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Kinder in Not

 

Kinder in Not - Warum die Pandemiebekämpfung tiefe Spuren bei unseren Kindern hinterlässt und wie wir sie entlasten können

 

 Ein Interview mit Bernd Ruf

 

 “Epidemien und Pandemien erzeugen Stress. Soziale Isolation, Ausgangssperren und Lockdowns stellen erhebliche psychische Belastungen dar und können Kinder traumatisieren. Das Erleben von Einsamkeit erhöht das Stressniveau und schwächt das Immunsystem, das uns gerade vor Krankheiten schützen soll.” (...) “Erlebte Freude stärkt die Widerstandsfähigkeit traumatisierter Kinder und regt ihre Selbstheilungskräfte an. Kinder in Zuversicht und Lebensfreude zu stärken, fördert ihre Resilienz.”

Bernd Ruf ist Notfall-, Waldorf- und Sonderpädagoge, Anthroposoph und leitet als geschäftsführender Vorstand den Arbeitsbereich „Notfallpädagogik“ bei den „Freunden der Erziehungskunst Rudolf Steiners e.V.“, sowie als Schulleiter das von ihm mitbegründete Parzival-Zentrum, ein Kompetenzzentrum für psychotraumatisierte Kinder und Jugendliche in Karlsruhe.

Bernd Ruf schloss das Lehramt für Gymnasien ab und war 20 Jahre Klassenbetreuer und Fachlehrer an der Freien Waldorfschule Karlsruhe. Seit 1987 leitet Bernd Ruf mit Nana Göbel den Verein Freunde der Erziehungskunst Rudolf Steiners, 1993 gründete er die Abteilung der Freiwilligendienste in Karlsruhe. Inzwischen entsenden die “Freunde” jährlich etwa 1600 Freiwillige in alle Kontinente. Seit 2006 arbeiten Bernd Ruf und seine Mitarbeiter weltweit mit Kindern und Jugendlichen in Kriegsgebieten oder in von Naturkatastrophen heimgesuchten Gegenden. Einsatzgebiete waren u.a. der Libanon, China, Indonesien, Japan, Chile, Brasilien, Peru, Gaza, Kirgisien, Kurdistan- Irak, Nepal, Kenia, Ecuador, Philippinen, Kolumbien, aber auch Gebiete in Europa, wie Bosnien, Slowenien, Griechenland und Italien. Die inzwischen in über 30 Ländern entstandenen notfallpädagogischen Interventionsteams schlossen sich 2019 zu einem internationalen Verbund zusammen.

2015 war Bernd Ruf Mitbegründer des Instituts für Notfall- und Traumapädagogik (IINTP). Darüber hinaus besuchen inzwischen über 1000 Studierende weltweit die zertifizierte Modulausbildung „Notfallpädagogik“. 

Im Sommer 2019 wurde der Verein „Notfallpädagogik ohne Grenzen“ ins Leben gerufen, den Bernd Ruf als Vorstand leitet.

Siehe auch www.bernd-ruf.de 

Sie arbeiten seit vielen Jahren mit Kindern in Krisengebieten und Kriegsregionen. Sie sprechen davon, dass nun auch viele Kinder in Deutschland traumatisiert seien.  Wie kommen Sie zu diesem Schluss?

 

Viele Kinderärzte, Psychologen, Neurologen und auch Erziehungswissenschaftler erkennen in den als Schutz gedachten Maßnahmen der Pandemiebekämpfung eine potentiell akute Kindeswohlgefährdung mit möglicherweise verheerenden Folgen für die körperliche und psychosoziale Entwicklung der Kinder und Jugendlichen. Viele sprechen von einer kollektiven Traumatisierung.

 

 

Einsamkeit, schulischer Druck, finanzielle Sorgen, gestresste Eltern, Leben auf engem Raum: die Pandemie hat Probleme verschärft, die in vielen Familien bereits vorher vorhanden waren. Die Corona-Krise wirkt sich besonders prekär und bedrohlich auf Kinder und Jugendliche aus. Viele Menschen fürchten um ihre Gesundheit, ihre wirtschaftliche Existenz, ihre Freiheit. Kinder sind wie Schwämme, sie saugen die Ängste Ihrer Umwelt auf. Zudem sind Kinder sehr kooperativ, sie tun alles, um ihre Familien zu schützen, sie haben sich angepasst und alles mitgemacht, was von ihnen verlangt wurde. Das ist auf Dauer zu viel und kann zur Traumatisierung führen.

 

Tatsächlich zeigen Studien: Viele Kinder befinden sich nun in psychischer Not. Neben den psychosozial-mentalen Problemen treten auch verstärkt psychosomatische körperliche Symptome auf: Atemnot, Herzrasen und Magen-Darmbeschwerden.

 

 

Sind das Zeichen von Trauma? An welchen Zeichen kann man erkennen, ob ein Kind unter einem Trauma leidet?

 

Ja, das können Anzeichen einer Traumatisierung sein. Auch Konzentrationsschwierigkeiten sind bei traumatisierten Kindern oft zu beobachten, ebenso wie Aggressivität, Hyperaktivität, aber auch Lustlosigkeit. Manche Kinder verschließen sich gegenüber ihrer Umwelt sowohl sprachlich als auch sozial. Die Liste möglicher Symptome ist unendlich.

Aufmerksamkeits- und Schlafstörungen sind ebenso Zeichen traumatischer Übererregung wie Unruhezustände, Ängste und Panikattacken. Die Betroffenen befinden sich in einem ständigen Alarmzustand. Auch Rhythmusstörungen jeder Art können nach Traumatisierungen auftreten. Viele Kinder und Jugendliche sind nach traumatischen Erfahrungen traurig, depressiv und scheinen wie gelähmt. Der Schock steckt ihnen förmlich in den Gliedern.

 

Andere zeigen Symptome wie Hyperaktivität und aggressive Impulsdurchbrüche. Wieder andere sind gefühllos und empfinden eine unerträgliche innere Leere.

 

Manche Kinder entziehen sich seelisch ihrem Körper und dem, was mit ihm geschieht. Mitten in der Katastrophe herrscht dann in ihnen Gefühllosigkeit und innere Friedhofsruhe. Später zeigen diese Kinder und Jugendlichen oft selbstschädigendes Verhalten. Sie ritzen sich, um im körperlichen Schmerz zu erfahren, dass sie überhaupt noch leben.

Können Sie erklären, wie der Zusammenhang von Angst und Trauma ist?

 

Angst ist eine wesentliche Begleiterscheinung jeder Traumatisierung. Dabei ist Angst nicht nur negativ zu beurteilen. Der Mensch wäre biologisch ohne die Angst nicht überlebensfähig. Sie macht auf drohende Gefahren aufmerksam und aktiviert geeignete Copingstrategien zur Abwendung der Bedrohung.

 

Ein Trauma ist viel weitreichender. Vermeldet die Amygdala, ein im limbischen System des menschlichen Gehirns vorhandenes Frühwarnsystem, eine Bedrohungslage, löst dies eine blitzartige Kettenreaktion biochemischer Stoffe aus. Stresshormone (Adrenalin, Noradrenalin) werden explosionsartig freigesetzt und der gesamte Organismus spult ein Notfallprogramm ab. Der Cortisolspiegel steigt.

 

Drei evolutionär-archaische Reaktionen sind nun möglich: Angriff, Flucht oder Erstarrung. Die traumatische Erstarrung (Freeze), ist in der Verhaltensforschung auch als Totstellreflex bekannt. Der Cortex, jene Hirnregion also, die die menschlichen Kognitionen, Analysefähigkeiten und Problemlösungsstrategien repräsentiert, wird dabei förmlich abgeschaltet. Überlegtes Denken und planvolles Handeln sind dann ausgeschlossen.

 

Epidemien und Pandemien erzeugen Angst und diese wiederum Stress. Soziale Isolation, Ausgangssperren und Lockdowns stellen erhebliche psychische Belastungen dar. Das Erleben von Einsamkeit erhöht das Stressniveau. Dadurch wird das menschliche Immunsystem in seiner Funktion massiv eingeschränkt. Angst und Stress machen langfristig krank.

 

Die aktuelle Corona-Krise stellt für viele Menschen, vor allem aber für viele Kinder und Jugendliche, eine Extremstresserfahrung dar, die nachhaltige Folgen erwarten lässt.

 

 

Wo liegt die Gefahr des Traumas?

 

Die Gefahr liegt darin, dass sich das Trauma verfestigt und chronifiziert, wenn es nicht aufgelöst, sondern verdrängt und abgespalten wird. Unaufgelöste Traumata schwächen Menschen seelisch und körperlich. Sie sind wie Wunden, die infizieren und nicht heilen. Nicht bewältigte Traumatisierungen können ein destruktives Potential entwickeln, das physisch, psychosomatisch, psychosozial und kognitiv-mental zu schweren Krankheitsverläufen führen kann.

 

Wenn der Körper im traumabedingten Notfallmodus arbeitet, ist sein Immunsystem geschwächt.  Der Mensch wird dadurch krankheitsanfällig – besonders für Infekte.

 

Angesichts der Lage durch die Coronavirus-Pandemie war es einerseits sicher richtig und wichtig, durch die Unterbrechung von Ansteckungsketten und durch geeignete Hygiene- und Schutzmaßnahmen zu versuchen, die weitere Verbreitung des Virus zu verhindern.

 

Andererseits wäre es aber ebenso richtig und wichtig gewesen, den inneren Ansatz einer Stärkung der Resilienzkräfte und des Immunsystems zu berücksichtigen. Denn wenn das Virus in den Körper eingedrungen ist, hängt der weitere Verlauf der Infektion entscheidend davon ab, über welche Abwehrkräfte der Organismus verfügt, um die Krankheit dann bewältigen zu können. Das wurde leider in der Pandemiebekämpfung sträflich vernachlässigt.

 

Soziale Integration und soziale Unterstützung stärken die Widerstandskraft und erhöhen die Gesundheit. Isolation und Einsamkeitsgefühle dagegen schwächen das Immunsystem und erhöhen die Infektionsanfälligkeit.”

Was kann helfen, das Immunsystem zu stärken?

 

Stress schwächt die Widerstandskraft des Organismus. Deshalb besteht auch nach einer Traumatisierung ein signifikant höheres Infektionsrisiko. Freudige Momente oder ästhetische Erlebnisse erhöhen dagegen die Bereitschaft des Organismus zur Gesundung. Freude, Empathie-Erleben und positive Erinnerungen führen zur Kohärenz der Herzrhythmen sowie zur Erhöhung der Produktion von Immunglobulinen A. Erlebte Freude stärkt also die Widerstandsfähigkeit traumatisierter Kinder und regt ihre Selbstheilungskräfte an. Kinder in Zuversicht und Lebensfreude zu stärken, fördert ihre Resilienz. Freude heilt!

 

Was sind notfallpädagogische Interventionen?

 

In den beiden ersten Entwicklungsphasen des traumatischen Prozesses entscheidet sich, ob das belastende Erlebnis verarbeitet werden kann oder ob sich eine Trauma-Folgestörung entwickeln wird. Mittels pädagogischer Methoden sollen die Selbstheilungskräfte und Verarbeitungsmöglichkeiten der belasteten Kinder und Jugendlichen so angeregt und gefördert werden, dass eine Bewältigung des Erlebten unterstützt und ermöglicht wird. Es geht um Hilfe zur Selbstheilung durch die Aktivierung von Resilienzkräften.

 

Was bedeutet das konkret?

 

Traumata führen z.B. zu weitreichenden Rhythmusstörungen. Die inneren Lebensrhythmen geraten aus dem Gleichgewicht, ebenso die äußere Alltagsstruktur. Deshalb stellen Rhythmuspflege und Ritualisierungen wichtige notfallpädagogische Interventionsmethoden nach Traumatisierungen dar.  Rituale können Kindern helfen, wieder Boden unter die Füße zu bekommen. Tischsprüche, Morgen- und Einschlafrituale geben Sicherheit, Halt und neue Orientierung. Auch bestimmte Bewegungsabläufe setzen wir ein, um Kinder zu beruhigen. Konkret dienen die von uns angewandten Methoden z.B. dazu, Erstarrungen zu lösen. Wir hüpfen mit den Kindern und klatschen, um sie in Bewegung versetzen. Wir helfen den Kindern, Spaß und Freude zu empfinden, um den negativen Erfahrungen positive entgegenzusetzen. Neben bewegungstherapeutischen Ansätzen können Massagen und rhythmische Einreibungen dazu beitragen, traumabedingte Verkrampfungen zu lösen.

 

Viele Kinder haben das Bewusstsein für ihren Körper, z.B. für ihre Hände verloren. Indem wir mit den Kindern plastizieren, machen wir ihre Finger als Teil des Körpers wieder erfahrbar. Wenn sie ein Tier aus Ton kneten erfahren Kinder, dass sie nicht nur Opfer sind, sondern in der Lage, kreativ tätig zu werden und ihre Umwelt zu gestalten. Sie kommen aus ihrem traumabedingten Ohnmachtserleben heraus und erfahren neue Selbstwirksamkeit.

Bei traumatisierten Kindern ist das Vertrauen in sich und andere gestört, lässt sich das wieder aufbauen?

 

Ja, Erlebnispädagogik kann Kindern helfen, verloren gegangenes Vertrauen in sich und Andere wieder aufzubauen.

Traumata fixieren ihre Opfer in der Vergangenheit und verbauen ihnen Zukunftsperspektiven. Mit traumatisierten Kindern und Jugendlichen muss die Zukunft deshalb neu erobert werden. Wenn Kinder und Jugendliche z.B. gemeinsam einkaufen, kochen und essen oder einen Ausflug planen und in die Tat umsetzen, können sie sich wieder als selbstwirksam erfahren und Gefühle der Ohnmacht und Hilflosigkeit überwinden. Auch gemeinsames Klettern hat sich als sehr vertrauensbildend erwiesen. Es fördert das Vertrauen zu sich selbst, baut Mutkräfte auf und stärkt das Vertrauen in den Mitmenschen, der einen am Seil absichert.

 

Trauma geht ja oft mit einem Verlust der Konzentrationsfähigkeit einher, was hilft da?

 

Die beeinträchtigte Konzentrationsfähigkeit kann durch Spiele im Allgemeinen und z.B. durch Fadenspiele, Memory, Mikado im Besonderen sowie Achtsamkeitsübungen überwunden werden.

 

Welche Rolle spielen Märchen und Geschichten in Ihrer Arbeit?

 

Nach einem Trauma werden Kinder und Jugendliche oft von immer wiederkehrenden Zerstörungsbildern, die in Flashbacks und Alpträumen auftreten, innerlich überflutet. In Märchen und Geschichten werden mit Bildern und Metaphern heilende Bilder transportiert. Die Helden und Heldinnen müssen oft große Herausforderungen bestehen, bevor sich alles zum Besseren wendet. Das gibt Kindern die Hoffnung, dass die eigene schwierige Geschichte auch gut enden wird. Puppenspiele für die Kleineren sowie das altersgemäße und kultursensible Erzählen „heilender Bilder“ durch Märchen, Geschichten und Biografien haben sich in der notfallpädagogischen Intervention immer wieder als sehr hilfreich erwiesen. Sie bilden Gegengewichte zu den destruktiven Bildern, die sich im Trauma in die Seele eingebrannt haben.

 

Sie sagen Corona-traumatisierte Kinder und Jugendliche benötigen kompetente menschliche Soforthilfe sowie sichere Orte, wie kann das konkret aussehen?

 

Bei einer Traumatisierung erfahren Kinder und Jugendliche einen tiefgreifenden und nachhaltigen Verlust ihres Sicherheitserlebens. Das Erleben der äußeren Welt als einem `sicheren Ort´ wird zerstört, das Urvertrauen geht verloren.

 

Ohne dieses Sicherheitserlebnis können Kinder und Jugendliche ihre traumabedingten Erstarrungen nicht lösen. Der erforderliche Heilungsprozess setzt dann nicht ein. Deswegen brauchen Kinder und Jugendliche nach einer Traumatisierung sichere Orte. Solche zur Traumaverarbeitung notwendigen sicheren Orte können Kindertagesstätten, Schulen, Heime, Jugendzentren usw. sein. Dort müssen sie pädagogisch kompetent begleitet werden. Kinder und Jugendliche benötigen nach Traumatisierungen vor allem liebevolle Zuwendung, verlässliche Beziehungsangebote und Kontinuität im pädagogischen Verhalten.

Echtes Interesse, seelische Wärme und Nähe, Gemeinschaft, aber auch konstruktive Auseinandersetzung schaffen Beziehung.

 

Künstlerische Aktivitäten wie Malen, Zeichnen, Kneten, Tanzen, Singen oder Musizieren können helfen, Gefühlen und Gedanken einen kreativen Ausdruck zu verleihen, ohne darüber sprechen zu müssen. Dies kann dann zu einer Bearbeitung bisher nicht zugelassener Gefühle und damit zu einer Entlastung führen.

 

Offene Zeitstrukturen wirken auf traumatisierte Kinder oft eher bedrohlich und führen zu kompensatorischem Verhalten. Feste Zeiten, Rhythmus und Ritualisierung hingegen heilen.

Tägliche Morgen-, Tisch- und Abendrituale, Strukturierung des Wochenablaufes, regelmäßiger Wechsel von Aktivitäts- und Ruhephasen, von innerer und äußerer Arbeit

vitalisieren, tragen zur Stabilisierung der Kinder bei.

 

An sicheren Orten muss es zudem klare räumliche Strukturen, Regeln und Rückzugsmöglichkeiten geben, das fördert die Entstehung von Normalität, schafft Halt und Orientierung und ist dringend erforderlich, um neues Vertrauen in sich, die Mitmenschen und die Umwelt aufzubauen. 

Welche Kinder müssen wir besonders in den Fokus nehmen?

 

Alle Studien zeigen: Die Hauptverlierer der Coronakrise sind vor allem Kinder und Jugendliche aus sozial schwachen Familien. Armut verschärft die Bedingungen eines Lockdowns und kann krank machen. Dies alles macht deutlich: Nicht alle sitzen im gleichen Boot! Gerade diejenigen, die sowieso bereits sozial benachteiligt sind, die Kinder und Jugendlichen aus sozialen Randgruppen und mit Migrationshintergrund, sind die Hauptleidtragenden der Corona-Krise.

 

Kann diese Krise auch zur Chance werden?

 

Es gibt kein Leben ohne Traumatisierungen, aber nicht jedes Trauma macht krank. Die Verarbeitung einer traumatischen Erfahrung hängt weniger von den Faktoren eines Ereignisses ab, also Dauer, Schwere oder Ausgang, sondern vielmehr von Individualfaktoren, wie A‍lter, Temperament, bisherige Erlebnisse und ihre Verarbeitungsmöglichkeiten usw. Diese individuellen Bewältigungsmöglichkeiten entscheiden im Wesentlichen darüber, ob die seelische Verletzung durch die Selbstheilungskräfte bewältigt werden kann oder in krankhafte Trauma-Folgestörungen einmünden wird. Dabei bilden auch Umweltfaktoren, wie z.B. soziale Unterstützung, einen wichtigen Einflussfaktor.

 

Jede traumatische Krise ist neben der Gefahr, die von ihr ausgeht, sofern das Erlebnis nicht verarbeitet werden kann, immer auch eine biographische Chance. Das gilt auch für die aktuelle Corona-Krise. Die psycho-traumatologische Forschung zeigt heute eindrücklich, dass unbewältigte Traumata Destruktionspotentiale entwickeln können, die das Leben des Opfers nachhaltig aus der Bahn werfen. Aber ebenso eindrücklich zeigen die Forschungsstudien, wie bewältigte Traumata nachhaltige Resilienzen bilden und zu einer Persönlichkeitsreifung beitragen können. Nach Studien der Columbia University/USA soll dies sogar die Regel sein: 60-80 Prozent derjenigen, die Traumatisierungen durchlebten, seien demnach langfristig zufriedener und resilienter geworden.

Auch das Corona-Trauma kann deshalb durch menschliche Zuwendung, kompetente pädagogische Intervention und der Schaffung sicherer Orte zu posttraumatischem Wachstum führen und zu einer Chance für die weitere biographische Entwicklung der betroffenen Kinder und Jugendlichen werden.

 

Herr Ruf, wir danken Ihnen für das Gespräch.

 

 

 Notfallpädagogik

Notfallpädagogik kann als ein Teil der Traumapädagogik verstanden werden. Notfallpädagogik will Kinder und Jugendliche weltweit in der Frühphase einer traumatischen Entwicklung bei der Bewältigung ihrer belastenden Erfahrungen unterstützen und so versuchen, mögliche Trauma-Folgestörungen zu verhindern. Es ist letztlich der Versuch, eine eingetretene leidvolle Krise in eine biographische Chance zu verwandeln.

 

 

Zur Beratung von Hilfesuchenden im Umgang mit der Corona-Krise hat die „Ambulanz für Notfallpädagogik“ am Parzival-Zentrum Karlsruhe in Kooperation mit der notfallpädagogischen Ambulanz in München und der Hilfsorganisation der Freunde der Erziehungskunst Rudolf Steiners e.V. eine „Helpline“ unter der Rufnummer: 0800 2226622 eingerichtet.

 

Weitere Informationen:

 

Freunde der Erziehungskunst Rudolf Steiners e.V.

Parzivalstr. 2b

76139 Karlsruhe

Tel +49 (0)721 20111-130
Fax +49 (0)721 20111-181

E-Mail: notfallpaedagogik(at)freunde-waldorf.de

Internet: www.freunde-waldorf.de/notfallpaedagogik.html

 
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