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Offen bleiben

Wenn wir Menschen etwas erleben, sortieren wir unsere Erfahrungen gerne in bereits bestehende Schubladen ein. Diese haben sich im Laufe unseres Lebens entwickelt – durch eigene Erfahrungen, Beobachtungen, Interpretationen und Geschichten. Es ist völlig menschlich, normal und okay, Schubladen zu haben. Sie vereinfachen und dienen der Orientierung. Ich finde es allerdings wichtig, sich ihrer Existenz, Subjektivität und Wirkung bewusst zu sein. Hilfreich ist es auch, die Kommode, in der die Schubladen stecken, regelmäßig zu erweitern und zu vergrößern. Entrümpeln schadet auch nie. Heute will ich dazu einladen, die Schubladen offen stehen zu lassen. Ich lade dich dazu ein, offen dafür zu bleiben, dass irgendwas ganz anders ist/läuft als du bisher dachtest.

 

Ein paar Beispiele:

 

Lotte dachte: Eltern von Babies sind immer müde. Erlebt hat sie etwas ganz anderes. Ihr Baby schlief bei ihr am/im Bett, sie musste nie aufstehen. Manchmal reichte es, wenn sie ihrem Baby mit einer Berührung signalisierte, dass sie da ist und das Baby schlummerte weiter. Lotte war nur zweimal so richtig müde während der Babyzeit. Einmal, weil ihr Baby krank war und gar nicht schlafen konnte. Und einmal, weil sie lange tanzen war.

 

Marion dachte: Scheidungen verlaufen immer sehr konfliktbehaftet. Erlebt hat sie etwas ganz anderes: sie und ihr Mann trennten sich und gingen den gesamten Trennungsweg liebe- und respektvoll miteinander um. Sie trafen gemeinsam gute Entscheidungen für ihre gemeinsamen Kinder. Sie verstehen sich immer noch sehr gut.

 

Benita dachte: Geschwister zu haben bedeutet für das einzelne Kind Mangel zu erleben. Als sie selbst Mama von zwei Kindern wurde, hat sie erlebt, dass die Geschwisterbeziehung ein Geschenk für ihre beiden Kinder ist. Diese Beziehung ist nicht immer harmonisch, doch sie ist tief, echt und lebendig.

Natürlich kann es auch andersherum laufen: Elisa dachte immer, alle Kinder fahren gerne Auto und schlafen dabei ein. Ihre Kinder fanden Autofahren allerdings gar nicht gut, sie weinten und wehrten sich. Es blieb ihr nichts anderes übrig als die Situation anzunehmen wie sie ist und sich nach Alternativen umzusehen.

 

Wenn wir Eltern werden, strömt eine bunte Welle an neuen Erfahrungen in unser Leben; diese können uns bereichern und dazu beitragen, dass wir uns weiterentwickeln, wenn wir das zulassen. Dazu braucht es vielleicht ein bisschen Mut, denn wir geben ein Stück vermeintliche Sicherheit auf, wenn wir uns ganz offen auf neue Situationen einlassen. Doch es lohnt sich - das Leben wird so vielleicht noch bunter und vielfältiger als wir dachten.

 

Im Kontakt mit unseren Kindern können wir auch darauf achten, dass die Schubladen unserer Kinder flexibel bleiben. Das vermitteln wir zum einen indem wir selbst vorleben, in unserem Denken und Handeln flexibel und fließend anstatt eng und starr zu sein. Und auch mit unserer Sprache transportieren wir Offenheit, wenn wir zum Beispiel über ein Erlebnis sprechen und sagen „Ich hab das so erlebt...und du?“ oder wenn wir uns für die Sicht unseres Kindes offen interessieren „Wie siehst du …? Was denkst du über …?“. Und wenn wir bemerken, dass es vielleicht schon Schubladen entwickelt hat, können wir diese gemeinsam mit dem Kind im Gespräch achtsam öffnen und schauen, ob es noch alternative Sichtweisen gibt. Dabei geht es nicht darum, die des Kindes für falsch zu deklarieren und durch eine vermeintlich richtige zu ersetzen. Es geht viel mehr darum zu entdecken, dass es ganz viele bunte Sichtweisen gibt und dass man sich gar nicht für eine entscheiden muss.

Zwei Beispiele:

Merle (8 Jahre) denkt bisher, dass jeder Mensch nur einen besten Freund haben kann. Manchmal macht ihr das Kummer, wenn ihre Freundin Sandra mit einem anderen Kind spielen mag. Ihr Papa überlegt mit ihr gemeinsam, ob es nicht auch möglich ist, viele Menschen sehr gern zu haben und zu jedem von ihnen eine ganz individuelle, besondere Verbindung zu haben. Sie überlegen Beispiele und sie erkennen: für jeden Freund gibt es sozusagen eine Extraportion Freundschaftsgefühl mitgeliefert. Keinem anderen wird etwas weggenommen. Merle ist ganz erleichtert, sie mag Tom nämlich genauso gern wie Sandra.

 

Lasse (6 Jahre) denkt, als Junge muss er Fußball mögen. Die Jungs aus seiner Klasse spielen gerne Fußball in der Pause. Er selbst klettert aber eigentlich viel lieber, und auch sein Freund Tobi spielt eigentlich viel lieber in seiner Höhle mit seinen Spielsachen. Weil sie aber dazugehören wollen, spielen sie oft mit beim Pausenfußball. Beide sind ein wenig gefrustet deswegen. Tobis Mama überlegt mit den beiden beim Mittagessen, dass jeder etwas anderes gut kann und mag und wie schön bunt und vielfältig die Welt dadurch ist.

Wann hast du das letzte Mal etwas ganz anders erlebt als du dachtest? Wo möchtest du mal bewusst in die Welt schauen, ob es alternative Sichtweisen zu deiner gibt? Wessen Sichtweisen möchtest du gerne mal kennenlernen? Und was denkst du, welche Lebenswege zu welchen Schubladen führen?

 

Viel Freude beim öffnen & entdecken!

 

Hanna Articus

Räume für Menschen

 
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