Margarete Ostheimer GmbH
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Deutschland
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Ene, mene, mu – und raus bist du!
Hinter dem Rücken tuscheln, auslachen und ausgrenzen: Kinder gehen manchmal nicht gerade zimperlich miteinander um. Und die Grenzen zwischen harmloser Zankerei und Mobbing sind oft fließend...
„Da kommt die schon wieder!“, stöhnt Lisa und zwinkert ihrer Freundin Britt zu. Die lacht laut und ruft: „Wie die wieder aussieht mit ihrem altmodischen Kleid!“ „Wie ne Oma!“, spielt Lisa den Ball weiter. Unsicher nähert sich Sonja den beiden Mädchen. Als sie merkt, dass diese über sie lachen, dreht sie sich um, läuft weg und verkriecht sich in einer Ecke des Schulhofs. Niemand soll sie weinen sehen. Die Siebenjährige versteht die Welt nicht mehr. Gestern hat sie doch noch so schön mit Lisa und Britt gespielt! In der nächsten Pause fasst Sonja sich ein Herz. Sie geht auf die beiden Mädchen zu und schlägt vor: „Wollen wir Fangen spielen?“ Da schreit Lisa sie an: „Ja, aber ohne dich!“ „Warum denn nicht?“, fragt Sonja – schon wieder den Tränen nahe. „Weil du doof bist. Und nun hau ab!“, schimpft Britt. Sonja ist fassungslos und so schockiert, dass sie mit niemandem darüber reden mag – noch nicht mal mit ihrer Mama.
Dies ist leider kein Einzelfall. Und das Phänomen Mobbing ist nicht neu. Zu allen Zeiten wurden Kinder von anderen Kindern gequält. Neu ist nur das Wort. Mobbing kommt von „to mob“ aus dem Englischen und heißt übersetzt „anpöbeln“. Gemobbt wird aber nicht nur in der Welt der Großen – in Büros und Fabrikhallen, in Behörden und Krankenhäusern.
Mobbing macht auch vor Schultoren nicht Halt. Schon die Jüngsten leiden unter Ausgrenzung und Beschimpfung durch Klassenkameraden. „Mobbing kommt in allen Schultypen und in allen Schichten vor. Nur 50 Prozent aller Eltern erfahren davon und nur 33 Prozent der Lehrer. Jungen sind häufiger betroffen als Mädchen“, weiß die Psychotherapeutin Dr. Jo-Jacqueline Eckardt, die in Berlin als Eltern-, Mobbing- und Trauerberaterin arbeitet. Sie beschreibt das typische Mobbingopfer: „Auffällig ist auf jeden Fall, dass es entweder körperlich unterlegen oder so isoliert ist, dass die Angreifer keine Konsequenzen zu fürchten haben.“ Das Schlimme: Es bleibt leider in den seltensten Fällen bei einer einmaligen Aktion. Ein Kind, das einmal ausgegrenzt wurde, wird oft erneut zur Zielscheibe – vor allem, wenn es sich aus Angst zurückzieht.
Anzeichen, die auf Mobbing hinweisen
Oft bekommen Eltern es noch nicht einmal mit, wenn ihr Kind gemobbt wird. Doch es gibt typische Veränderungen im Verhalten, die auf mögliches Mobbing hinweisen können. Dr. Eckardt zählt sie auf:
Das Kind klagt, dass es ausgelacht wird und dass niemand es mag.
Es verliert angeblich immer wieder persönliche Dinge oder kommt mit kaputten Sachen nach Hause.
Es geht nicht mehr gern zur Schule und bleibt nachmittags am liebsten zu Hause.
Es schläft schlecht, hat keinen Appetit, klagt über Kopfweh oder Bauchschmerzen.
Das Kind wird nicht eingeladen und lädt selbst auch keine Klassenkameraden mehr ein.
Seine Schulleistungen sinken plötzlich ab.
Es erscheint mutlos, schüchtern, ängstlich und unsicher.
Was Mobbing-Opfer dringend brauchen
Mobbing ist ein schleichender Prozess, und es baut sich auf. Die Schikanen werden dann immer schlimmer und offensichtlicher. „Die anderen Kinder, die anfangs einfach nur zugeschaut haben – froh, nicht selbst Opfer zu werden -, ziehen sich vom betroffenen Kind zurück. Es fühlt, dass es immer stärker isoliert ist und nicht auf Hilfe zählen kann“, erklärt Dr. Eckardt. „Im schlimmeren Fall schließen sich die anderen sogar den Mobbern an und machen mit bei den Schikanen. Es ist kein Ende in Sicht.“ Die Psychotherapeutin rät Eltern: „Zeigen Sie Verständnis und bauen Sie Vertrauen auf. Es ist wichtig, das Kind zu stärken und ihm Schutz zu geben. Vorwürfe, warum es nicht früher etwas gesagt oder warum es sich nicht gewehrt hat, sind fehl am Platz. Gemobbte Kinder sind nämlich immer überfordert. Sie haben Angst und wissen sich nicht zu wehren. Helfen Sie Ihrem Kind, sein angeknackstes Selbstbewusstsein wieder aufzubauen. Es braucht Erfolgserlebnisse bei Sport, Spiel und Hobby sowie Freundschaften und Beziehungen zu vertrauten Personen. Hilfreich sind eine gute Körperhaltung und eine feste Stimme, auch Yoga und Kampfsportarten – und vor allem viel Zeit und Liebe.“
So können Eltern und Lehrer helfen
Aus ihrer langjährigen Beratungstätigkeit heraus hat Dr. Eckardt wichtige Tipps für Eltern und Lehrer entwickelt:
Wichtig ist für Kinder die ermutigende Botschaft: Meine Eltern stehen hinter mir und setzen alles daran, mir zu helfen.
Hilfreich ist es, bevor Mütter und Väter die Eltern der Mobber oder den Klassenlehrer einschalten, einmal genau zu analysieren: Wer sind die Mobber? Wie und wann hat das Mobbing begonnen? Welche Klassenkameraden stehen auf der Seite des gemobbten Kindes? Wie hat das Kind bisher reagiert? Welche Motive könnten hinter dem Mobbing stecken?
Viele Schulen haben mittlerweile Streitschlichter. Denn Konflikte können oft mit Hilfe Außenstehender besser gelöst werden. Ziel einer solchen Streitschlichtung ist, die gemeinsamen Interessen herauszustellen und auf beiden Seiten Verständnis für die andere Partei zu schaffen.
Eltern sollten den Klassenlehrer um ein Gespräch bitten und das Thema möglichst neutral benennen, etwa so: „Ich mache mir Sorgen um mein Kind. Es fühlt sich seit einiger Zeit von anderen Kindern bedrängt. Darüber würde ich gern mit Ihnen sprechen.“
Weitere mögliche Ansprechpartner auf Klassenebene sind die anderen Eltern. Wenn sie sich untereinander kennen, stehen die Chancen gut, dass sich die positive Atmosphäre auf die Kinder überträgt. Vielleicht ist zum Thema Mobbing auch ein Elternabend möglich.
Lehrer könnten durch Gespräche im Unterricht das Thema aufgreifen und nach Konfliktlösungen suchen. Wichtig ist, die Tat zu ächten, aber nicht die Täter. Diese sollten vielmehr dazu gebracht werden, Verantwortung zu übernehmen und zu versprechen, in Zukunft Mobbing zu unterlassen.
In der Klasse könnten Rollenspiele hilfreich sein. Das Vertauschen von Rollen hat auch den Nebeneffekt, dass die verschiedenen Seiten die andere Seite besser verstehen lernen.
Es müssen klare Umgangsregeln definiert werden. Und Mobbing muss bestimmte Konsequenzen nach sich ziehen. Wichtig ist, dass alle hinter den Regeln stehen und sie verinnerlichen. Den Kindern sollte klar gemacht werden, dass ein Eingreifen und Hilfeholen verantwortliches Handeln ist und nichts mit Petzen zu tun hat.
Schon bei kleineren Vergehen wie Benutzung von Schimpfwörtern und Beleidigungen sollte eingeschritten werden, und zwar zu Hause und in der Schule. Wenn Eltern und Lehrer sich in diesem Punkt einig sind, ist dies natürlich leichter durchzusetzen.
Dr. Jo-Jacqueline Eckardt
Mobbing bei Kindern - Erkennen, helfen, vorbeugen
130 Seiten, Urania Verlag
Der fundierte Ratgeber erklärt anschaulich, worum es bei Mobbing in der Schule geht und wie Eltern ihrem Kind helfen können, die Situation zu bewältigen und Selbstbewusstsein aufzubauen. Das Buch enthält viele Fallbeispiele sowie wertvolle Tipps für die Zusammenarbeit mit der Schule und Gespräche mit anderen Eltern.
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