Margarete Ostheimer GmbH
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Deutschland
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Im familiären Alltag reiht sich ein bunter Moment an den nächsten. Jemand findet einen schönen Stein und schenkt ihn seinem Bruder, ein Elternteil packt den Rucksack für den Kindergarten, das Glas Milch fällt nochmal um, ein Kind kann plötzlich Schuhe binden, es geschieht für ein paar Minuten gar nichts, das Telefon klingelt während alle Töpfe gleichzeitig brodeln, ein Kind muss ganz dringend aufs Klo, die Mama auch, der Sohn erzählt denselben Witz aus dem Kindergarten schon das 35. Mal, ein Kind hält einem Elternteil einen Ast aus dem Garten unter die Nase und sagt „riech mal“, ein Kind ist wütend, weil es irgendetwas auch mal wollte und knallt trotzdem nicht mit der Tür und keiner bekommt es mit, ein Kind teilt seinen Keks und das andere weint trotzdem, weil es lieber einen ganzen wollte. So geht es den ganzen Tag, jeden Tag, viele Jahre lang. Das ist vielfältig, anstrengend und wunderbar. In vielen dieser familiären Augenblicke sind mehrere Menschen involviert, und meistens fühlen sich die einzelnen Momente für jeden Beteiligten unterschiedlich an. Stolz, Freude, Langeweile, Überforderung, Wut, Neugier, Trauer – all diese Gefühle sind Botschafter, die uns etwas darüber sagen, wie wir die aktuelle Situation empfinden und interpretieren. Grundsätzlich finden Gefühle in uns statt, durch Mimik und Ausdruck ist aber auch für andere Menschen ersichtlich, was in uns vorgeht.
Kinder fühlen zunächst ganz und gar und identifizieren sich im jeweiligen Moment mit ihren Empfindungen. Für eine gesunde emotionale Entwicklung fassen emotional reife Erwachsene diese inneren Zustände für sie in Worte „Du fühlst dich traurig, du wolltest ein Eis und ich habe nein gesagt“ oder „Du willst nicht, dass Tina deine Schaufel nimmt. Dass sie es trotzdem macht, ärgert dich“.
Noch prägender als die verbale Begleitung der Kindergefühle wirkt, was die Erwachsenen den Kindern durch ihre eigene Selbstregulation vorleben. Bei den Erwachsenen in ihrem Umfeld schauen sie sich ab und ahmen nach, wie Gefühle interpretiert, reguliert und gegebenenfalls beantwortet werden. Wenn Kinder entwicklungsförderlich begleitet werden, machen sie im Laufe ihrer Kindheit unzählige Male die Erfahrung, dass Gefühle kommen und gehen und hilfreich sind im Umgang mit den vielseitigen Situationen des Lebens. Sie erkennen, dass sich ein Mensch in dem einen Moment traurig und im nächsten Moment fröhlich fühlen kann oder sogar beide scheinbar widersprüchlichen Gefühle gleichzeitig empfinden kann. Sie erleben, dass es in vielen Situationen keiner Handlung oder Reaktion bedarf, die Gefühle fließen einfach durch uns Menschen hindurch und helfen uns, mit den Widrigkeiten des Lebens umzugehen.
Mit zunehmendem Alter der Kinder unterstützen Erwachsene das Kind dabei zu reflektieren und zu erkennen: Was sagt mir mein Gefühl? Geht es jetzt darum etwas zu tun oder zu sagen? Will ich eine Grenze setzen? Was brauche ich jetzt? Wie geht es meinem Gegenüber? Was fühlt er oder sie? Mit wachsendem Bewusstsein und der Fähigkeit zur Selbstreflexion gelingt es mit innerem Abstand und mithilfe des Verstandes, die Interpretation der Gefühle und der Situationen zu weiten. Es entsteht ein innerer Raum und die Möglichkeit zu entscheiden: Will ich das so sehen? Welche Sichtweisen gibt es noch? Die Gefühlswelt wird komplexer und die jungen Menschen sind in der Lage, verschiedene Sichtweisen nebeneinander existieren zu lassen.
Erfahren Kinder keine gesunde Begleitung durch emotional reife Erwachsene, können sich deren Gefühle und Gefühlsausdruck bedrohlich anfühlen. Auch die eigenen Gefühle können sich beunruhigend anfühlen und in der Folge unterdrückt, gedimmt oder über die Maßen intensiv erlebt werden. Kinder lernen dann nicht, was ihnen die Gefühle sagen möchten und was sie tun können, um sie zu regulieren. Zwischenmenschliche Situationen und Beziehungen verkomplizieren sich dadurch und erschweren das Miteinander. Im Erwachsenenalter kann das dazu führen, dass eine umgefallene Milch, das weinende oder wütende Kind großen inneren Stress auslösen. Wenn Eltern bei sich selbst erkennen, dass sie im Umgang mit ihren eigenen Gefühlen oder denen ihrer Kinder Schwierigkeiten haben, ist es hilfreich und bereichernd für sie selbst, die Entwicklung ihrer Kinder und das familiäre Miteinander, wenn sich Eltern auf eine Entdeckungsreise in ihre Gefühlswelt machen.
Hanna Articus
Räume für Menschen
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