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Malen - Wie es sich entwickelt und wie Eltern unterstützen können

Schon kleine Kinder malen gern. Sie sind fasziniert, wenn sie mit einem Wachsblöckchen oder –stift übers Papier fahren und dabei Spuren hinterlassen. Das Gewirr von Linien, die sich kreuz und quer übers Blatt ziehen, und die daraus entstehenden wilden Knäuel sind ein wichtiger Schritt in der Entwicklung der kindlichen Ausdrucksformen.


Das Knäuel kann vieles bedeuten

Sara, zwei Jahre alt, fährt mit einem roten Wachsblöckchen wild auf dem Malpapier hin und her. Die Linien, die sich dabei kreuz und quer übers Blatt ziehen, verdichten sich allmählich zu einem Knäuel – eine kindliche Urform, die alles bedeuten kann: Mama oder Papa, Oma oder Opa, ein Haus, ein Auto, Sonne, Mond oder Sterne und vieles mehr. So wie Sara als Baby ihre ersten Laute plapperte und ständig wiederholte, so entstehen beim ersten Malen solche wilden Knäuel. Oft ist die Kleine so intensiv damit beschäftigt, dass ihre Mama sich über die Ausdauer ihres Kindes wundert. Doch beim Malen sind alle Kinder in ihrem Element. Der Hauptgrund ist ihr angeborener Trieb, etwas zu schaffen. Wenn Sara mit Hingabe Blatt für Blatt bekritzelt, ist dies Ausdruck ihres Schöpferstolzes.


Der erste Kopffüßler

Es dauert nicht lange, da werden Saras Striche, Linien und Knäuel differenzierter. Nach dem Urkreis der Zweijährigen entsteht etwa ab etwa drei Jahren allmählich der so genannte Kopffüßler. Mittelpunkt des Bildes ist ein großer Kreis als Kopf. Die kleinen Kreise oder Punkte darin sind Augen, der senkrechte Strich die Nase und der waagerechte der Mund. Arme und Beine werden als Striche seitlich und unterhalb des Kopfes dargestellt. Später kommen Hände und Füße und ein sackartiger Rumpf dazu. Mit etwa vier Jahren beginnen Kinder, ihre Bilder aufzubauen. Die meisten ziehen dazu unten auf dem Blatt einen waagerechten Strichext der zweiten Spalte. Damit schafft sich das Kind eine Ordnung. Was es als wichtig empfindet, zeichnet es überdimensional groß. Ab etwa fünf Jahren zeigen die Bilder mehr Details. Die Erfahrungen des Kindes fließen nun mehr und mehr ein. Seine Bilder können nun ganze Geschichten erzählen. Schön ist es, wenn seine Eltern ihm dabei aktiv zuhören.


Ideal zum ersten Malen: Wachsblöckchen

Zum ersten Malen empfiehlt Freya Jaffke, erfahrene Waldorfpädagogin und Dozentin, Wachsmalfarben in Blöckchenform. Denn mit diesen können Kinder sowohl Linien zeichnen als auch großzügige Flächen gestalten.

Anfangs nur drei Farben

Im Kleinkindalter und ersten Kindergartenalter reichen die drei Grundfarben – jeweils in einem helleren und einem dunkleren Farbton: Zinnoberrot, Karminrot, Ultramarinblau, Preußischblau, Zitronengelb und Goldgelb. „Die Bilder, die mit diesen Farben entstehen, strahlen eine große Reinheit aus“, erklärt Freya Jaffke. „Und die Mischfarbtöne, zum Beispiel Orange, Grün, Violett, Braun, die bei den jüngeren Kindern zufällig und bei den älteren gezielt entstehen, sind viel differenzierter und lebendiger als jede fertig gegebene Farbe.“ Dass aus zwei Farben eine neue Farbe entsteht, entdecken die meisten Kinder zwischen vier und fünf Jahren. Ab etwa fünf Jahren versuchen sie gezielt, bestimmte Farbtöne zu erreichen, etwa orange aus rot und gelb oder grün aus blau und gelb. „Und dennoch lösen sich die Kinder immer wieder leicht von einer realistischen Farbgebung und gehen souverän mit den vorhandenen Farben um“, hat Freya Jaffke beobachtet.


Eltern sollten mit dem Kind malen

Wichtig ist beim Malen vor allem eine schaffensfrohe Atmosphäre. Freya Jaffke empfiehlt Müttern und Vätern gemeinsam mit ihren Kindern zu malen. „Obwohl jedes gesund entwickelte kleine Kind sofort zu gestalten beginnt, wenn es Farben in die Hand bekommt, so ist – wie bei allen Tätigkeiten, die wir im Zusammensein mit Kindern durchführen – der Erwachsene als künstlerisch tätiger Mittelpunkt unentbehrlich“, sagt sie und empfiehlt Mütter und Vätern, sich zunächst einmal mit dem Wachsblöckchen vertraut zu machen. Am besten ist es, einige Papierblätter übereinander zu legen, denn auf einem weichen Untergrund malt es sich angenehmer. Das Blöckchen wird zwischen Daumen und drei Fingern gehalten und mit der Kante aufs Papier gesetzt. „Gemalt wird eigentlich immer mit einer der verschieden langen Kanten, auch wenn diese im Laufe der Zeit etwas rund werden“, erklärt Freya Jaffke. Wenn der Druck auf die Blöckchenkante nicht gleichmäßig ausgeübt wird, sondern man zum Beispiel im oberen Bereich stärker drückt, dann entsteht eine differenzierte Farbfläche mit einem zarten Übergang vom Dunklen zum Hellen. „Dies immer wieder auszuprobieren, ist sehr lohnend, weil sich damit später die gewünschten Formen sehr lebendig herausarbeiten lassen“, sagt Freya Jaffke.


Erzählen regt die Fantasie an

Zuweilen wundern sich Eltern über Freya Jaffkes Empfehlung, gemeinsam mit Kindern zu malen. Mütter und Väter fürchten, ihr Kind würde ihnen alles nachmalen und damit die Entfaltung seiner eigenen Kreativität behindern. Die erfahrene Erzieherin hält dagegen: „Auch wenn ein Kind gelegentlich versucht, dem Erwachsenen nachzumalen, kann man es ohne Bedenken geschehen lassen. Ich habe in solch einer Situation dann das eigene Malen mit wenigen Worten begleitet, zum Beispiel:´‚Hier am Ufer sitzt jetzt der Angler mit seiner langen Angelrute – und da kommen schon die Fische angeschwommen. Und hier steht das Häuschen, in dem der Angler wohnt. Gleich kommen seine beiden Kinder angelaufen. Die wollen sehen, ob der Vater schon einen Fisch gefangen hat.’ Solche kleinen Erzählungen geben der kindlichen Fantasie wieder neue Impulse. Das Kind hat dann wahrscheinlich gleich weitere Ideen, die es auf seinem Blatt verwirklichen will, zum Beispiel: ‚´Bei mir wollen aber die Kinder auch angeln, und einer hat schon einen Fisch an der Angel.’“


Vorbild sein, ohne Vorgaben zu machen

Eltern haben beim Malen mit den Kindern eine wichtige Vorbildfunktion. Die Kleinen nehmen dabei nämlich Impulse fürs eigene Malen auf. Freya Jaffke empfiehlt Eltern, in einfacher, freilassender Weise mit den Wachsfarben zu gestalten und dabei zuerst zarte Farbflächen anzulegen und durch Verdichten der Farben einzelne Dinge entstehen zu lassen. „Dies behindert Kinder in keiner Weise in der natürlichen Entwicklung des Malens“, sagt Freya Jaffke. „Ich habe nie erlebt, dass sie durch die flächige Malweise des Erwachsenen daran gehindert waren, so mit der Linie zu gestalten, wie es ihrem Alter entspricht. Die Kinder aber, die aufgrund ihrer Entwicklungsstufe flächig malen wollten, fanden an der Malweise des Erwachsenen ein geeignetes Vorbild.“ Ganz anders ist es jedoch, wenn Mutter oder Vater mit Umrisslinien arbeiten. „Diese engen ein, begrenzen und machen Veränderungen nur schwer möglich“, sagt Freya Jaffke. „Hier wäre der Blick der Kinder nicht frei und lebendig, sondern wie festgehalten. Und die Fantasie könnte nicht daran weiterschaffen. Wenn Kinder so etwas nachmachen, entsteht leicht eine Art Schablone, von der sie unter Umständen lange nicht frei werden.“

Das Kind zur Eigentätigkeit anregen

Das Gleiche geschieht, wenn Mutter oder Vater ihrem Kind auf dessen Bitte hin etwas vorzeichnen, etwa ein Haus oder einen Tannenbaum. „Erwachsene tun das dann in gut gemeinter bewusst kindlicher Weise. Das ist aber eher unkünstlerisch und für die Kinder – natürlich unbewusst – enttäuschend“, gibt Freya Jaffke zu bedenken. „Kinder suchen im Erwachsenen ein Vorbild, zu dem sie aufschauen können und von dem sie erwarten dürfen, dass er ihnen einige Schritte voraus ist. Wenn aber mit der Fläche gestaltet wird und sich eine Form oder charakteristische Geste langsam herauskristallisiert, dann belebt das die kindliche Fantasie. Und durch die Malweise, die dem Kind gerade möglich ist, findet es zu einer eigenen Darstellung.“ Freya Jaffke erklärt das mit Hilfe eines Beispiels: „Wenn das Kind fragt, wie es einen Hund malen kann, dann male ich nicht den Hund, sondern versuche das Kind zur Eigentätigkeit anzuregen, indem ich mit der Hand in der Luft male und langsam zu den Bewegungen spreche: 'Ja, vorne ist der Kopf (mit der Hand ruhig kreisen), dann der Bauch (mehrmals waagerecht oval kreisen) und dann die Beine (die Hand mehrmals senkrecht nach unten bewegen) und hinten am Bauch der Schwanz.’ Solche von Worten begleiteten Bewegungen, denen das Kind sehr aufmerksam folgt, wirken unmittelbar auf seine inneren Schöpferkräfte und bringen sie wieder in Regsamkeit.“


Nicht jedes Kinderbild aufhängen

Jede Kinderzeichnung ist ein Spiegel der Entwicklung des Kindes. „Mit einem solchen Spiegel sollten Eltern ihr Kind aber nicht dauernd konfrontieren, indem sie seine Zeichnungen in der Wohnung aufhängen“, meint Freya Jaffke. „Sie spiegeln ihm damit die Welt von gestern, das heißt die Stufe, die es heute schon überwunden hat. Da es unsere Aufgabe ist, die Kinder in die Zukunft zu geleiten, ist es empfehlenswert, lieber gute Bilder von großen Künstlern für die Umgebung des Kindes zu wählen. Was nicht heißt, dass nicht auch mal das eine oder andere Kinderbild dazwischen hängen könnte. Auf jeden Fall ist es für Kinder eine schöne Erfahrung, wenn sie erleben, dass ihre Bilder in einer Mappe gesammelt werden.“


Aquarellfarben

Neben den Wachsblöckchen eignen sich auch Aquarellfarben fürs erste Malen.

Zum großflächigen Malen im Vorschulalter empfehlen sich auch hier die drei Grundfarben – jeweils in einem helleren und dunkleren Ton zum Mischen. Darüber hinaus braucht das Kind gut saugfähiges Aquarellpapier in DIN A 3-Größe, flache Haarpinsel – 18 bis 22 cm breit, Wassergläser sowie kleine Gläser für die angerührten Farben und einen Schwamm zum Abtrocknen des Pinsels.

Buchtipp

 

Freya Jaffke:

Mit Kindern malen. Wachsfarben, Aquarellfarben, Pflanzenfarben

Eltern erhalten in diesem, mit vielen Bildern ausgestatteten Buch Anregungen, wie sie selbst mit Wachs-, Aquarell- und Pflanzenfarben umgehen können, damit die Kinder durch ihr Vorbild zum Malen angeregt werden.

Verlag Freies Geistesleben, 80 Seiten

 
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