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Vater-Mutter-Kind spielen

„Im Spiel bist du jetzt das Kind und ich die Mutter, und du musst jetzt in den Kinderwagen!“ In bestimmtem Ton weist Larissa (5) ihren kleinen Bruder Anton (1 1/2) an, welche Rolle er zu spielen hat. Als er nicht gleich spurt, setzt sie ihn recht rabiat in den Holzpuppenwagen. „Dann bin ich im Spiel der Papa“, ruft Simon (5). „Ich komme mit, wir gehen zur Eisdiele!“

Warum Kinder so gerne Vater-Mutter-Kind spielen und wie wichtig dieses Spiel für ihre Entwicklung ist erfahren Sie hier ...

 

Das Urbild der Familie

Auch wenn heute immer mehr Kinder mit nur einem Elternteil aufwachsen, spielen Kinder weiterhin Vater-Mutter-Kind, wenn sich die Gelegenheit dazu bietet. Das Urbild der Familie trägt jedes Kind in sich. Es weiß, dass es Mama und Papa gibt, auch wenn einer im Alltag fehlt. Der fehlende Elternteil lebt manchmal erst recht im Kind weiter, als Sehnsucht nach der heilen Familie. Im Spiel taucht er mit Sicherheit irgendwann in irgendeiner Form auf.

Wenn Kinder Vater-Mutter-Kind spielen, spielen sie Situationen nach oder erfinden mit viel Fantasie ein neues Geschehen.

 

Verarbeiten und Fantasie entwickeln

So verarbeiten Kinder im Rollenspiel „Familie“ einerseits, was sie erlebt haben, und bilden andererseits kraft ihrer Fantasie ab, was sie sich wünschen. Beide Komponenten sind wichtig für eine gesunde seelische Entwicklung.

 

Die Aufgabe von Eltern und Erziehern

Um dieses Rollenspiel aufzunehmen, müssen ein paar Voraussetzungen gegeben sein, die leider nicht immer leicht zu finden sind.

 

Kinder brauchen andere Kinder

Sebastian steht im Garten und hält seine Puppe im Arm. Er legt sie in den Kinderwagen, deckt sie zu und spricht leise mit ihr. Natürlich können Kinder auch für sich alleine in die Vater- oder Mutterrolle schlüpfen, allerdings  haben sie viel mehr von dem Spiel, wenn andere beteiligt sind. Kinder spielen Vater-Mutter-Kind am liebsten oder fast ausschließlich mit anderen Kindern, die ihnen sympathisch sind. Hilfreich sind Mitspieler verschiedenen Alters. Früher war das kein Problem, denn es gab meist  Geschwister oder jederzeit Spielkameraden im Hof und auf der Straße. Heute leben viele als Einzelkinder, und es fehlen die Geschwister oder andere vertraute Freunde in der Umgebung.

Bitte keine erwachsenen Zuschauer

„Ja, aber komm nicht wieder so spät von der Arbeit, ich brauch dich beim Babybaden“, tönt es aus dem Versteck. Hinter den Büschen auf dem Spielplatz flüstern Nian, Lisa und Anja. Die drei Freundinnen haben diesen Rückzugsort gewählt, um bei diesem Spiel keine Beobachter zu haben. Auch wenn die Beaufsichtigung dann aufwändiger ist, sollte man Kindern eigene Spielräume schaffen, zum Beispiel in einer Zimmerecke, die man nicht gut einsehen kann, oder ein Versteck im Garten hinter einem Busch oder in einem Spielhaus. Erst wenn sich Kinder von Erwachsenen unbeobachtet fühlen, tauchen sie in dieses besondere Rollenspiel ein.

 

Kinder brauchen Zeit
Heute sind viele Kinder bis spät nachmittags im Kindergarten und danach noch in Kursen, die sie bereits im Kindergartenalter auf den Wettbewerb in der Schule vorbereiten oder ihnen eine frühkindliche Bildung bieten sollen. Sie sind oft schon stärker eingespannt als mancher Erwachsene, und es fehlt ihnen die Zeit, sich im freien Spielen selbst zu organisieren und ihre individuellen Fähigkeiten auszubilden.
Das ist bedauerlich, denn gerade in Rollenspielen lernen Kinder spielerisch vieles, was sie brauchen, um später in der Schule und im Leben bestehen zu können.

 

Selbsteinschätzung und Sozialkompetenz

„Nein, ich will nicht der Bruder vom Baby sein, und auch nicht der Hund! Wenn ich nicht der Papa sein darf, spiel’ ich nicht mehr mit!“ Paul stampft mit dem Fuß fest auf den Boden. Jetzt reicht es ihm aber mit Larissa. „Immer bist du die Bestimmerin, ich hab’ keine Lust mehr!“
Kinder lernen vieles beim Aushandeln der Rollen. Die so genannten Bestimmer verstehen, dass sie jüngere und schüchterne Kinder dominieren können, ältere oder selbstbewusste Kinder jedoch nicht. Sie merken, dass sie alleine dastehen, wenn sie keine Kompromisse eingehen.

 

Andere Kinder finden beim Rollenspiel heraus, dass ihnen der Platz in der zweiten Reihe viel besser gefällt als eine Hauptrolle und dass sie gar nicht Mama oder Papa sein wollen, sie freuen sich über Nebenrollen und spielen gerne das Kind, das sich im Buggy herumschieben lässt.  Die schüchternen Kinder probieren im Spiel vielleicht einmal aus, wie es sich anfühlt, ein freches Kind zu sein. Gefällt es ihnen, trauen sie sich möglicherweise auch in ihrem Leben mehr. Vielleicht stellen sie aber auch fest: „die Rolle passt nicht zu mir“, „ich fühle mich wohler, wenn ich zurückhaltender bin“. Auch Kindern, die nie „Nein“ sagen können, können dies im Spiel üben und es dann auch manchmal in schwierigen Situationen außerhalb des Spiels leichter anwenden.

So wie es im Erwachsenenleben dominante Führungspersönlichkeiten und ruhigere Zeitgenossen gibt, so gibt es natürlich auch unter Kindern Mädchen und Jungen mit verschiedenen Wesenszügen und Temperamenten.

Rollen ausprobieren


Jungs stürzen sich beim Vater-Mutter-Kind-Spielen besonders gern in den Aufbau der Spielwelt, gemeinsam mit den Mädchen werkeln sie daran, ein Haus, eine Küche, ein Auto oder Schiff für die Familie fertig zu stellen. Wenn es dann vollbracht ist und es ans Spielen darin geht, scheinen die Mädchen interessierter zu sein, ihre Rollen einzunehmen und darin aufzugehen. Aber das sollte man nicht verallgemeinern. Beim Rollenspiel geht es ja für Kinder genau darum: sich auszuprobieren und zu testen, welche Rollen und Verhaltensweisen zu ihnen passen, ganz unabhängig von der vorgegebenen Geschlechterrolle oder anderen Erwartungen. Daher können natürlich auch Jungs die Mama spielen und Mädchen den Papa.

 

Jetzt bestimme ich!

Die meisten Kinder haben den durchaus zutreffenden Eindruck, dass über sie bestimmt wird und dass ihnen Vater und Mutter immerzu sagen, wo es langgeht. Wie herrlich ist es da, im Spiel einmal Mama oder Papa zu sein und selbst bestimmen zu können. Dabei sind Kinder oft ganz schön hart. „Jetzt bist du aber mal still und hörst endlich damit auf!“, fährt Klara „ihr Kind“ an. „Das habe ich dir schon hundert Mal gesagt!“

 

Bitte nicht vorschnell interpretieren!

Nicht immer bilden die kindlichen Dialoge und Spielszenen die Realität eins zu eins ab. Fühlen sie sich ungerecht behandelt, spielen Kinder das erlebte Gefühl in fantasievollen Variationen nach, daher sollte man vorsichtig sein und die Spiele nicht vorschnell interpretieren.

 

Vom Verschwinden der Arbeit

Für Kinder wird es heutzutage immer schwerer, Rollen aus dem Alltagsleben zu finden, die sie spielen könnten, da die Arbeit der Eltern sowie die Arbeitsprozesse in ihrer Umgebung immer abstrakter werden. Die meisten Eltern haben Berufe, die man nicht sieht. Wenn beide Eltern arbeiten, spielt sich das Familienleben nur in den Abendstunden ab. Sichtbare und praktische Tätigkeiten verschwinden und werden von Maschinen und Computern ausgeführt. Einfache Handlungen, durch die Kinder die Welt früher als sinnhaft erleben konnten, sind vielfach durch undurchschaubare Prozesse ersetzt.

Computer, Tablets, Smartphones treten an die Stelle von Begegnungen, bei denen Eltern ihren Kindern die Welt mittels Menschen und deren Berufe erklären konnten. Von daher: Nehmen Sie ihr Kind dahin mit, wo es noch wirklich etwas erleben kann: Beim Buchhändler riecht es so interessant und es gibt dort schöne Bücher, auch für Kinder. Beim Metzger bekommt man mit Glück ein Stück Wurst geschenkt, und manchmal kann man sich vom Sparkassenangestellten Geld direkt aushändigen lassen, mit dem man auf dem Markt bezahlt, wo die nette Marktfrau erklärt, wie gut heute die Kirschen schmecken. Solche Begegnungen wird man am besten aktiv suchen, denn das meiste davon passiert heute per Tastenkombination. Im Haushalt sieht es nicht anders aus. Auch hier kann man als Vorbild wirken, indem man Geschirr auch mal gemeinsam per Hand spült, Kaffee ab und zu selbst mahlt und aufbrüht, Gemüse schnippelt, Kleidung ausbessert und Dinge pflegt.

Erzieherinnen beobachten zunehmend Kinder, die im Rollenspiel nicht mehr interagieren, sondern auf einem Holzklotz herumtippen wie auf einem Computer oder einen Baustein wischen wie ein Smartphone. Auch beim Vater –Mutter-Kind Spiel wird schon mal ein Kind vor den Fernseher gesetzt oder ein „Tablet“ mit den Worten „jetzt beschäftige dich aber mal allein und lass mich in Ruhe!“ in die Hand gedrückt.

Dabei lieben Kinder alle praktischen Tätigkeiten, bei denen sie helfen können und an Hand derer sie verstehen, wie die reale Welt funktioniert. Ob im Haushalt, an der Baustelle oder auf dem Bauernhof -  Kinder sind immer fasziniert, wenn sie zusehen dürfen, wie Menschen tätig sind. Kinder backen und kneten, kehren, spülen, gärtnern, buddeln, gießen und scheuern sogar gern, wenn sie nur bei den Großen mitmachen dürfen. Auch wenn es erst einmal mehr Arbeit macht, lassen Sie Ihr Kind so viel wie möglich teilhaben und mitmachen. Besonders wenn geliebte oder bewunderte Menschen eine Tätigkeit mit Freude ausführen, ist das ein prägendes Erlebnis für Kinder, das oft in sinnvolle Rollenspiele mündet.

 

Tipp:

Denken Sie daran: Auch Langeweile gehört zum Leben und ist wichtig! Nur aus ihr entstehen neue Ideen und tolle Spiele. Also bespielen Sie Ihre Kinder nicht sofort, halten Sie die Anflüge von Langeweile aus und sagen Sie: „Ach so, ja, ja, das gibt es. Dann schau dich mal um, ob du was findest, was du tun kannst.“ Sorgen Sie für Spielzeug, das vielseitig ist und aus Teilen besteht, die man immer wieder neu und anders verwenden oder zusammensetzen kann.

Wer mehr über Rollenspiele erfahren möchte, klickt bitte hier. 

 
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