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Erste Probleme - Wie Sie den Alltag mit dem Baby meistern

Eine entwicklungspsychologische Beraterin von pro familia erzählt über Anfangsschwierigkeiten und wie Eltern diese mit etwas Hilfe überwinden können.

"Die Aufgabe in den ersten Lebenswochen besteht für Eltern darin, herauszufinden, was dem Baby fehlt, wenn es schreit. Vielleicht steckt Hunger dahinter, Müdigkeit, Unwohlsein, aber auch Langeweile, ein Zuviel an Anregungen oder das Bedürfnis nach Nähe."

Stefani Brenner, Jahrgang 1959, ist Sozialpädagogin und systemische Beraterin. Sie arbeitet als Schwangerenberaterin und entwicklungspsychologische Beraterin bei pro familia in Stuttgart und ist Ansprechpartnerin für Eltern, die im alltäglichen Umgang mit ihrem Baby oder Kleinkind verunsichert sind.

 

Worauf zielt Ihr Beratungskonzept ab?

Basierend auf den neuesten Erkenntnissen der modernen Säuglingsforschung sowie der Bindungsforschung zielt das Konzept darauf ab, junge Eltern dabei zu unterstützen, eine sichere Bindung zu ihrem Säugling aufzubauen. Viele Studien zeigen, dass es sich auf den weiteren Entwicklungsverlauf positiv auswirkt, wenn Babys die Erfahrungen machen, dass ihre Bedürfnisse zeitnah und angemessen erfüllt werden.

Dies setzt voraus, dass Mütter und Väter ihr Baby genau beobachten: Wie verhält es sich, wenn es müde wird oder hungrig ist?  Wie gibt es uns zu erkennen, wann es beschäftigt werden möchte? Die Kleinen zeigen ihre Bedürfnisse, aber nicht immer deutlich. Herauszubekommen, warum das Baby schreit, stellt Eltern oft vor eine große Herausforderung. Vor allem, wenn es die Nacht zum Tage macht. Wir zeigen Eltern, wie sie die Signale ihres Babys erkennen und so eine bessere Kommunikation ermöglichen können.

Vertrauen Eltern heute nicht mehr ihrer Intuition?

Die meisten Mütter und Väter haben vor der Geburt ihres ersten Kindes ein Studium oder eine Ausbildung absolviert und dann im Berufsleben erste Erfahrungen gemacht. Sie sind es gewohnt, Ziel orientiert zu arbeiten. Was sie sich vornehmen, klappt, weil sie vorausschauend planen und ihren Arbeitsalltag strukturieren. Der Alltag mit einem Baby jedoch ist Lichtjahre vom Berufsleben entfernt. Junge Eltern haben keine Vorstellung, wie anstrengend und Kräfte zehrend der Umgang mit einem so kleinen Wesen sein kann. Viele machen sich schlau und lesen alles über Babypflege, Stillen und die Entwicklung des Säuglings. Aber dann wird ihnen klar, dass zwischen Theorie und Praxis Welten liegen. Sie zweifeln an sich selbst, wenn sie ihr schreiendes Baby nicht beruhigen können, so sehr sie sich auch bemühen. Und irgendwann vertrauen sie dann nicht mehr auf ihre Intuition. Vor allem Mütter, die sich den ganzen Tag um ihr Baby kümmern, sind oft völlig ratlos. So hatten sie sich das alles nicht vorgestellt.

Können Sie ein Beispiel aus Ihrer Beratungspraxis nennen?

Ja, ich denke an Britta, 29 Jahre, und ihren zwei Jahre älteren Mann Kai. Die beiden sind vor gut zwei Monaten Eltern geworden. Der kleine Luis ist ein Wunschkind. Aber als Britta zu mir kam, wirkte sie wie ein Häuflein Elend.

Vor der Geburt arbeitete sie als Personalleiterin. Kai ist Informatiker und tagsüber in der Firma. Nun ist Britta den ganzen Tag mit ihrem Baby allein zu Hause. Eltern und Schwiegereltern wohnen in Karlsruhe und können nicht eben mal vorbeischauen und bei der Betreuung ihres Enkelkindes mithelfen. Britta fühlt sich schlecht, weil die nicht in der Lage ist, den kleinen Luis zu beruhigen. Und weil sie alle zwei Stunden stillt und entsprechend wenig schläft, kommt sie kaum noch zu sich selbst. Britta plagen Selbstzweifel, Versagensängste und Schuldgefühle gegenüber ihrem Baby. Sie kann den kleinen Luis nicht mehr richtig genießen, hat das Gefühl, nur noch zu funktionieren. Und selbst das klappt nicht. Zum Glück riet die Hebamme Britta zu einem Besuch bei pro familia. Denn sie war mittlerweile mit ihren Kräften am Ende.

Warum kommt es soweit, und warum sind junge Eltern oft so unsicher?

Nach der Geburt eines Babys ist zunächst einmal alles anders. Die Kleinen haben noch keinen geregelten Schlaf-Wach-Rhythmus, sie werden oft alle zwei Stunden angelegt, manche schreien übermäßig viel. Doch das erzählt einem niemand. In der Werbung wird uns meistens das Bild der strahlenden glücklichen Mutter präsentiert, die in allem perfekt ist und topp gepflegt mit ihrem Baby auf dem Arm in die Kamera lächelt. Hinzu kommt: Junge Mütter haben heute kaum noch Gelegenheit mitzubekommen, wie Babys aufwachsen. Denn dann wüssten sie, dass Schreien einfach dazu gehört. Zu Zeiten der Großfamilien hatten es junge Mütter selber einige Male mitbekommen – durch jüngere Geschwister, durch Nichten und Neffen, die mit im Hause lebten. Und es war außer Mutter und Vater immer jemand zur Stelle, der das schreiende Baby mal in den Schlaf wiegen konnte. Schreien gehört zum Reife- und Anpassungsprozess dazu. Ein Baby kann sich ja noch nicht anders mitteilen. Die Aufgabe in den ersten Lebenswochen besteht für Eltern darin, herauszufinden, was dem Baby fehlt. Vielleicht steckt Hunger dahinter, Müdigkeit, Unwohlsein, aber auch Langeweile, ein Zuviel an Anregungen oder das Bedürfnis nach Nähe.

Sind Mütter, wenn sie zu ihnen kommen, nicht schon fast am Limit?

Ja, aber zum Glück müssen Eltern nicht lange auf einen Termin warten. Innerhalb von zwei Wochen lässt sich da schon etwas regeln. Die meisten Mütter sind ziemlich erschöpft. Sie plagen Selbstzweifel und Versagensgefühle und sie können ihr Baby gar nicht mehr richtig genießen. Bei einer Anamnese erhebe ich die Vorgeschichte: Wie verliefen Schwangerschaft und Geburt? Wie ist das familiäre Verhältnis? Gibt es ein Netzwerk wie Verwandte, Freunde, Nachbarn, die sich einmal mit um das Baby kümmern könnten? Welche Vorstellungen hatten die jungen Eltern vor der Geburt vom Alltag mit einem Baby? Wie empfinden sie die Belastung jetzt? Die junge Mutter soll dann selber einschätzen, wo sie auf einer Belastungsskala von 0 bis 10 steht. Viele, so wie Britta, spüren, wie hoch belastet sie sind, und siedeln sich irgendwo zwischen 7 und 8 an, manche noch höher.  Mit Einverständnis der Eltern mache ich dann Videoaufnahmen, etwa wenn die Mutter gerade ihr Baby wickelt. Und dann suche ich ein Einzelbild heraus, das eine besonders schöne Sequenz mit sehr viel Zuneigung zwischen Mutter und Baby widerspiegelt. Bei Britta und Luis war es zum Beispiel eine Situation am Wickeltisch.

Die beiden hatten Blickkontakt und strahlten sich an, Britta beugte sich gerade zum Gesicht ihres Babys herunter. Das zeigte ich ihr beim unserem nächsten Treffen. Erschöpfte Mütter haben oft ausgeblendet, dass es auch wunderschöne Momente mit ihrem Baby gibt. Und sie sind oft zu Tränen gerührt, wenn ich ihnen ein Bild zeige, auf dem ihr Kleines ganz anders ist und auf dem auch sie entspannt und glücklich wirken.

Warum sind solche positiven Bilder so wichtig?

Wir betrachten das Bild gemeinsam, schauen uns alles genau an: Wie liegt das Baby? Was macht es mit seinen Ärmchen und Beinchen? Wo guckt die Mama hin? Was macht sie? Wie unterstützt sie ihr Baby? Diese schönen Momente, in denen Mutter und Kind im Einklang miteinander sind, nehmen Mütter im Alltag oft nicht mehr wahr. Und genau da wollen wir ansetzen, indem wir der Mutter durch das Bild vermitteln: Schau nur, wie gelöst ihr beide ausseht und wie liebevoll euer Kontakt ist! Warum ist das so? Was ist gut gelaufen? Ich bitte die Mütter auch, mir ihren Tagesablauf zu schildern: Wie oft legt sie ihr Baby an? Was macht sie, wenn es schreit? Was hat geholfen und was nicht? Gibt es Möglichkeiten, mal eine kurze Auszeit vom Baby zu nehmen?

Was geben Sie den Müttern zunächst mit auf den Weg?

Am Anfang geht es vor allem darum, den Tag einigermaßen gut zu bewältigen und die leeren Akkus wieder aufzuladen. Da helfen oft schon kleine Schritte. Viele Mütter müssen lernen, im Haushalt mal alle Fünf gerade sein zu lassen. Wichtig ist, tagsüber öfter zur Ruhe zu kommen und sich zum Beispiel hinzulegen, wenn das Baby schläft. Der Haushalt sollte Nebensache sein. Manches kann auch der Mann am Abend erledigen. Und wenn der Familienetat es erlaubt, könnte Putzen, Waschen und Bügeln von einer Reinigungskraft übernommen werden. Wichtig ist auch, dass eine Mutter mal wieder durchschläft. Sie könnte die Milch abpumpen und den Vater nachts das Baby versorgen lassen.

Für Britta war ihre Mutter aus Karlsruhe die Rettung. Denn die kam für eine Woche und kümmerte sich um Luis. Dies ist natürlich ideal. Denn Mütter brauchen oft selber ein wenig Bemutterung.

Wie geht es mit der Beratung weiter?

Ich frage die Mutter nach Einzelheiten wie: Wo schläft das Baby tagsüber? Was wurde ihm angezogen? Wie reagiert sie, wenn es unruhig und quengelig ist? Oft schreien die Kleinen sich in Rage, weil ihre Signale nicht richtig gedeutet wurden. Sie brauchen vielleicht Ruhe, werden aber immer wieder aufgenommen. Die Mutter spaziert dann mit ihrem Baby auf dem Arm durch die Wohnung, zeigt ihm die tickende Uhr, das Fensterbild, die Blumen auf dem Tisch, das Mobile über dem Bettchen. Das alles wird dem Kind zuviel, und es schreit noch heftiger als vorher. Mit unserer Unterstützung lernen Mütter, auf die Müdigkeitssignale ihres Babys zu achten. Da reicht es oft schon, das Kleine eingewickelt in eine leichte Wolldecke aufs Sofa zu legen, sich zu ihm zu setzen, die Hand aufs Bäuchlein zu legen oder es sanft zu streicheln. So lernen die Kleinen, sich allmählich selber zu regulieren und ohne Hilfe zum Schlaf zu finden. Wenn Babys müde werden, wenden sie oft den Blick von ihrer Mama weg. Wenn es der Mutter gelingt, auch auf solche Feinzeichen zu achten und entsprechend zu reagieren, ist schon viel gewonnen.

Zum genauen Beobachten des kindlichen Verhaltens brauchen Eltern natürlich Zeit und Geduld. Schön ist die Erfahrung, dass wir schon nach wenigen Sitzungen eine Reihe von Lösungsmöglichkeiten gefunden haben. Im Prinzip ist es ganz einfach: Wir machen Müttern und Vätern Mut, wieder mehr auf ihre Intuition zu hören und sich durch Bücher und Berichte in Zeitschriften nicht verunsichern zu lassen. Denn es sind immer Mutter und Vater, die ihr Kind am besten kennen.

Ist es nicht oft so, dass vor allem Mütter sich verunsichern lassen, wenn sie von anderen hören, wie super alles mit ihrem Kind läuft?

Ja, und das ist schlimm. Mütter versuchen manchmal unbewusst, sich gegenseitig zu übertreffen: Meiner schläft schon durch. Oder: Mein Baby kann schon krabbeln. Babykurse, bei denen Mütter ja eigentlich in Kontakt miteinander kommen sollten, sind also nicht immer zu empfehlen. Natürlich ist grundsätzlich nichts dagegen einzuwenden, wenn Eltern sich auch in Kursen informieren oder wenn Mütter diese Angebote nutzen, um aus ihrer Isolation herauszukommen. Aber sobald das dort Vermittelte und Erfahrene zum Dogma wird, finde ich es schwierig und grenzwertig. Denn ein eventuelles Scheitern verunsichert Eltern dann noch mehr.

Hinzu kommt: Solange ein Baby noch keinen festen Rhythmus hat, sind Termine wie Pekip oder Babymassage oftmals weiterer Stress für Mutter und Kind. Zusätzlich belastend wäre es, ein sowieso unruhiges Kind aus dem Schlaf zu nehmen und zum Babykurs zu fahren. Wenn sich der Alltag mit dem Baby auf einen gewissen Rhythmus eingependelt hat, kann die Mutter nach Kontaktmöglichkeiten mit anderen Frauen in der gleichen Situation suchen.

Und die findet sie dann in Baby- und Müttertreffs. Für Babys ist es aus entwicklungspsychologischer Sicht von Vorteil, wenn sie Kontakt zu anderen Babys haben. Wichtig ist aber, dass Mütter sich hin und wieder Zeiten für ihre eigenen Interessen nehmen, ihrem Hobby wieder nachgehen oder sich mit Freundinnen treffen. Das sind kleine Tankpausen, in denen sie ihre Batterien wieder aufladen kann. Auch einmal ein Abend oder Wochenende zu zweit mit dem Partner wirkt Wunder. Die meisten Großeltern sind bestimmt bereit, die junge Familie dabei zu unterstützen. Und noch eines: Förderung durch Kurse brauchen Kinder im ersten Lebensjahr nicht. Die beste Förderung sind liebevolle Eltern, die mit ihrem Kind lachen, erzählen und singen. Wichtig ist auch eine Umgebung, in der das Baby seine neuen Fertigkeiten einüben kann, zum Beispiel Robben, Krabbeln oder sich an Möbeln hoch ziehen. Dazu gehören zum Beispiel Räume, die nicht mit allem möglichen voll gestopft sind, sondern dem Kind freie Bahn für seine kleinen Entdeckungsreisen bieten.

Frau Brenner, wir danken Ihnen für das Gespräch!

Das Interview führte Jette Lindholm für unsere Redaktion.

Infos
www.profamilia.de

 
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