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Von der kratzenden Hose ...

„Ich will es richtig machen“, das ist ein Anliegen von vielen Eltern. Meistens stellt sich diese Äußerung nicht, wenn unser Kind selig schläft, selbständig spielt oder uns liebevoll anlächelt. Die Frage, wie wir richtig erziehen, stellen wir uns hauptsächlich dann, wenn schwierige und herausfordernde Momente anklopfen. Doch wann machen wir es richtig? Wenn möglichst lange Harmonie herrscht? Wenn Kinder alle Höflichkeitsformen anwenden können? Wenn wenig Gefühlsausbrüche den Alltag bestimmen? Wenn viel gelacht und häufig geschmust wird?

Es gibt kein Handbuch für Eltern und keine Patentrezepte für richtige Erziehung. Nirgends steht konkret, wie wir es machen sollen. Das ist auch gut so, denn Familien sind so vielschichtig und einzigartig, dass kein Ratgeber der Welt dieser Vielfalt gerecht werden könnte. Drei Faktoren sind meiner Meinung nach in herausfordernden Momenten mit Kindern wichtig.

1.       Ich: Wir Erwachsenen sind DER zentrale und entscheidende Teil der Interaktion, den es unbedingt mit zu berücksichtigen gilt. Wie geht es mir gerade? Habe ich Kraft, Energie, Zeit und Präsenz für diesen Konflikt? Dieses Gespräch? Diese Frage? Diese Situation?

2.       Kind: das Kind als Gegenüber steckt in einer bestimmten Entwicklungsphase, es hat Gefühle, Bedürfnisse, sein Temperament, seine Rolle in der Familie, seine aktuelle Lernaufgabe…

3.       Die Situation: Herrscht Zeitdruck? Gibt es Zuschauer? Ist gerade zu viel/zu wenig los? Sind noch andere Kinder da, die etwas benötigen? Ist es morgens oder abends? Stehen Übergänge an oder ist alles im alltäglichen Fluss?

Je nachdem, wie diese drei Punkte aufeinander treffen, gibt es unterschiedliche und eine Vielzahl an Lösungen.


Beispiel:

Der 5-jährige Jonas ist sensibel und spürt aktuell jede Naht von Kleidung auf seiner Haut. Viele Kleidungsstücke zwicken oder sind unbequem. Außerdem ist er altersbedingt in der Autonomiephase und möchte möglichst viel selber entscheiden. Die bereits abends vorbereiteten Anziehsachen passen Jonas heute Morgen gar nicht. So kommt es, dass er kurz vor Abfahrt missmutig wieder in Unterwäsche dasteht. Jonas Mama Anna muss gleich los. Sie muss Julius zur Schule fahren, dann Jonas in den Kindergarten bringen und danach sofort zur Arbeit.

Richtige Lösung 1: Anna ist ausgeschlafen, geduldig und kindorientiert: Sie weiß, dass Jonas das nicht mit Absicht macht. Sie kennt ihn und hat sich auf die Situation innerlich vorbereitet. Liebevoll kniet sie sich zu ihrem Sohn, schaut ihn an und sagt, dass er nochmal schnell zu seinem Schrank flitzen soll, um sich ein neues Outfit rauszusuchen.  Jonas macht das und kommt freudestrahlend in seinem Superman- Kostüm zurück. Anna steckt vorsorglich noch Alltagskleidung in die Kindergartentasche und sie fahren los.

Richtige Lösung 2: Anna hatte eine unterbrochene Nacht, zusätzlich sind sie später dran als die Tage zuvor. Heute hat sie weniger Geduld für Jonas Anliegen. Da er sich bereits zum zweiten Mal vollständig auszieht, bringt sie ihm neu ausgesuchte Kleidung und sagt mit dem Blick auf die Uhr klar und deutlich, dass er bitte mit der Hose zurechtkommen soll, da keine Zeit für eine weitere Variante sei. Jonas ist mit der Wahl der Kleidung nicht so zufrieden und steigt etwas geknickt ins Auto.

 

Richtige Lösung 3: Jonas hat gestern seinen ersten Zahn verloren. Heute ist er dünnhäutiger und nichts stimmt. Das Brot hätte nicht in der Mitte durchgeschnitten werden dürfen, der Lieblingspullover ist in der Wäsche und Anna hat heute einen wichtigen Geschäftstermin, den sie bereits jetzt gedanklich durchgeht. Sie hat heute keine innere Kapazität, auf Jonas näher einzugehen, zum Glück kann Papa sich um Jonas kümmern. Jonas braucht aber gerade heute unbedingt seine Mama. Anna erklärt Jonas, dass sie gerade keine Zeit und keinen Kopf habe, sich um sein Anliegen zu kümmern, dass er mit Papa die heutigen Klamotten raussuchen solle. Das passt Jonas gar nicht, er weint und bleibt im Schlafanzug. Die Eltern entscheiden, dass er heute nicht in den Kindergarten gehen muss. Er darf bei Papa zuhause bleiben, der ihn tröstet und mit ihm überlegt, was sie als Nächstes machen möchten.

 

Es gibt noch mehr mögliche Lösungen. Alles, bei dem Kinder nicht zu Schaden kommen (Gewalt, Vernachlässigung) sind mögliche Optionen. Es gibt nicht nur eine richtige Lösung. Wie in dem Beispiel oben, gibt es viele richtige Lösungen. Je nachdem, wie wir Eltern, das Kind und die Situation aktuell aufeinandertreffen.

 

So wird Anna sich die nächsten Wochen zwischen den Lösungen 1 und 3 hin und her bewegen und noch weitere Lösungen dazu entwickeln. Mal gelingt es Anna und Jonas besser, mal schlechter, mit der Anzieh- Situation umzugehen. Wichtig ist, dass die Verantwortung für unser Handeln immer bei uns Erwachsenen liegt. Auch dass Anna Jonas gegenüber mal genervt und lauter wird kann vorkommen. Auch das ist menschlich. Wir haben dann die Verantwortung, unser Verhalten zu uns zu nehmen und uns beim Kind zu entschuldigen. Wenn wir merken, dass uns häufig die Kraft, Zeit, Energie und Präsenz im Kontakt mit unserem Kind fehlt, dann dürfen wir den Blick weiten und prüfen, ob es an der einen oder anderen Stelle etwas zu verändern gilt. Denn je mehr Kapazität wir für die Lernaufgaben unserer Kinder zur Verfügung haben, desto leichter und schneller wird diese Phase abgeschlossen sein und wir sind bereit, miteinander die nächste Aufgabe anzugehen und zu bewältigen.

 

Wie also ist die Antwort auf die Frage, wie richtiges Erziehen geht? Meiner Meinung braucht es kein richtig. Es braucht eine menschliche Antwort. Sei bei dir und bei deinem Kind. Schau, was du brauchst und schau, was dein Kind braucht und dann suche für diesen Moment nach einer Lösung.  Wenn dir das gelingt, dann machst du vieles richtig.

Corinna Muderer
Räume für Menschen

 
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