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Kind sein in Zeiten von Corona und Lockdown

Kind sein im Ausnahmezustand: Welche Kinder und Eltern die Pandemie am härtesten trifft

Die Coronavirus-Pandemie hat den Alltag von Familien in Deutschland vollkommen verändert. Wie sich Kita- und Schul- Schließungen sowie stark eingeschränkte Kontakte im Frühjahr 2020 auf das Familienklima sowie das Wohlbefinden der Kinder auswirkten und was ihnen dabei half, mit den Veränderungen zurechtzukommen, zeigen die Ergebnisse der Studie "Kind sein in Zeiten von Corona" des Deutschen Jugendinstituts (DJI). Wir befragten Frau Dr. Alexandra Langmeyer, sie ist seit 2013 die Leiterin der Fachgruppe "Lebenslagen und Lebenswelten von Kindern" in der Abteilung "Kinder und Kinderbetreuung" am DJI. Die Forschungsschwerpunkte der Sozialwissenschaftlerin beziehen sich auf Fragen der Familien- und Kindheitsforschung.

Frau Langmeyer, Sie haben mit dem DJI im Frühjahr 2020 12.628 Eltern von Kindern im A‍lter von drei bis 15 Jahren an einer Befragung beteiligt und eine Studie zur Situation der Kinder während des ersten Lockdowns veröffentlicht. Was haben Sie herausgefunden, welche Kinder sind während der Pandemie besonders belastet?

Kurz gesagt: Viele Kinder aus finanziell belasteten Familien fühlen sich besonders einsam: Mehr als ein Viertel (27 Prozent) der befragten Eltern stimmten der Aussage eher oder ganz zu, dass sich ihr Kind während des ersten Lockdowns einsam fühlte. In Familien mit schwieriger finanzieller Lage traf dies auf noch weit mehr Kinder zu: Unter ihnen fühlten sich den Angaben der Eltern nach fast die Hälfte (48 Prozent) einsam gegenüber 21 Prozent der Kinder aus Familien, die mit ihrem Einkommen gut leben können. Auch mit emotionalen Problemen wie Niedergeschlagenheit, Ängste und Sorgen sowie mit Hyperaktivität haben mehr Kinder aus finanziell schlechter gestellten Familien zu kämpfen (44 Prozent vs. 18 Prozent // 39 vs. 18 Prozent) – und zwar umso mehr, je angespannter die Eltern ihre wirtschaftliche Situation empfinden.

 

Was kann diesen Kindern helfen?


Hilfreich ist hier der Kontakt zu Bezugspersonen in Kita und Schulen.  

Die Studienergebnisse machen deutlich, was zu einer guten Krisen-Bewältigung beitragen kann: Der Anteil der Kinder, die mit der Situation gut zurechtkamen, war unter denjenigen höher, die Geschwister zum Spielen und zum Aufmuntern haben (70 vs. 66 Prozent) und bei denjenigen, die im regelmäßigen Kontakt mit ihren Großeltern standen (71 vs. 56 Prozent). Unter den Kindern in der Sekundarstufe hatten diejenigen Vorteile, die mit Freunden (70 vs. 66 Prozent) und Lehrkräften (73 vs. 64 Prozent) im Austausch blieben. Alle Kinder und Jugendlichen fühlten sich durch häufige Kontakte zu pädagogischen Fachkräften und Lehrkräften zudem weniger einsam (20 vs. 35 Prozent). Das zeigen die Einschätzungen der Eltern ebenso wie die der Kinder und Jugendlichen selbst. Vom Austausch mit Bezugspersonen aus Kita und Schule profitieren den Analysen nach auch die Eltern: Sie fühlten sich dann mit der Doppelbelastung durch Homeschooling und Erwerbsarbeit weniger überfordert.

Wie kamen die Kinder insgesamt mit der Krise zurecht?

Ein Drittel der Kinder hatte Schwierigkeiten, mit dem Lockdown zurechtzukommen.

Wenngleich viele Kinder die Herausforderungen der Corona-Krise eher gut oder sehr gut zu bewältigen scheinen, berichtete nahezu ein Drittel der befragten Eltern, dass ihr Kind Schwierigkeiten hatte, mit der Situation umzugehen. Den Studienergebnissen nach machen ihnen insbesondere die Trennung von Freunden, das Fehlen des gewohnten (Schul-)Alltags und der Mangel an Freizeitaktivitäten zu schaffen. Aus den Interviews geht zudem hervor, dass sie durch Corona verstärkt mit Ängsten konfrontiert sind. Mehr gemeinsame Zeit mit der Familie und einen weniger eng getakteten Alltag erlebten viele hingegen positiv. Gemeinsame Aktivitäten und Mahlzeiten sowie mehr Zeit mit den Vätern hoben viele Kinder in diesem Zusammenhang hervor.

 

Gibt es Familien, die besonders große Schwierigkeiten haben?

 

In Familien, in denen Konflikte und Chaos an der Tagesordnung standen, war der Anteil der Kinder mit Schwierigkeiten bei der Bewältigung der Pandemie noch weitaus höher: Mehr als die Hälfte der Eltern (53 Prozent), bei denen häufig oder sogar sehr häufig ein konflikthaltiges Klima herrschte, gaben an, dass ihr Kind nicht gut mit den Veränderungen zurechtgekommen sei. Jede fünfte Familie (22 Prozent) berichtete, dass bei ihnen häufig oder sehr häufig ein konflikthaltiges beziehungsweise chaotisches Klima herrschte. Diese Situation kam offenbar verstärkt in Haushalten mit mehreren Kindern vor.

Wann wird es in Familien “brenzlig”?

Treffen schwierige Lebensverhältnisse, belastete Eltern und Kinder mit Förderbedarfen aufeinander, verstärken sich bereits vor der Pandemie bestehende Nachteile. Dies ist vor allem vor dem Hintergrund des Kinderschutzes besorgniserregend. Deshalb ist es wichtig, Familien in dieser Zeit vermehrt Beratung anzubieten.  

 

Das Wohlbefinden der Kinder hängt während der Krise noch mehr als sonst von der Familie ab – einerseits durch die finanzielle Situation, andererseits durch das Familienklima. Die wichtige Rolle der Familie kommt ganz besonders zum Tragen, wenn Kinder – durch eine eigene Infektion oder durch Infektionsfälle in der Kita-Gruppe oder Klasse – in Quarantäne müssen, so unser Fazit.  Zur besseren Unterstützung fordern wir als DJI standardisierte, altersdifferenzierte Informationen der Gesundheitsämter für Eltern, die beschreiben, wie sie die Zeit der Quarantäne ihrer Kinder gut gestalten können, und ihnen aufzeigen, wo sie sich bei Bedarf Hilfe holen können.

Wie können Eltern ihre Kinder während der Pandemie auffangen und stärken?

Einerseits sind in der aktuellen Situation Gespräche mit den Kindern über ihre Ängste und Sorgen wichtig. In diesen Gesprächen kann z. B. besprochen werden wie es den Kindern geht, wenn sie ihre Freunde nicht sehen können und was man tun kann, dass es ihnen besser geht. Gerade für jüngere Kinder sind Eltern eine wichtige Unterstützung bei der Herstellung von Kontakten z.B. über digitale Medien. Mit Blick auf die erste Lockdown-Situation kann überlegt werden: Was haben wir gemacht? Gab es neue gemeinsame Aktivitäten? Was davon hat uns als Familie gut getan und was wollen wir beibehalten? Viele Familien haben neue Seiten des Familienlebens entdeckt: gemeinsame Spieleabende oder Ausflüge in den Wald. Andererseits ist es auch wichtig, dass Kinder eine verlässliche Tagesstruktur haben. Das kann ihnen in schwierigen Zeiten Halt geben. Eltern können dafür sorgen, dass Aufsteh-, Mahlzeiten und Zu-Bett-Geh-Zeiten eingehalten werden und die Zeit dazwischen mit vielseitigen Aktivitäten gestaltet wird. Bei Schulkindern gehört hier natürlich auch das Distance-Learning dazu. Das muss aber nicht heißen, dass Eltern ihre Kinder rund um die Uhr bespaßen müssen. Sie sollten nicht vergessen, auch Zeit für sich selbst einzuplanen. Da kann man auch kleineren Kindern im Kindergartenalter schon mal zumuten, dass sie sich alleine ein Buch anschauen oder ein Hörspiel anhören.

 

Wohin können Eltern sich wenden, wenn sie an Ihre Grenzen kommen? Was können Eltern tun, die vielleicht mitbekommen, dass in anderen Familien die Not zu groß wird und Kinder leiden?

Durch die Herausforderung mit der Kinderbetreuung, dazu vielleicht noch Distance-Learning und Homeoffice, kann es schon mal zu Belastungen führen, sodass es Eltern nicht gut geht. Das ist ganz normal! Wichtig ist, dass man sich hier nicht alleine durchkämpft und sich rechtzeitig Hilfe holt. Hier kann man sich einerseits an die Erziehungsberatungsstellen vor Ort wenden. Viele bieten auch in Pandemiezeiten persönliche Gespräche oder Telefonsprechstunden an. Weitere Ansprechpartner sind die Jugendämter, die gerne auch Hilfestellung vermitteln. Zudem wurden eine Reihe von Hotlines eingerichtet, wie beispielsweise die Nummer

gegen Kummer/Elterntelefon: 0800 111 0550,
Gewalt gegen Frauen: 08000 116 016 oder Schwangere in Not: 0800 40 40 020.
Auch für Kinder gibt es ein Kindertelefon: 116 111


Frau Dr. Langmeyer, wir danken Ihnen für das Gespräch!

 
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