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Puppen spielen

„So, jetzt ist es Nacht, du bist müde und musst schlafen gehen, ich decke dich ganz fest zu“, flüstert die fünfjährige Hanni. Liebevoll drückt sie ihr Puppenkind an sich, legt es dann behutsam in die kleine Wiege und beginnt ein Schlaflied zu summen. „Du brauchst keine Angst haben, ich bin immer in deiner Nähe!“

Das Puppenspiel hat eine zentrale Bedeutung im Spiel und damit in der Entwicklung von Kindern. Warum dies so ist, möchten wir in diesem Artikel erlebbar machen.

                    

Die Puppe ist das Abbild des Menschen und das bedeutendste Spielzeug, das Kinder haben. In ihr erkennen Kinder sich selbst. Im Puppenspiel drücken Kinder ihre Gefühle aus und verarbeiten, was sie erleben. Und sie zeigen im Spiel mit der Puppe auch, welche Pflege und Fürsorge sie selbst erfahren oder sich wünschen.

Die den Kindern eigenen Fantasiekräfte machen es möglich, dass sie ihre Puppe als lebendig empfinden können. In ihrer Vorstellung kann sie sprechen, lächeln oder weinen, glücklich, müde und traurig sein.

Aus diesem Wissen heraus ergibt sich eine besondere Verantwortung, behutsam auf das kindliche Spiel mit der Puppe einzugehen, bei der Wahl der Puppe überlegt zu handeln und auch Jungs zu erlauben, mit Puppen zu spielen.

Es ist ein tief im Kind lebendes Bedürfnis, mit Puppen zu spielen.

Man kann zwei Arten von Puppenspiel unterscheiden. Das Spiel mit der Puppe für sich selbst und das Spiel mit Puppen für andere. Dieser Artikel widmet sich dem Spiel mit der Puppe für sich selbst, ab November finden Sie einen zweiten Artikel zum Puppenspiel für andere.

Auf das Spiel mit der Puppe eingehen

Fantasie und Empathie sind natürliche Gaben, die es zu schützen gilt. Für Kinder ist alles, was sie spielen, auch das Puppenspiel, real und fiktiv zugleich. Kinder darin wohlwollend zu begleiten, ihre Fantasien als Fähigkeit ernst zu nehmen und auf sie einzugehen, sind wichtige Aufgaben für Erwachsene. Man kann ein kleines Bettchen für die Puppe kaufen, einen Kinderwagen oder ein Tragetuch oder eine Puppenküche, in der Kinder die Puppe bekochen und füttern können.

                      

Fürsorge & Pflege

Hanni (4) liebt ihr Puppenkind Else innig. rund um die Uhr ist die Puppe dabei. Wenn Hanni zu Mittag isst, wird auch Else gefüttert; geht es nach draußen zum Einkaufen, dann muss selbstverständlich auch Else im Puppentragebeutel mit. Else begleitet Hanni zum Arzt, auf den Spielplatz und zur Oma, wenn Hanni dort übernachtet. Hanni zieht Else zum Spaziergang eine dicke Strickjacke an. Abends schält sie Else aus ihrem Kleidchen und steckt sie in einen Schlafanzug. Else kennt alle Geheimnisse, denn Hanni vertraut ihr alles an, was sie beschäftigt.

Hannis Mama bezieht Else mit in den Tagesablauf ein. „Zieh’ Else doch eine Mütze auf, draußen ist es kalt“, sagt sie, bevor es hinausgeht, oder: „Möchte Else auch einen Apfelschnitz?“ Hanni strahlt. Sie fühlt sich in ihrem Spiel ernst genommen. Die Freundin ihrer Mama hat Else sogar ein Kleidchen genäht, das genauso aussieht wie das von Hanni! Und an Fasching half sie Mama nicht nur ein Kostüm für Hanni anzufertigen, sie hatten sogar Else kostümiert!

Natürlich gibt es Momente, in welchen Hannis Puppe aus ihrem Bewusstsein verschwindet und auch einmal unbeachtet auf dem Boden herumliegt. Doch sobald Hanni sie wieder aufnimmt, wird sie wieder belebt.

Mit einer Puppe zu spielen bedeutet auch, die natürliche Fähigkeit zur Empathie weiterzuentwickeln. Wenn sie sich um ihre Puppe kümmern und sie pflegen, dann fühlen sich Kinder tief in ihr Gegenüber ein. Natürlich werden Puppen manchmal auch grob behandelt und ausgeschimpft, das darf durchaus sein und gehört zum Spiel dazu.

 

Unterstützung & Halt

Gina (4) hat in letzter Zeit immer fünf kleine Püppchen in ihrer Hand. Für Erwachsene sind sie unsichtbar, doch in Ginas Vorstellung führen sie in ihren kleinen Fingern ein turbulentes Leben. Die Püppchen sind wichtig für Gina, mit ihnen fühlt sie sich gut gewappnet und weniger allein in der Kindergartengruppe. Gina stimmte neulich bei der Rückkehr vom Spielplatz ein großes Geheul an, da sie ihre Püppchen auf dem Spielplatz „vergessen“ hatte. Ihre kluge Erzieherin führte daraufhin die komplette Kindergruppe zurück, um Ginas Püppchen zu holen. Für Gina leben ihre Püppchen. Entsetzlich nun der Gedanke, sie müssten eine Nacht alleine auf dem dunklen Spielplatz verbringen! Indem Ginas Erzieherin darauf einging, gewann sie nicht nur Ginas Herz, sondern zeigte allen Kindern, dass Fürsorge wichtig ist und keiner alleine zurückbleiben muss.

Verarbeitung von Konflikten

Simon (5) treibt täglich aufs Neue ein wildes Spiel mit verschiedenen kleinen Spielpuppen. Bei ihm zu Hause gibt es gerade große Veränderungen, Mama ist mit ihm aus dem Haus, wo sie gemeinsam mit Papa wohnten, ausgezogen. Sie leben jetzt bei Mamas neuem Freund und dessen Kindern in einem Mietshaus. Simon fühlt sich noch unsicher in der neuen Wohnung, und zu allem Überfluss gibt es im Innenhof des Hauses große Jungs, die Simon manchmal drangsalieren. Seine Püppchen haben es nicht leicht: Sie hauen und werden verhauen, was das Zeug hält. Sie schimpfen und fluchen. Simon baut Verstecke für sie, und Barrikaden und Schutzwälle, doch nirgendwo sind sie sicher. Es dauert einige Monate, bis Simons Püppchen ein etwas friedlicheres Leben führen können. Auch wenn es Simons Mama nicht leicht fällt, dem Treiben mit den Püppchen zuzusehen, weil Simons Konflikte dort so offen zu Tage treten und sie sich schuldig fühlt, versucht sie ruhig zu bleiben. Wenn sie das Angebot von ihrem Sohn bekommt, mitzuspielen, setzt sie sich dazu und macht kleine Vorschläge, wie er die Schutzwälle verstärken könnte. In dieser Situation ist es wichtig, nicht korrigierend in das Spiel einzugreifen, in der Hoffnung, es möge sich auf die Realität übertragen, sondern darauf zu vertrauen, dass mit dem Spiel und mit der Zeit die seelischen Wunden heilen.

 

Auch Jungs brauchen Puppen!

Aus dem Geschilderten ergibt sich von selbst, dass selbstverständlich auch kleine und größere Jungs mit Puppen spielen dürfen sollten. Wie Mädchen sollten auch Jungs ihre Gefühle zeigen dürfen und ebenso Erfahrenes im Puppenspiel verarbeiten dürfen.

 

Welche Puppe braucht mein Kind?

Auch, wenn es schwer auszuhalten ist, weil es ein Überangebot an hübschen und lebensecht nachgebildeten Puppen gibt, gilt: Je unausgearbeiteter die Puppe, desto besser für das Kind.

 

Warum ist das so?

Kinder haben großartige Fantasiekräfte, die so ausgeprägt sind, dass sie anfangs sogar ein Tuch oder ein kleines Kissen herumtragen können und in diesem ein lebendiges Puppenkind sehen. Selbst wenn Kinder schon richtige Puppen haben, kann man beobachten, wie sie eine kleine Decke oder eine Mullwindel als Baby annehmen und bemuttern.

 

Angedeuteter Gesichtsausdruck

Daher sollten Puppen immer so einfach wie möglich sein. Das Gesicht sollte nur angedeutet sein, als Augen und Mund genügen kleine Punkte. So können Kinder unterschiedliche Gefühlsregungen in das Gesicht der Puppe interpretieren. Die Fantasiekräfte von Kindern verkümmern, wenn man ihnen zu detailliertes Spielzeug gibt.

 

Weich und warm

Weil Kinder die Puppen an sich drücken, sich mit den Puppen trösten oder den Puppen Trost spenden, sollten Puppen weich sein und beim Festhalten kuschelig sein und warm werden. Puppen aus Baumwolltrikot, die mit Schafwolle gefüllt sind, vermitteln Kindern ein wohliges, lebendiges Gefühl. Zudem sind sie praktisch, weil sie waschbar und leicht auszubessern sind.

 

Das erste Püppchen

Das erste Püppchen kann ein seidenes Tuch sein. Man kann die Hand unter das Tuch stecken und das Baby, wenn es etwas älter ist, sanft damit streicheln oder, wenn es auf dem Schoß sitzt, kleine Gespräche zwischen Seidentuchpüppchen und Baby führen. Später kann man mit einem Bändchen einen Kopf abknoten, den man mit Schafwolle füllt. Kleine Knoten in die Zipfel gemacht, schon hat das Püppchen Arme.

 

Die Knüpfpuppe

Die Schweizer Erzieherin Marie Luise Nüesch fertigt mit den Kindern in ihrer Spielgruppe täglich neue Knüpfpuppen, die abends wieder aufgelöst werden.

Man strickt etwa 30 cm x 35 cm große Wolltüchlein in verschiedenen Farben. Jeden Morgen dürfen die Kinder sich ein Teil aussuchen, aus dem dann wie folgt ein Püppchen wird:

In den Kopf etwas Wolle stecken und mit einem selbst gedrehten Wollbändchen abbinden. Die Kinder spielen gerne mit diesen Puppen, gerade weil sie nur angedeutet sind und der Fantasie freien Raum lassen.

 

Die Waldorfpuppe

Eine selbstgemachte Gliederpuppe ist ein ganz besonderes Geschenk. Kinder spüren, dass in die Puppe viel Liebe und Arbeit eingeflossen ist. Wenn man eine Puppe selbst fertigt, kann man sie so gestalten, dass sie in Haar- und Augenfarbe dem Kind ähnelt.

Zu Geburts- oder Festtagen kann man Anziehsachen nachnähen oder -stricken, die auch das Kind besitzt. Manche Kinder möchten später selbst Kleidung für ihre Puppenkinder herstellen, dabei kann man ihnen helfen.

Im Umfeld von Waldorfkindergärten oder Schulen werden oftmals Kurse angeboten, wo man lernt, diese Puppen herzustellen. Auf Basaren dieser Einrichtungen finden sich auch Waldorfpuppen und –kleidung zum Kaufen.

Eine Puppe, die trinkt, weint und lacht

Wenn ein Kind eine selbstgemachte Puppe besitzt, ist der Drang vielleicht weniger groß, eine gekaufte Puppe zu besitzen. Doch die allgegenwärtige Werbung zeigt in einem bestimmten Alter Wirkung, und Kinder wünschen sich dann Puppen, welchen man beispielsweise etwas zu trinken geben kann und deren nasse Windeln man dann wechseln muss.

Wenn Kinder älter sind, schon lange mit anderen Puppen fantasievoll gespielt haben, sollte man nicht allzu dogmatisch sein. Vielleicht wird diese mechanische Puppe schnell uninteressant, weil sie sich eben nicht anschmiegsam drücken lässt wie die Wollpuppe. Genauso kann es passieren, dass Kinder dieser Puppe ihr Herz schenken, dann ist es auch gut, denn es kommt vor allem darauf an, dass das Kind innig empfindet und viel damit spielt.

 

Das Puppenhaus

Beim Spiel mit und in dem Puppenhaus verarbeiten Kinder meistens eigene erlebte Erfahrungen. Vor allem ältere Kinder lieben es, die Puppenstube einzurichten, umzuräumen und mit den kleinen Sofas, Stühlen, Betten, Stehlampen und dem Badezimmer zu spielen. Natürlich sind sie entzückt von kleinen Haushaltsutensilien wie Minibügeleisen, Küchengeschirr und winzigen Kuchen. Oft besteht das Spiel mehr im Aufbau und Möblieren der Puppenstube.

 

Abschied von der Puppe

Irgendwann wird die Lieblingspuppe nicht mehr gebraucht und liegt mehr und mehr herum. Heben Sie die Puppe trotzdem auf, im Regal sitzt sie gut, denn es kann der Zeitpunkt kommen, an dem Jungs und Mädchen noch einmal auf die Puppe zurückgreifen wollen. Bei einem Krankenhausaufenthalt, bei großem Streit oder Ähnlichem finden auch größere Kinder noch einmal Zuflucht bei der geliebten Puppe.

 

Tipp: Weil Puppen in der Vorstellung von Kinder lebendig sind, sollte man sie nicht vor ihren Augen zergliedern oder reparieren. Lieber abends daran arbeiten!

 

„Wozu sind die Fantasiekräfte eigentlich so wichtig?“

Ein Mensch ohne Fantasie verarmt seelisch, schöpferisches Tun ist ihm unmöglich. Sich etwas vorzustellen, was noch nicht da ist, ist eine menschliche Fähigkeit, die den Fortschritt möglich macht. In der Mathematik, Physik, Informatik und Chemie ist Abstraktion gefragt und führt Vorstellungsvermögen zu kreativen Lösungen.  Empathie und Fantasie können Menschen mit Fantasie zu sozialen Neuerungen führen.

 

 

Für Anregungen zu diesem Artikel sei den Autorinnen folgender Bücher gedankt:

Buchtipps

Heide Maria Rossak:

Sinnvolles Spielzeug - Von den Bedingungen des kindlichen Spiels..

Im Privatdruck erschienen, 2006, 80 S.

Beziehbar über die Autorin

Dieses Buch wünscht man sich als Standardwerk in jedem Familienhaushalt.

In kurzen konkreten Beiträgen wird eine Fülle von Aspekten zum Thema Spiel und Spielzeug behandelt: Die Autorin beschreibt die Rahmenbedingungen, die Kinder für richtiges, freies Spielen brauchen. Sie gibt einen Überblick über die wichtigsten Spielphasen des Kindes und erklärt welche Spielzeuge wann sinnvoll sind. Außerdem werden ganz praktische Ratschläge gegeben, wie man mit Streit ums Spielzeug umgehen sollte, wie man das Problem "Ordnung und Aufräumen" im Spielzimmer lösen kann und vieles mehr.

Ein rundum gelungenes Buch, das wir nur empfehlen können und dem man eine viel größere Leserschaft wünscht.

Bestellen können Sie das Buch bei der Autorin selbst:

Heide Maria Rossak
Oberbreitsach 7
A – 4906 Eberschwang
Email: a.rossak@eduhi.at
Tel. 0043 / (0) 7753 / 3002

Marie Luisa Nüesch: Spiel aus der Tiefe
Von der Fähigkeit der Kinder, sich gesund zu spielen

Viele Erfahrungsberichte mit einfühlsamen Kommentaren der Autorin, praktische Hilfen zum Umsetzen im Alltag zuhause, im Kindergarten und in der Schule machen Mut, uns einzulassen auf unsere Kinder und den Weg, den sie uns zeigen. Ein Prozess, bei dem jeder Erwachsene ob Eltern oder begleitende Person in einer öffentlichen Einrichtung sehr viel Wertvolles für sich und ihre Kinder lernen kann.Ein Ratgeber aus der Praxis für die Praxis flüssig und einfach zu lesen mit lebendigem Inhalt. Ein Buch, das man in einem Zug durchliest.

 

Spiel braucht Raum, Zeit, braucht Muße und Stille. Dieses Buch handelt von der Verlangsamung, vom Zeit haben, vom zur Ruhe kommen, um Raum zu schaffen für die echten Bedürfnisse des Kindes, Raum zu schaffen für das Spiel - jene Art von Spiel, in dem das Kind sein innerstes Wesen zu zeigen wagt. Solches Spiel ist heute rasant im Schwinden begriffen, was einer leisen, unmerklichen Zivilisationskatastrophe gleichkommt. Die Folgekosten werden kaum bezahlbar sein...

K2 Verlag, 176 S.,

Zu bestellen unter www.k2-verlag.de

 
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