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Joachim Großhennig: Scheidungskinder

"Kinder brauchen beide Elternteile und gleichzeitig brauchen sie eigentlich einen festen Rahmen. Einer von beiden muss dann wahrscheinlich ein wenig darauf verzichten, diesen festen Rahmen zu bilden. Aber das Verkehrsrecht und den Umgang mit dem Kind darf der andere ihm keineswegs verwehren."

Dr. Großhennig ist seit vielen Jahren als anthroposophisch orientierter Kinderarzt in Berlin tätig.

 

Wie kommt es, dass Sie als Kinderarzt Vorträge zu dem Thema Scheidungskinder halten?

Das Thema Scheidung ist natürlich präsent und bedeutet in der Kinderarztpraxis letztlich meistens, sich zum Anwalt der Kinder zu machen. Nicht unbedingt Trennungen oder Scheidungen verhindern zu wollen, sondern zu zeigen, liebe Leute, ihr habt Kinder und diese Kinder leiden unter den Umständen. Und wenn ihr sie zum Gegenstand des Streits macht, entsteht Schaden.

Kinder sollten nicht in den Scheidungsprozess hineingezerrt werden. Das ist ein erheblicher Grundsatz.

 

Ich denke, die meisten Paare nehmen sich dies vor...

Leider bleibt es jedoch häufig bei dem Vorsatz. In dem Moment, wo es darum geht, wie es beispielsweise mit dem Verkehrsrecht bestellt ist, entstehen doch immer wieder – auch aus den Animositäten der Partner gegeneinander – Vorwürfe: dass der andere sich nicht genügend kümmert, eventuell sogar wegen sexueller Übergriffe, usw. Daraus wird dann immer wieder das Recht abgeleitet, dem anderen das Zugangsrecht zu verwehren. Das ist natürlich für die Kinder sehr schwierig. Für einen selber als Arzt ist es natürlich auch schwierig, mit diesen Vorwürfen umzugehen, weil ich natürlich keine klaren Erkenntnisse über die wirklichen Verhältnisse habe.

Entsprechend habe ich mir immer vorgenommen, wenn, dann mache ich ein Gespräch mit beiden sich trennenden Partnern (ohne Kind natürlich) und versuche erst einmal die Sache zu sondieren, zu gucken wie es möglich ist, eine klare Abmachung zu finden und wirklich die eigenen Animositäten raus zu lassen, wenn es um die Kinder geht. Das ist in vielen Fällen auch gelungen, indem ich deutlich gemacht habe, dass die Kinder beide Elternteile brauchen und gleichzeitig brauchen sie eigentlich einen festen Rahmen. Einer von beiden muss dann wahrscheinlich ein wenig darauf verzichten, diesen festen Rahmen zu bilden. Aber das Verkehrsrecht und den Umgang mit dem Kind darf der andere ihm keineswegs verwehren.

Das ist die eine Seite. Das zweite ist, dass die Kinder natürlich die Fähigkeit entwickeln, immer wieder den einen gegen den anderen auszuspielen Dementsprechend gilt: Konflikte, die mit dem Kind entstehen, hat immer der Partner, bei dem das Kind ist, auszustehen und muss sie klären, bevor das Kind zum anderen Partner geht. Das heißt, dass nicht jeder Konflikt aus einer Eltern-Kind-Beziehung zum anderen Partner rüber getragen wird. Und der andere hat sich nicht einzumischen - das ist genauso wichtig. Diese Konfliktsituationen müssen wirklich getrennt werden und dürfen nicht benutzt werden, zu sagen, „Ja, siehste, deine Mama, oder dein Papa….“. Das ist eine ganz wesentliche Grundlage.

Psychologen und Pädagogen haben außerdem herausgearbeitet, dass Kinder in der Regel viel besser mit Trennungen umgehen können, wenn sie jederzeit das Recht haben, bei beiden Familien sein zu dürfen, auch wenn neue Partner da sind. Die Möglichkeit der Akzeptanz ist dann viel größer, als wenn einer sich ganz rauszieht. Oder wenn den Kindern ganz verweigert wird, den neuen Partner kennen zu lernen. Das ist sicherlich immer ein Prozess, das geht nicht von heute auf morgen. Aber ich denke, dass vom Grundsatz her klar werden müsste, dass man so denken kann und sollte.

Kommt es auch vor, dass Kinder für eine Weile in diesem Trennungsprozess einen Elternteil ganz ablehnen?

Ja. Es ist leider oft so, dass angenommen wird, das hätte der andere provoziert. Das muss aber überhaupt nicht sein. Das Kind kann durchaus von sich aus sagen, nein, ich will ihn oder sie jetzt nicht sehen. Das kann manchmal so ein oder zwei Jahre dauern, dann kommt aber meistens von selbst wieder die Neugier, „Was ist eigentlich mit meinem Papa oder meiner Mama“.

 

Wie wirkt sich eine Trennung auf Kinder aus, was geht da vor sich?

Das schwankt zwischen Depression und Wut. Heute ist es natürlich nicht mehr ganz so dramatisch wie früher, wo Scheidung noch eine Schmach war, wo Scheidungskinder teilweise in einem Rahmen wie dem Kindergarten oder der Schule geschnitten wurden. Das ist heute ja überhaupt nicht mehr der Fall. Es ist normal geworden, dass Trennungen stattfinden, und insofern werden Trennungskinder heute nicht anders behandelt als Nicht-Trennungskinder.

 

Inwieweit brauchen Kinder Ehrlichkeit und Authentizität? Denn sie merken ja sehr genau, was vorgespiegelt ist? Wie ehrlich sollten Eltern sein, in Bezug auf ihre mögliche Trennung, den Zeitpunkt der Trennung oder die Gründe dafür?

Erstens wissen es die Eltern meist auch nicht früher, als sie darüber sprechen, denn die Hoffnung, dass sich vielleicht doch noch etwas retten lässt, ist ja immer da. Insofern kann man da von Ehrlichkeit oder Unehrlichkeit gar nicht reden, weil man es selbst meist erst kurz vorher mit Eindeutigkeit feststellt. Aber dann sollte man es schon sagen.

Die andere Seite ist, dass Kinder immer mitkriegen, wenn Streit da ist. Und dann wäre es gut, wenn dann auch beide Eltern sagen würden, „Das hat mit dir nichts zu tun“. Denn Kinder übernehmen immer Schuld, das ist quasi angeboren. Sie fühlen sich immer schuldig daran, dass die Eltern nicht mehr miteinander können. Das ist wie ein archaisches Muster. Entsprechend ist es wichtig, dass Eltern sehr gezielt auf das Kind zugehen und sagen, „Das ist wirklich nicht deine Schuld“. Und wenn sie das gemeinsam täten, wäre es natürlich das beste.

 

Fragen Kinder nach den Gründen?

Ja. Sie fragen, aber sie fragen nicht so, dass sie bohren. Denn sie haben natürlich auch Angst vor der Wahrheit. Und in einer gewissen Weise muss man diesen Schutzraum auch erhalten. Es kommt natürlich auch aufs Alter an.

Kleine Kinder werden noch relativ wenig fragen. Die werden vielleicht „warum“ fragen, aber sie wollen gar nicht unbedingt wissen, warum. Denn Kinder bis 6, 7 Jahre sind ja im Grunde der Nabel der Welt. Das heißt die Eltern sind im Grunde ihre Satelliten, die mehr so drum rum schwirren. Und in dieser Phase ist natürlich für die Kinder auch dieses Schuldgefühl immer noch sehr viel präsenter, als später, wenn sie sozusagen schon der Welt gegenüberstehen. Das findet aber im Grunde erst mit dem neunten Lebensjahr statt, wo die Seele sich plötzlich isoliert der Welt gegenüberstehend wahrnimmt und dann auch austestet, was wirklich wahr ist. Da wollen die Kinder dann wirklich Antworten, und zwar nicht vorgegaukelte.

 

Heute kommt es ja immer häufiger vor, dass Eltern sich sozusagen einvernehmlich trennen. Wird hier nicht über so manches hinweggetäuscht, sowohl gegenüber den Kindern als auch sich selbst gegenüber? Bleibt da genug Raum für die Trauer, wenn die Trennung quasi als interessante Neuerung im Alltagsleben eingeführt wird?

Solche euphorischen Darstellungen sind mit Sicherheit nicht richtig. Sie werden auch von den Kindern nicht so wahrgenommen, dass sie wirklich stimmen. Man braucht ja nur einmal für sich anzuschauen, wenn man versucht, das in dieser Form darzustellen. Da spielen doch etwas gequälte Falten mit. Das heißt also, hier läuft dann irgend etwas nicht so ganz rund. Und für die Kinder ist eine Trennung immer eine Trennung. Man soll das durchaus auch beim Namen nennen. Aber man kann ja sagen, „Wir sind uns nicht böse, sondern wir können nur nicht in einer Wohnung zusammen sein“. Das wäre eine wichtige Botschaft, die ein Kind eventuell nachvollziehen kann.

Und ansonsten gilt: Wenn man die Beziehung in Freundschaft weiterführen will, bewirkt das für das Kind auch ein Stück seelische Entlastung, wenn da nicht Feindschaft, sondern Freundschaft herrscht. Da kann man Weichen stellen.

Viele Paare denken darüber nach, zusammen zu bleiben, um dem Kind die Trennung zu ersparen. Ist das, Ihres Erachtens, ein gangbarer Weg?

Das ist nur dann sinnvoll, wenn tatsächlich auch das Zusammenbleiben einen Sinn hat. Wenn es dazu führt, dass einer permanent zurücksteckt und quasi nur unter Leidensdruck drin bleibt in der Beziehung, ist das nicht sinnvoll.

Da müsste dann tatsächlich ein Stück weit Paarbeziehungs-Arbeit geleistet werden. Ich empfehle sowieso immer, wenn Trennungsgedanken da sind, eine Paartherapie zu machen. Nicht unbedingt, um die Beziehung zusammen zu halten – das kann sich entwickeln, kann aber auch immer das Gegenteil bewirken -, sondern einfach, um zu verarbeiten und eventuelle Erkenntnisse daraus zu ziehen, um zu sehen, was der eigene Anteil war. In der Trennungssituation ist ja in der Regel immer erstmal der andere derjenige, der etwas falsch gemacht hat oder falsch macht.

Der Focus veröffentlichte kürzlich eine Studie, die aufzeigte, dass Kinder tendenziell weniger unter der Trennung an sich leiden, als unter den elterlichen Konflikten. Sei es nun innerhalb der Beziehung oder außerhalb. Würden Sie dem zustimmen?

Früher war es für die Kinder zusätzlich ein Spießrutenlauf, als Trennung und Scheidung noch so etwas wie der Aussatz war. Das ist ja heute gar nicht mehr so. Aber der Konflikt, vor allem auch der unausgesprochene Konflikt, der sozusagen dem Kind gegenüber geheim gehalten wird und wo im Grunde eine Unbeziehung gelebt wird, da hat das Kind ja gar kein Gespür mehr und es rutscht selber in den Konflikt hinein. Und das ist sicher eine große Schwierigkeit, die man als Arzt auch sehen und erkennen muss, um dann zu helfen.

 

Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Sibylle Engstrom für die Redaktion 

 

Ein weiteres Interview zum Thema Konflikte mit Prof. Reichle lesen Sie bitte hier.

Ein Interview zum Thema Scheidung mit der Eltern-, Mobbing- und Trauerberaterin Dr. Jo-Jacqueline Eckardt lesen Sie bitte hier.


Kinderbücher zum Thema Scheidung
die Kindern und Eltern helfen, die richtigen Worte in einer schweren Zeit zu finden

 

Bilderbücher zum Thema Scheidung

Wenn Eltern auseinander gehen, bricht auch für Kinder ihre Welt auseinander. Ihr Glaube an das Gute in der Welt wird erschüttert. Besonders dann, wenn der Streit nicht aufhört und ein Elternteil schlecht über den anderen redet. Gerade das löst viele Ängste aus, denn Kinder bestehen aus zwei Elternteilen, fühlen sich dabei selbst abgewertet. Da es in Trennungssituationen manchmal mehr als schwer ist, die richtigen Worte füreinander zu finden und Kinder manchmal nicht richtig ausdrücken können, was sie fühlen, haben wir hier einige Kinderbücher zusammengestellt, die Kindern und Eltern helfen können, sich selbst besser zu verstehen und etwas Trost und Zuversicht in dieser schwierigen Phase zu finden. Oft fällt Kindern schon ein großer Stein vom Herzen, wenn sie merken, dass es auch anderen Kindern so geht wie ihnen. Denn eines ist sicher und sollte man seinen Kindern stets vermitteln: Auch wenn es anfangs nicht so aussieht, es wird wieder bessere Zeiten geben.

 

Wir wünschen denjenigen unter unseren  Leserinnen und Lesern, die sich in diesem schweren Lebensabschnitt befinden, viel Kraft, Mut und Zuversicht.

Ihr Spiel und Zukunft- Team

 

Jeanette Randerath / Imke Sönnichsen

Fips versteht die Welt nicht mehr

 

Bruno, ein alter Wolfsbernhardiner tröstet Fips, den kleinen Dackelterrier, der sehr traurig und verwirrt ist, weil seine Eltern sich trennen. Gut, dass er Fips versteht und ihm hilft, sich selber zu verstehen.

Er erzählt ihm von einem Hundemischling, dessen Eltern sich auch trennten und der sehr traurig darüber war, weil er beide Eltern liebte und sich schrecklich schuldig fühlte und nichts mehr wollte, als seine Eltern wieder zusammenzubringen.

Mit einfühlsamen Worten beschreibt Jeanette Randerath den Konflikt, in dem Kinder stecken, wenn die Eltern auseinander gehen. Anhand der zwei Hunderassen zeigt sie, dass Kinder zu gleichen Teilen aus beiden Eltern bestehen und wie sehr sie daher unter dem Streit der Eltern leiden. Die wunderschönen Zeichnungen von Imke Sönnichsen machen das Buch trotz des schwierigen Themas zu einem schönen Leseerlebnis, das kleinen Kindern sicherlich helfen kann, sich besser zu verstehen und sich nicht zu sehr schuldig zu fühlen.

ab 4 Jahren

Thienemann Verlag 2008, 32 Seiten

 

 

Martina Baumbach / Jan Lieffering

Und Papa seh ich am Wochenende

Mit Mama und Papa im Bett zu kuscheln, findet Leo am allerschönsten. Aber immer öfter schläft Papa auf dem Sofa im Wohnzimmer, weil die dicke Luft zwischen Mama und Papa einfach nicht mehr weggehen will. Und dann trennen sich Leos Eltern und lassen sich sogar scheiden.

 

Martina Baumbach beschreibt aus der Sicht des kleinen Leo, welche Ängste Kinder plagen, wenn die Eltern  streiten und auseinander gehen und wie leer sie sich fühlen, wenn plötzlich der eine nicht mehr wie selbstverständlich da ist. Gleichzeitig zeigt sie, wie das Leben nach der Trennung weiter gehen kann. Auch wenn nichts mehr so ist wie vorher, gibt langsam wieder schöne Momente. Und eins versprechen Leos Eltern ganz fest: Niemals werden sie sich von ihm scheiden lassen – großes Vater-Mutter-Kind-Ehrenwort

Gabriel Verlag (Thienemann Verlag GmbH)

 

Eva Orinsky

Die Krokobären

Ein Bär und ein Krokodil tun sich zusammen und bekommen zwei wundervolle Krokobärenkinder. Doch Mama Krokodil ist unglücklich in ihrem neuen Zuhause einer Höhle im Wald und Papa Bär fühlt sich am ihrem heimatlichen Fluss auch nicht wohl. Die kluge Eule rät zur Trennung. Die Krokobärenkinder sind  zunächst sehr unglücklich darüber, doch Papa Bär findet eine neue Freundin und Mama Krokodil eröffnet ein Wellness-Hotel am Fluss.

 

Eva Orinsky erzählt die Geschichte einer Trennung aus dem Tierreich und zeigt Kindern so, dass es nicht ihre Schuld ist, sondern Eltern manchmal nicht anders können, als sich zu trennen. Das Buch kann Kindern verstehen helfen und trösten. Es ist therapeutisch gedacht und enthält daher zusätzlich Memory mit Tier-Bildern, die helfen sollen, auch schwierige Gefühle zu erkennen und darüber zu sprechen. Ein Fragespiel ebnet außerdem auf spielerische Weise den Weg für Gespräche zwischen Eltern und Kindern.

Die Autorin Eva Orinsky arbeitet seit vielen Jahren als Systemische Familientherapeutin mit Paaren und Familien.

iskopress VerlagsGmbH, 48 Seiten, Hard Cover

 

Claudia Fennell / Horst Johnen

Rico der kleine  Delfin

Rico lebt glücklich mit seinen Eltern in der kleinen Bucht. Doch Papa Delfin zieht es ins offene Meer hinaus, Mama macht lieber Kunststücke im Hafen.  Eine Trennung ist unausweichlich, obwohl Rico sehr unglücklich darüber ist und große Angst hat, dass der Papa nicht mehr zurückkommt und die Mama auch noch weggeht. Die liebevollen Illustrationen und der einfühlsame Text spenden kleinen Kindern Trost in der Trennungs-zeit.

ab 4 Jahren

Fi Jo Fe Verlag


 
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