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Mit Bilderbüchern die Welt entdecken

„Vorlesen ist ein wichtiger Baustein in der Persönlichkeitsentwicklung des Kindes. Es fördert nicht nur Sprachvermögen und Fantasie, sondern darüber hinaus auch Lebensfreude und Menschenkenntnis“, sagt die Leiterin des Instituts für Lese- und Medienforschung der Stiftung Lesen.

 

Dr. Simone C. Ehmig (Jahrgang 1964) hat Publizistik, Germanistik und Kunstgeschichte studiert und lange in der universitären Forschung im Bereich Nutzung und Wirkung von Medien gearbeitet – unter anderen in der Schweiz. Seit November 2009 leitet sie das Institut für Lese- und Medienforschung der Stiftung Lesen in Mainz (www.stiftunglesen.de).

 

Vorlesen: das Fenster zur Welt

Vorlesen fördert Kinder in vielen Bereichen, etwa im Sprach- und Denkvermögen und in der Entwicklung von Fantasie und Vorstellungskraft. Dr. Simone C. Ehmig: „Neuere Studien haben darüber hinaus ergeben: Mädchen und Jungen, denen regelmäßig vorgelesen wird, können sich besser in andere einfühlen. Kinder  erleben in Geschichten, wie kleine Heldinnen und Helden Alltagssituationen meistern und ihren Weg durchs Leben gehen. Sie gewinnen so mehr und mehr Einblicke in menschliche Gefühle, in Werte und Tugenden. Kinder identifizieren sich mit den Figuren der Geschichten und lernen an nachvollziehbaren Beispielen, wie man bestimmte Situationen des Alltags meistern und sich behaupten kann. „Die Fähigkeit, sich durchzusetzen, wird eigentlich nicht mit dem Vorlesen in Verbindung gebracht“, sagt Dr. Simone C. Ehmig. „Untersuchungen belegen aber, dass Vorlesen neben den kognitiven Fähigkeiten auch emotionale und soziale Kompetenz fördert.“ Eine große Rolle spielt dabei die Atmosphäre, in der vorgelesen wird. Wichtig ist vor allem, dass Eltern sich genügend Zeit nehmen. Dr. Simone C. Ehmig: „Entscheidend sind die Nähe und der Dialog, der zwischen Kind und dem vorlesenden Erwachsenen entsteht, wenn die kleinen Bilderbuchhelden ihre Abenteuer erleben. In einer solchen Atmosphäre können Kinder sich ganz auf das Gehörte einlassen. Sie verbinden das Lesen mit angenehmen Gefühlen. Hinzu kommt: Kinder, denen vorgelesen wird, erleben, wie interessant die Welt hinter den Buchstaben ist. Deshalb lernen sie später auch mit Freude und Ausdauer Lesen.“

Das ideale Einstiegsalter für Bilderbücher

Wenn ein Kind ein Jahr alt wird, erweitert sich sein Aktionsradius. Es krabbelt und beginnt bald zu laufen. Bei seinen Entdeckungsreisen in der Natur nimmt es immer mehr Sinneseindrücke auf. Es hört, sieht, fühlt, riecht und schmeckt – Bäume, Blumen, Beeren, Pilze, Baumblätter, Früchte, Tiere, andere Menschen, Fahrzeuge und mehr. Kinder in diesem Alter freuen sich, wenn sie Bekanntes in Bilderbüchern wieder erkennen und wenn Mutter und Vater den Bildern Wörter geben: „Schau, das ist ein Baum. Er hat grüne Blätter. Und das ist ein Apfelbaum. Er hat auch grüne Blätter und viele Zweige. An den Zweigen wachsen Äpfel. Sie sind rot.“ Im Laufe der Kleinkindzeit können auch kleine Geschichten vorgelesen oder erzählt werden. Wichtig: Es sollten Situationen sein, die Kindern bekannt sind und die ihnen keine Angst machen. Wichtig ist auch, dass die Bilder zum freien Erzählen anregen und Platz für die eigene Fantasie lassen.


Auch älteren Kindern vorlesen

Vorlesen ist während der ganzen Kindheit wichtig, auch wenn die Kinder schon lesen können. „Leider hören viele Eltern damit auf, wenn die Kinder in die Schule kommen“, hat Dr. Simone C. Ehmig beobachtet. „Aber genau das ist falsch. Denn beim Lesenlernen steht anfangs die Lesetechnik stark im Vordergrund. Da tut es gut, wenn Mama und Papa wie früher Geschichten vorlesen und ihr Kind nicht zum Selberlesen auffordern. Denn sonst kann es passieren, dass ein Kind Bücher nur noch mit Schule und Arbeit in Verbindung bringt und Lesen als lästige Pflicht sieht. Dann wird es schwierig, wieder einen Weg zum lustvollen Lesen zu finden.“


So wird Vorlesen zum Ritual

Kinder brauchen Struktur und Regelmäßigkeit. Wenn täglich zu einer bestimmten Zeit und an einem bestimmten Ort vorgelesen wird, fühlen sie sich geborgen und haben etwas, auf das sie sich freuen können – auch wenn der Tag mal nicht so gut war. Das Vorlesen als Zubettgehritual hat sich in vielen Familien bewährt. Schöner kann der Tag nicht ausklingen als mit einer Geschichte. Viele Kinder möchten ihre Lieblingsgeschichte immer und immer wieder hören. Gerade die ständigen Wiederholungen geben ihnen ein Gefühl von Sicherheit. Schön ist es, wenn Eltern den Vorleseplatz schön dekorieren. Zur Jahreszeit passende farbige Tücher und Kerzen bieten sich an, ebenfalls Jahreszeitenpüppchen und Naturmaterialien, die Eltern und Kinder gemeinsam gesammelt haben.


Vorlesen können Eltern überall

Die Fantasie ist immer dabei – auch auf Reisen oder bei Wartezeiten, etwa beim Kinderarzt. Es ist gut, ein Repertoire an kleinen Geschichten zu haben, die Mutter oder Vater spontan erzählen können. Wichtig ist eine ruhige Atmosphäre – vor allem zu Hause. Beim Vorlesen sollten störende Geräuschquellen, etwa Fernseher, Radio oder Telefongespräche, ausgeschaltet werden. Wichtig: Eltern sollten beim Vorlesen bei der Sache sein. Kinder haben nämlich feine Antennen und spüren, wenn Mütter oder Väter in Gedanken woanders sind. Besser ist es dann, das Vorlesen auf einen anderen Zeitpunkt zu verschieben. Dies gilt auch für die Gutenachtgeschichte. Natürlich ist sie ein wichtiges Abendritual. Aber sollte es abends mal spät werden, etwa bei Familienfeiern, kann die Geschichte auch mal auf den nächsten Morgen verschoben werden.

Beim Vorlesen auf das Kind eingehen

„Vorlesen ist ein Dialog – nicht einseitig“, erklärt Dr. Simone C. Ehmig. „Das Kind reagiert, fragt nach, erzählt selber Teile der Geschichte. Dafür sollte in der Vorlesesituation Raum sein. Wichtig ist, die Bilder einzubeziehen, sie gemeinsam anzuschauen, auf Einzelheiten zu achten. Kinder stellen während des Vorlesens Fragen. Darauf sollten Eltern immer eingehen. Je mehr sie mit ihrem Kind über die Geschichte oder die Bilder ins Gespräch kommen,
desto besser.“ Sich Zeit zu nehmen ist deshalb die wichtigste Voraussetzung für ein Vorlesen, das Kinder begeistert und neugierig auf mehr macht.


Für jedes Alter das richtige Buch

Dr. Simone C. Ehmig: „Es gibt keine ‚Regeln’. Entscheidend sind die Interessen und der Entwicklungsstand des Kindes. Natürlich wird man mit sehr kleinen Kindern zunächst Bilderbücher anschauen und später immer mehr Text dazunehmen. Die Bücher sollten einerseits Gegenstände, Situationen und Szenen aus der Lebens- und Erfahrungswelt des Kindes beinhalten. Zur Anregung der Fantasie und des Vorstellungsvermögens eignen sich aber auch Märchen und Geschichten, die in  ‚ferne’ Welten entführen.“
Kinder ab etwa drei Jahren mögen auch sehr gerne Mitlesegeschichten, in denen bestimmte Begriffe in Bildern dargestellt werden. Die Kleinen sind stolz, wenn sie aktiv beim Vorlesen mitmachen können. Eine gute Ergänzung bilden Sachbilderbücher, die kindgemäß Zusammenhänge aus verschiedenen Bereichen erklären, etwa Natur, Bauernhof, Zoo, Leben auf dem Land oder in der Stadt. Es sollten Bereiche sein, die dem Kind vertraut sind und für die es sich interessiert.


Gute Bilderbücher kaufen

Die Stiftung Lesen gibt auf Ihrer Internetseite Empfehlungen für Kinderbücher. So ist es zum Beispiel wichtig, dass Inhalt, Sprache und Illustration eine Einheit bilden und zueinander passen. Die Erzählweise kann spannend sein und die kleinen Zuhörer neugierig aufs Ende der Geschichte machen. Kinder sollten sich mit einer oder mehreren Figuren in der Geschichte identifizieren können.  Auch bei der Bebilderung der Bücher sollten Eltern genau hinschauen, denn diese wirkt sich auf das seelische Empfinden eines Kindes aus. Auch das Empfinden für Ästhetik wird geprägt, es müssen nicht immer leuchtende, plakative Farben sein. Kinder lassen sich auch von sanften Pastelltönen oder schwarz-weißen Illustrationen ansprechen. Natürlich ist die Bebilderung immer auch Geschmackssache. Was die einen Eltern bezaubernd finden, gefällt den anderen vielleicht überhaupt nicht. Wichtig: Die Bilder sollten kindgemäß gezeichnet sein und auf keinen Fall Angst einflößen oder abstoßend wirken. Karikaturen und Verzerrungen sind ungeeignet. Bei den Figuren ist die zeichnerische Umsetzung des Charakters wichtig. Auch bei der Sprache der Geschichten sollten Eltern genau hinschauen. Ist sie verständlich, kindgerecht und lebendig? Mühleos erweitert sich so der Wortzschatz.


Lesestart

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung und die Stiftung Lesen haben im Dezember 2010 das Programm „Lesestart – drei Meilensteine für das Lesen“ ins Leben gerufen. Es soll die Bildungschancen von Kindern konkret und nachhaltig verbessern und Eltern zum Vorlesen ermutigen. Dreimal – gegen Ende des ersten Lebensjahres, mit drei Jahren und vor Schuleintritt bekommen Mädchen und Jungen im Rahmen der Vorsorgeuntersuchungen beim Kinderarzt ein Buch und die Eltern Tipps zum Vorlesen und zu Angeboten der Leseförderung vor Ort, etwa in Bibliotheken oder anderen Einrichtungen.

Frau Dr. Ehmig, wir danken Ihnen für das Gespräch!

Das Interview führte Jette Lindholm für Spiel und Zukunft

 
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