Margarete Ostheimer GmbH homebanner
header-standard

Der verlorene Blick - Handys, iphone, TV-Geräte...

Ein Interview mit Maria Luisa Nüesch, Präsidentin des Vereins Spielraum-Lebensraum e.V.

„In der ersten Zeit brauchen Mutter und Kind vor allem sehr viel Ruhe und sehr viel Zeit füreinander. Nur so kann sich der Säugling geborgen fühlen. Wichtig sind jetzt besonders:  Die ungestörte Aufmerksamkeit für das Baby und der Augenkontakt zwischen Mama und Baby, also eine bewusste Hinwendung und die stille Unterhaltung mit dem Kind. Babys, die mit Handy, iphone und Fernsehen um die Aufmerksamkeit der Mutter ringen müssen, entwickeln sich mit Defiziten.“, sagt Maria Nüesch.

Maria Nüesch ist Erzieherin, Leiterin von Eltern-Kindgruppen in der Schweiz und die Präsidentin des Vereins Spielraum-Lebensraum e.V. Sie hält Vorträge und gibt Workshops zum Thema „freies Spiel und freie Bewegungsentwicklung während der ersten sieben Jahre des Kindes“. Sie ist Autorin des Buches „Spiel aus der Tiefe. Über die Fähigkeit des Kindes sich gesund zu spielen.“

 

In der von Ihrem Verein herausgegebenen Broschüre „ Neugeborene unter dem Einfluss von TV und Handys“ beklagen renommierte Wissenschaftler, dass allgemein der mütterliche Instinkt in Bezug auf die Säuglinge schwindet. Wie äußert sich das?

Man darf den jungen Müttern nicht die Schuld zuschieben, sondern muss die gesamtgesellschaftliche Entwicklung betrachten. Immer mehr Mütter sind  mit ihrem Baby allein. Sie fühlen sich einsam und sind isoliert, weil die Familie nicht in der Nähe ist oder keine Zeit für sie hat. Die Freunde, der Kindesvater und die Großeltern müssen viel arbeiten, um ihren Lebensunterhalt zu sichern. So findet viel weniger soziales Miteinander statt. Verständlich, dass die Mütter dann per Handy und Computer Kontakt und Unterhaltung suchen. Diese Geräte gehören ganz selbstverständlich zum Alltag, sodass praktisch niemand auf die Idee kommt, der Umgang damit könnte für das Baby schädlich sein. Das Bewusstsein in dieser Hinsicht ist noch außerordentlich gering.

Deshalb sitzen manche Mütter beim Stillen vor dem Fernseher oder sie chatten stundenlang mit dem Baby im Arm am Computer. Manche Mamas reden mehr am Handy als mit dem eigenen Kind.

 

Manche Eltern scheinen tatsächlich das Gefühl für ihre Babys verloren zu haben. Wieso?

Ja. Väter bringen Säuglinge mit zu Rockkonzerten, Mützchen für Kinder gegen Sonne oder Wind und Wetter werden einfach vergessen, die Kinderwägen sind nach vorne ausgerichtet, sodass kein Augenkontakt mehr stattfinden kann, Kinder werden zu lange in den  Autositzschalen gelassen, damit die Eltern mobil sind usw. Es gibt viele Beispiele.

Viele Eltern haben gar nicht die Chance, die Bedürfnisse ihres Babys kennen zu lernen. Wenn schon am Wochenbett im Krankenhaus der Fernseher läuft und dauernd das Handy klingelt, wird es für Mütter schwer, sich auf ihr Neugeborenes einzulassen, dessen zarte Signale zu empfangen und zu deuten. Es gibt eine Menge Ablenkungen, die es Müttern erschweren, die Bedürfnisse ihres Kindes zu erkennen.

Je mehr aber eine Mutter das Gefühl für Ihr Kind in den ersten Tagen entwickeln konnte, desto leichter fällt es ihr, die kommende Zeit und auch schwierigere Momente mit dem Kind zu meistern, sie kann die Bedürfnisse ihres Kindes besser  „lesen“.
Prof. Gerald Hüther meint dazu: “Die  vertrauensvolle Beziehung bildet die Grundlage für die gesamte weitere Entwicklung, wenn sie nicht gelingt, bleibt das Kind ängstlich und hat große Probleme, sich in der neuen Welt sicher zu fühlen. Es verliert seine Offenheit und Lernfreude. Das ist das Schlimmste, was einem Baby nach der Geburt passieren kann.“

Was ist in den ersten Tagen nach der Geburt das Wichtigste für Mutter, Vater und Kind?

In der ersten Zeit brauchen Mutter und Kind vor allem sehr viel Ruhe und sehr viel Zeit füreinander. Nur so kann sich der Säugling geborgen fühlen.
Wichtig sind jetzt besonders:  Die ungestörte Aufmerksamkeit für das Baby und der Augenkontakt zwischen Mama und Baby, also die stille Unterhaltung mit dem Kind. Manche Mütter wenden sich zu bestimmten Zeiten ganz bewusst zum Kind. Beim Stillen und bei der Pflege kann man sich fest vornehmen: „Die Zeit gehört uns beiden“ und die Telefone und den Fernseher ausschalten.

 

Was ist der Sinn der Stillzeit? Was passiert, wenn Mütter die Stillzeit für Telefonate und zum Fernsehen benutzen?

Das Stillen  ist wichtig und mehr als bloße Nahrungsaufnahme.
Stillen ist ein „stiller Moment“ der Mutter mit ihrem Kind, in dem die Bedürfnisse des Kindes „gestillt“ werden und zwar durch den Augenkontakt, die Nähe und die Hinwendung.
Wenn die Mutter durch Telefonate oder das Fernsehen abgelenkt ist, spüren die Babys, dass die Mütter nicht präsent sind, das verwirrt sie und sie werden unsicher. Sie empfangen zwei widersprüchliche Signale „Ich bin für dich da“, das spüren sie körperlich und „Ich bin nicht für dich da“, das spüren sie auf der seelischen Ebene.

 

Wie bildet sich eine vertrauensvolle Beziehung zwischen Mutter und Kind? Was ist dafür notwendig?

Dafür braucht es die Hinwendung der Mutter zum Kind. Sie muss die Sprache ihres Kindes verstehen lernen. Ihr feinfühlendes Erkennen und Erfüllen der Bedürfnisse des Neugeborenen ist gefragt und bildet die Grundlage für eine gesunde Entwicklung.

Zugewandtes miteinander Sprechen,  die  subtilen Äußerungen des Babys widerspiegeln mit der so genannten „Ammensprache“, die „Antworten“ des Kindes abwarten, wofür es eine Verlangsamung braucht, vor allem aber die liebevolle Aufmerksamkeit sind grundlegend für die Entwicklung einer stabilen Beziehung.

Auch bei etwas größeren Kindern, die schon sitzen können, sollte man den Kinderwagen richtig herum drehen, so dass die Kinder nicht ohne den Blickkontakt zur Mutter, alle Reize auf  sich zu kommen sehen und sich sogar extra verdrehen müssen um die Aufmerksamkeit der Mutter zu bekommen.

 

Inwiefern wird das Zusammen sein von Fernsehen, dem Handy und iphone gestört?

Die Medien ziehen uns alle, nicht nur die Mütter, in den Bann. Wir alle wissen, wie schwer es ist, die Aufmerksamkeit auf ein Gespräch zur richten, wenn der Fernseher läuft, das Telefon läutet und der Computer einen neue Mail meldet. Wie soll sich eine Mutter dabei auf das stille Gespräch mit dem Baby einlassen können?
Das Baby vermisst den Augenkontakt, die Zuwendung und muss stets mit Computer, Handy und Fernseher konkurrieren. Die Hinwendung und der Augenkontakt fehlen. Das ist der eine Stressfaktor.

Hinzu kommt beim Fernseher der für Babyohren unangenehme Dauerton bei 15´625 Megahertz.

 

Immer mehr Eltern benutzen iphone, Apps und Musik aus dem iphone, um ihre Kinder zum Einschlafen zu bringen und legen die Handys dazu an oder neben das Kinderbettchen. Was ist daran so falsch?

Diese Entwicklung ist fatal, denn die menschliche Stimme und Wärme sind wichtig und können als Sinneserfahrungen nicht ersetzt werden. Auch die besten Tonträger können den Hunger der kindlichen Seele nach Beziehung nie stillen.
Die Kinder suchen immer das Lebendige, sie können ganz schnell Knöpfe drücken, weil sie ja auf der ständigen Suche nach Leben sind – und sie bekommen mit der „Maschinennahrung“ dauernd Steine statt Brot, was ihre Suche noch verstärkt. Da kann ganz schnell eine Abhängigkeit entstehen. Viele Eltern meinen, ihre Kleinen seien besonders intelligent, wenn sie schon früh Apps drücken können. Das kann vermutlich jedes Äffchen. Kinder brauchen echte Sinneserfahrungen. Sie müssen eine Kuh viele Male in natura erleben, riechen, hören, fühlen – sonst ist das Bild von der Kuh eben nur eine leere Hülse, völlig wertlos.

Welche Wege gibt es mit dieser Gesamtsituation besser umzugehen?

Die Mütter brauchen ebenso wie die Babys selbst echte Kontakte, Zuwendung und viel Hilfe von einer Gemeinschaft. Frauen lieben seit jeher den Austausch mit anderen Frauen. Das Chatten am Computer ersetzt nicht das wirkliche Gespräch. Wenn junge Mütter die Möglichkeit zur Begegnung haben und selbst glücklicher sind, können sie sich einfacher ihrem Kind zuwenden.

Ein möglicher Weg aus der Isolation sind , Eltern-Kind-Gruppen und Elternschulungen, hier gilt es gut zu spüren, ob die Kinder „bespielt“ werden, ob mit ihnen „gemacht“ wird, oder ob beachtet wird, dass jedes Kind bereits alles mitbringt, und nur  eine ruhige Umgebung und viel Vertrauen braucht um sein Potential entfalten zu können. Babys, die früh bespielt wurden und die dauernd unterhalten werden wollen, werden sehr anstrengend  für die Eltern. Sie sind dann besonders gefährdet, den Ausweg darin zu suchen, Kinder vor Apparate und Apparätchen zu setzen, damit sie endlich Ruhe geben. Das ist eine Sackgasse.

Die Bedeutung der Aufmerksamkeit für Kinder und ihre Bedürfnisse in den ersten Lebensmonaten und –jahren muss man gesamtgesellschaftlich ernster nehmen, als es gegenwärtig der Fall ist. Eine friedlichere Zukunft liegt begründet in der Art und Weise, wie unsere Gesellschaft Mütter und Babys behandelt und zwar von der Schwangerschaft an.

 

In wie weit belasten Handy-Strahlen den erwachsenen und kindlichen menschlichen Organismus?

Die Strahlung ist ein Kapitel für sich. Es ist ja interessant, dass keine Versicherungsgesellschaft der Welt für die Hersteller offenbar etwaige Schädigungen durch Mobilfunk versichert. Da gibt es zwar viele Studien der Mobilfunkfirmen, die natürlich alle die Harmlosigkeit herausstreichen. Bedenken wir: Diese Firmen haben immense Summen an Geld  zur Verfügung! Lesen Sie auch das Kleingedruckte beim Kauf eines iPads? Da steht immerhin, dass Schwangere das Gerät nicht in Bauchnähe verwenden sollten.

Andere Studien zeigen längst, wie schädigend die Strahlung besonders für Babys ist. Ihr Körper ist noch viel durchlässiger. Es ist erwiesen, dass schon nach 20 Sekunden, das Blutbild sich verändert und rote Blutkörperchen verklumpen, die Salford Studie beschreibt potentielle Gehirnschädigungen durch die Öffnung der Blut-Hirn Schranke (mehr dazu unter www.diagnose-funk.org).

 

Welche Tipps geben Sie Eltern in Hinsicht auf die Benutzung von Handys?

Ärztliche Empfehlungen, um die Strahlenbelastung in der Nähe von Kindern zu reduzieren:

- Handys nur in Notfällen und nur kurz benutzen. In der Regel ganz ausschalten, da sie sonst ständig den nächsten Sendemasten anfunken.
- Handy auf keinen Fall in der Nähe des Kindes „parken“.
- Möglichst im Freien bei guter Verbindung telefonieren, Abstand vom Kind halten.
- Handys nicht in Fahrzeugen benutzen und dort vollständig ausgeschaltet lassen
- Grundsätzlich Schnurtelefon, die Strahlung von DECT Telefonen mit Basisstation sind womöglich noch stärker. Dies gilt auch für Babyphone.
- W-Lan durch Kabelverbindung ersetzen.
- Kinder nicht auf Handys und Tablets herumspielen lassen. Auch „lustig“ als Schmusetier verkleidete Tablets strahlen und müssten unbedingt verboten werden.

Frau Nüesch, wir danken Ihnen für das Gespräch!

www.spielraum-lebensraum.ch / Verein Spielraum-Lebensraum Grabs

Die Broschüre "Neugeborene unter dem Einfluss von TV und Handy" können Sie bestellen in Deutschland bei Irmgard Becker: imba-spielimpuls@gmx.de und in der Schweiz und Österreich bei Martina Lehner: martina.lehner@bluewin.ch.

 
Das Online-Portal für Eltern

Reduction reason0

NRC

Reduction reason0

NRC