Lebenswelt des Kindes und für sein Empfinden etwas schlimm/schmerzhaft/bedrohlich ist.

Das bedeutet nicht, dass Kindern die schwierigen Themen abgenommen werden sollen – es geht nicht darum Trennungen, unangenehme Gefühle oder Konflikte zu vermeiden. Es geht darum, in den oben aufgeführten Momenten den Kindern zur Seite zu stehen, sie zu begleiten und ihnen Sprache für ihre Innenwelt anzubieten. Mit der Zeit verinnerlichen Kinder den Umgang mit diesen Situationen und sind irgendwann selbst in der Lage, sich zu regulieren und mit für sie schwierigen Situationen umzugehen. Sie wissen dann was sie brauchen, was ihnen gut tut und holen sich bei Bedarf Unterstützung.

Diese Art Kinder zu begleiten erfordert zum einen, dass Eltern Abstand von ihrer eigenen Sichtweise nehmen, sich in ihr Kind hineinversetzen können und es verstehen wollen. Zum anderen ist wichtig, dass Eltern sich selbst und ihre Gefühle gut kennen und regulieren können. Wenn Eltern das selbst in ihrer Kindheit so nicht erfahren haben, kann das dazu führen, dass es in ihnen Stress auslöst, wenn ihre Kinder wüten, weinen oder intensiv Nähe einfordern. Alte Themen schwingen an, eigene Gefühle wie Wut oder Hilflosigkeit kommen hoch und sie können infolgedessen ihre Kinder nicht auf ruhige Art begleiten. Wenn Eltern bemerken, dass ihnen das schwer fällt, dürfen und sollten sie hinschauen, woran das liegt. Ist der eigene Tank leer? Wie steht es um die eigenen Bedürfnisse? Sind sie erfüllt? Sind sie so erfüllt, dass sie geben können, dass sie da sein können, dass sie hilfreich sein können? Was haben sie selbst als Kind erlebt, wenn sie Hilfe und Nähe gebraucht haben?

Vielen Eltern ist inzwischen bewusst, dass die Bindung zwischen ihnen und ihrem Kind besonders und wichtig ist, haben die Beziehungen im Blick. Sie sind bereit alte Muster anzuschauen, zu entlernen und neues zu lernen. Das ist hilfreich für die Entwicklung der Kinder, stärkt die Beziehungen, bereichert den familiären Alltag und tut vor allem auch den Eltern selbst gut. Denn sie erfahren so parallel mit ihren Kindern, wie wohltuend es wirkt, wenn wir Menschen liebevoll und fürsorglich mit uns selbst umgehen oder uns an unsere Mitmenschen wenden, wenn die Wellen in unserem Leben hochschlagen. Denn wir Menschen haben alle unser Leben lang Bedürfnisse und eine Sehnsucht nach Zugehörigkeit und dem Gefühl wertvoll und verbunden zu sein.

 

Hanna Articus


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